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Bestandsdatenauskunft – neues Überwachungsgesetz und Demos dagegen
Die Bundesregierung hat sich mal wieder ein neues Überwachungsgesetz ausgedacht: Die Bestandsdatenauskunft. Nachdem das BVerfG (mal wieder) ausufernde und schwammig formulierte Überwachungsbefugnisse kassiert hatte, musste „natürlich“ gleich ein neues Gesetz her, um die kassierten Befugnisse wieder einzuführen und noch weiter auszuweiten.
Worum geht es dabei? Eine Kurzzusammenfassung gibt es bei bestandsdatenauskunft.de, wo auch noch weitere Probleme aufgezeigt werden. Etwas ausführlicher:
Ermittlungsbehörden und Geheimdienste werden ermächtigt, auf sogenannte „Bestandsdaten“ zuzugreifen. Was das ist, ist zwar schwammig formuliert, aber sicherheitshalber wird sehr deutlich erwähnt, dass dazu auch Passwörter zählen, und die Abfrage auch anhand von IP-Adressen möglich sein soll. Ein Richtervorbehalt ist nur beim Zugriff auf Passwörter vorgesehen. Die anderen Abfragen, insbesondere also die Identifizierung von Internetnutzern anhand der IP-Adresse, sollen bei größeren Providern sogar über eine automatisierte Schnittstelle ablaufen. Hierfür reicht es, wenn die abfragende Stelle der Meinung ist, „für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben“ diese Daten zu benötigen, und eine Rechtsgrundlage dafür vorweisen kann.
Die Rechtsgrundlage wird gleich mitgeschaffen, indem z. B. das BKA-Gesetz geändert wird (Art. 3 des Entwurfs). Danach darf das BKA Daten erheben, wenn es sie für seine Aufgaben gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKAG braucht. Dort steht „genau“, welche Daten das BKA braucht: „alle hierfür [gemeint: für Verfolgung und Prävention bestimmter Straftaten] erforderlichen Informationen“ – auf gut Deutsch: Alle Daten, auf die es gerade Lust hat und sie für „erforderlich“ hält.
Das ist nur ein Beispiel, es werden auch noch die Befugnisse anderer Behörden auf ähnliche Art und Weise ausgeweitet. Auf Grundrechte wurde nicht im Geringsten Rücksicht genommen. Die Verhältnismäßigkeit wird nirgendwo geprüft, in den meisten Fällen ist nicht einmal ein Richtervorbehalt gefordert (nicht dass der viel bringen würde).
Mit den Passwörtern z. B. für Facebook, Google- und E-Mail-Accounts können die Behörden dann weitere Überwachungsmaßnahmen durchführen, z. B. über Facebook den Freundeskreis ausforschen, E-Mails mitlesen, eine Onlinedurchsuchung bei Online-Speicherdiensten machen, über den Play-Store Schadsoftware auf Android-Geräte installieren, mit der PUK die auf einer SIM-Karte hinterlegten Kontakte und SMSen lesen, mit dem Google-Accountpasswort die Bildschirmsperre eines Android-Handies aufheben. Ob sie das dürfen, dürfte die Behörden nicht interessieren. (Siehe z. B. illegaler Einsatz des Bayerntrojaners). Die strengeren rechtlichen Anforderungen für Überwachungsmaßnahmen wie die TKÜ werden somit komplett unterlaufen.
Durch die Massenabfrage von IP-Adressen können Massen-Überwachungsaktionen durchgeführt werden. Die rechtswidrige, aber trotzdem regelmäßig durchgeführte Überwachung und Zurückverfolgung von Internetnutzern, die Behördenseiten besuchen, wird damit viel einfacher und dürfte massenhaft eingesetzt werden. Bei solchen Aktionen gilt für viele Behörden sowieso das Motto „Legal, illegal, scheißegal“ – die Überwachung in NRW fand auch statt, nachdem das ausdrücklich für rechtswidrig erklärt worden war. Dank automatischer Schnittstelle wird massenhafter Missbrauch ala Dresdner Handydatenskandal viel leichter und unauffälliger.
Wer es selbst nachlesen will: Das Gesetz wurde nach anfänglicher Kritik geändert, sodass jetzt ein Originalentwurf und ein Änderungstext existiert, falls ich eine zusammengefasste Version finde, werde ich den Link hier nachtragen. (Edit: hier findet sich eine von Freiwilligen erstellte Version – Danke!)
Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz (das erkennt man übrigens an der Formulierung „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates…“ im Gesetzesentwurf). Ohne die Zustimmung im Bundesrat kann die Bundesregierung das Gesetz also nicht beschließen, und dort hat sie keine Mehrheit. Leider hat die SPD bereits versprochen, das Gesetz und damit diesen eklatanten Grundrechteabbau zu unterstützen, und verkauft das als „wichtigen Kompromiss„, weil sie es geschafft haben, einige kleine Verbesserungen einzubringen. Das ändert aber nichts daran, dass die Bestandsdatenauskunft inakzeptabel ist, und die SPD diesen Grundrechteabbau ohne Not und freiwillig mitträgt. Vielleicht überlegen sich einige Landes-SPDs ja noch, ob sie da mitmachen wollen, wenn sie merken, dass die Öffentlichkeit zuschaut.
Deswegen finden bