Datenschutz bei der Volkszählung
– oder „wie ich problemlos persönliche Daten von dutzenden Bürgern hätte einpacken können, die offiziell gar nicht da waren“ …
Da das Thema ja dank Genehmigung der registergestützten Volkszählung jetzt wieder aktuell ist:
Es gab da einmal (m)eine Schulklasse, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden besuchte. Zuerst fiel mir das abschreckende Aussehen auf: Das gesamte Gelände war mit Klingendraht gesichert. Teile davon waren rostig, andere sahen wie neu aus. Innen wurde uns, nachdem wir erst mal ohne wirkliche Beaufsichtigung hin- und hergestreunt sind, in einem Vortragsraum einiges erklärt, was das statistische Bundesamt so macht, wie es arbeitet etc. – je nach dem, ob man sich für das Thema interessierte, mehr oder weniger interessant. Es wurden auch einige Fragen beantwortet. Der Klingendraht stamme aus der Zeit der Volkszählung 1987, außerdem diene der dazu, Selbstmörder draußen zu halten, die damals wohl gerne das hohe Gebäude nutzten, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Wann/warum er erneuert wurde (darauf lässt der unteschiedliche Verrostungsgrad ja schließen) habe ich dann (leider) nicht gefragt.
Zum Datenschutz wurde versichert, dass dieser im Statistischen Bundesamt zwar natürlich sorgfältig beachtet würde, es aber eh kein Problem wäre, da das Bundesamt keine personenbeziehbaren Daten mehr habe – es kämen dort angeblich nur anonymisierte Daten der Landesämter an. Sehr beruhigend, dachte ich, hatte aber das mulmige Gefühl, dass ich das leider nicht überprüfen kann und leider auf diese Angaben vertrauen muss.
Als wir das Gebäude verließen, gab es wieder ein Chaos, weil keiner den Weg wusste, sodass einige sich unbeaufsichtigt alleine den Weg zu irgendeinem Ausgang bahnten. Naja, kein Problem, sind ja eh keine datenschutzrelevanten Dinge da, also kein besonderer Schutz nötig. Die Hauptgruppe verließ das Gebäude dann durch einen Archivraum. An hohen, (soweit ich weiß) rollbaren Regalen führte seitlich ein schmaler Gang entlang. An den Regalen standen manchmal kleine Tische. Der Raum war dunkel, die Lehrer vorne, vom statistischen Bundesamt war entweder niemand bei der Gruppe oder auch vorne. Ein Bus voller Schüler formt in einem so schmalen Gang eine verdammt lange Menschenmenge – und in den Platz- und Lichtverhältnissen war diese absolut nicht zu überblicken. Ich war ungefähr in der Mitte der Meute. Etwas auf einem der Tische neben den Regalen erweckte meine Aufmerksamkeit: Es war ein Stapel Forumulare, sie sahen aus wie irgendwelche Befragungsformulare. Und sie waren offenbar handschriftlich ausgefüllt. Auf dem Deckblatt des obersten Formulars standen deutlich eine vollständige Adresse und vermutlich noch deutlich mehr Angaben, ganz zu schweigen von dem Zeug, was vermutlich im Inneren schlummerte. Ein beherzter Griff, und ich hätte einen Packen von den Teilen in meinen Rucksack verschwinden lassen können. Inzwischen bereue ich fast, es nicht getan zu haben. Einen besseren Beweis dafür, dass die Behauptungen, es gäbe keine personenbezogenen Daten mehr im Bundesamt und der Datenschutz werde ernst genommen, völliger Unfug waren, werde ich wohl nie wieder finden.
Es ist aber wohl logisch, dass ich bei der registergestützten Volkszählung keine Auskunft geben werde (zumindest keine richtige), denn ich habe diese Lügen mit eigenen Ohren gehört und deren Widerlegung mit eigenen Augen gesehen. Beweise dafür in Form eines geklauten Stapels Formulare habe ich aber nicht.
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2011-05-07 um 15:04 GMT+0000Volkszählung: Online-Übermittlung unsicher « Jan Schejbal