Oft übersehene Lügen zum Bundestrojaner

In der derzeitigen Debatte zum Bundestrojaner werden ein paar Dinge oft von der Presse übersehen und von den Verantwortlichen falsch dargestellt. Die zwei Wichtigsten nehme ich hier mal auseinander (Liste wird ggf. noch ergänzt):

Behauptung:
„Beim Einsatz der Trojaner wurden alle rechtlichen Vorgaben eingehalten“

GELOGEN In Bayern hat einer der Trojaner Screenshots angefertigt. Das war nach rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts rechtswidrig. Illegal, verboten, gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßend. Unbestreitbar, ohne wenn und aber. Die (leider von der Presse oft übernommene) Behauptung, die rechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, ist also eine dreiste Lüge. Konkret hatte das Bayrische Innenministerium behauptet:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden.

Auf Unwissenheit wird man sich hier angesichts der Bekanntheit des Urteils kaum berufen können.

Behauptung:
„Trojaner werden nur zur Verfolgung schwerer Straftaten wie Terrorismus verwendet“

GELOGEN In den bekannten Fällen handelt es sich einmal um Drogenhandel, einmal um möglicherweise nach Betäubungsmittelgesetz illegale Ausfuhr von zugelassenen Medikamenten und einmal um Diebstahl, siehe Fefe.

Noch Ärgerlicher ist allerdings, dass die Gelegenheit genutzt wird, Forderungen nach mehr (!) Überwachungsbefugnissen zu stellen. Die GDP (Gewerkschaft der Polizei, nicht zu verwechseln mit der DPolG oder dem BDK) fordert einen „sauberen rechtlichen Rahmen“, will also ein Gesetz, was die Überwachung erlaubt.

Wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, dann ist die richtige Reaktion darauf in der Regel, ihn in den Knast zu stecken, und nicht, den Gesetzesbruch zu legalisieren! Wenn Vertrauen und bestehende Privilegien missbraucht werden, dann gehören diese Privilegien entzogen, nicht ausgeweitet.

Meiner Meinung nach müssten:

  • Sämtliche Verantwortlichen (und nicht nur ein paar Bauernopfer) zur Rechenschaft gezogen werden. Das beinhaltet insbesondere eine Entlassung und Strafverfahren, und wir reden hier sicher von Dutzenden von Verantwortlichen.
  • Die Überwachungsbefugnisse der Behörden massiv zusammengestrichen werden. Nicht nur muss die Verwendung von Spionagesoftware unmissverständlich untersagt werden, auch die sonstigen Befugnisse dürfen nicht unangetastet bleiben. Der Richtervorbehalt muss gestärkt werden, eine ausführliche Begründung sollte Pflicht werden. Wenn Richter pro Fall erstmal 1-2 Seiten individuelle, nicht aus Textbausteinen bestehende Begründung selbst abfassen müssten, wäre schon viel gegen ausufernde Überwachung ohne richtige Prüfung getan. Wenn der Richter überlastet ist, bleiben die Anträge halt so lange liegen, bis die Behörden gelernt haben, die Maßnahmen nur in Fällen anzuwenden, wo sie wirklich nötig sind.
  • Sämtliche Überwachungsmaßnahmen nachträglich geprüft und bei Verstößen sofort empfindliche Strafen verhängt werden.

Wird natürlich nicht passieren, solange die CDU an der Regierung ist. Vermutlich wird es vielmehr ein Alibi-Gesetz geben, was 1-2 Überwachungsbefugnisse reduziert und dafür an anderer Stelle zahlreiche andere ausweitet, und vielleicht müssen 1-2 Leute mit großzügigen Pensionen gehen, natürlich ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.

  1. Torsten
    2011-10-11 um 19:48 GMT+0000

    Verlinke doch bitte auch die Behauptungen, so dass man die Lügner identifizieren kann.

    • Jan
      2011-10-11 um 21:47 GMT+0000

      Ist schwierig, weil die Aussagen eventuell mehrfach gefallen, auf jeden Fall aber hin- und herzitiert wurden. Im besonders krassen Fall der PM des bayrischen Innenministeriums ist der LInk ja da. Die zweite Aussage wurde immer mal wieder gesagt, insbesondere schon bei der Einführung, und ist nicht auf einen konkreten Artikel bezogen. Das Problem ist außerdem: Bei der reinen Quellen-TKÜ werden soweit ich weiß (kann mich irren) die Richtlinien der normalen TKÜ angewendet, und die sehen „Bandendiebstahl“ schon als ausreichend schwere Kriminalität an – wenn jemand für die Einführung/Erlaubnis debattiert, erwähnt er aber natürlich die etwas plakativeren Beispiele wie Terrorismus und sagt nicht, was sonst auch noch zur (Quellen-)TKÜ berechtigt. Die Quellen-TKÜ umfasst aber auf keinen Fall die Screenshotgeschichte, das wäre eine Onlinedurchsuchung, und die kommt nur bei wirklich schweren Straftaten (Entführung, Mord, Terror, etc.) in Frage – sowohl nach bayrischem Polizeiaufgabengesetz als auch nach BKA-Gesetz.

  2. nico kruppe
    2011-10-11 um 20:07 GMT+0000

    meine worte… 100% ack! vielen dank :-)

  3. Martin
    2011-10-11 um 20:11 GMT+0000

    Was aber auch mal lobend erwähnt werden sollte: Das große Engagement der Verantwortlichen. Ich wäre bei meinem Job nicht bereit Gesetze zu brechen oder Klagen zu riskieren. Nur wer erwischt wird, so bewunderungswert die Tat auch gewesen sein könnte, muss dann auch mit den entsprechenden Konsequenzen rechnen.

    • VolkerW
      2011-10-11 um 23:26 GMT+0000

      Engagement?
      Ich würde es eher Dreistigkeit und Unverfrohrenheit nennen, sich über Recht und Gesetzt zu stellen und dieses mit Füßen zu treten.
      Konsequenzen?
      JA! Und nicht zu wenig und nicht, weil sie erwischt wurden, sondern weil sie unsere Grundrechte mißachten!

      Verdammt nochmal!

  4. Detlef Borchers
    2011-10-11 um 20:37 GMT+0000

    Es wird noch mehr gelogen. Z.B. dass der C&C Server in den USA nötig war, weil Skype-Server in den USA stehen. Journalistenkollegen haben das eifrig mitgeschrieben, ohne vor Lachen vom Hocker zu fallen. –Detlef

    • Jan
      2011-10-11 um 21:36 GMT+0000

      Hab ich bisher nirgendwo gesehen diese Behauptung. Gib mir nen Link zu nem Presseartikel wo es drinsteht, und ich bau es ein.

  5. Franz
    2011-10-11 um 22:16 GMT+0000

    Leider wird in (D) nichts von den geforderten Dingen passieren, solange auch nur irgendjemand von den bisher sich in Berlin den Hintern plattsitzenden Geldgeiern nur ein Wörtchen mitzureden hat. :-(

  6. 2011-10-11 um 22:34 GMT+0000

    Bzgl. des Alibi-Gesetzes wäre ich mir nicht so sicher. Immerhin haben wir Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Justizministerin und die ist verdammt sauer und wegen der Einführung des Lauschangriffs ja schon mal zurückgetreten. Die wird sich mit Sicherheit nicht mit einem Alibi-Gesetzes zufrieden geben.

  7. zottel
    2011-10-12 um 07:44 GMT+0000

    Etwas ganz wichtiges fehlt hier:
    Dass die Landesbehörden überhaupt einen Trojaner eingesetzt haben ist schon illegal, ganz egal ob er „nur“ Quellen-TKÜ macht oder noch ganz andere Sachen.
    Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass so etwas nur in engen Grenzen erlaubt ist und nur, wenn ein entsprechender rechtlicher Rahmen existiert, der den Einsatz regelt.
    So ein Rahmen existiert im Bund, d.h. das BKA darf, und evtl. der Zoll? Weiß ich nicht genau.
    Ob in manchen Ländern entsprechende Gesetze geschaffen wurden, weiß ich nicht; in Bayern existieren sie jedenfalls nicht. Insofern war es also an sich schon rechtswidrig, überhaupt einen Trojaner einzusetzen, und wäre es selbst dann gewesen, wenn er nur das könnte, was lt. Verfassungsgericht zur Quellen-TKÜ erlaubt ist.

    • zottel
      2011-10-12 um 08:02 GMT+0000

      P.S.: Um das zu konkretisieren: Es existiert ein Gesetz zur Online-Durchsuchung. Wie üblich wird diese aber nur bei schweren Verbrechen, Gefahr für Leib und Leben oder den Staat etc. erlaubt, das greift hier also nicht,
      Es gibt aber keines (meines Wissens und laut Aussage mehrerer Interviewter im Deutschlandfunk, an deren Namen ich mich leider nicht erinnern kann), das die Installation von Trojanern zur Quellen-TKÜ regelt, es wird schlicht davon ausgegangen, dass eine Erlaubnis zur Telekommunikationsüberwachung auch die zur Quellen-TKÜ einschließt, was aber mindestens eine problematische Rechtsauffassung ist, die von den meisten Juristen nicht geteilt wird, wenn nicht gar im direkten Widerspruch zum Verfassungsgerichtsurteil steht.

  8. 2011-10-12 um 07:48 GMT+0000

    Danke ich komme aus Bayern und habe mich immer wieder gewundert das die Statements der zuständigen das Urteil das immerhin schon ein paar Monate alt ist völlig ausser acht lassen und weiterhin behaupten es wäre alles rechtmäßig gewesen.

    Das ist es nicht. Und jeder der dies behauptet sollte mal kurz nachlesen und dann überlegen ob ein anderer Beruf nicht doch sinnvoll wäre.

  9. 2012-05-14 um 18:08 GMT+0000

    > illegale _Ausfuhr_ von zugelassenen Medikamenten

    Der Link ist kaputt.

  1. 2011-11-07 um 10:24 GMT+0000
  2. 2012-03-14 um 14:53 GMT+0000

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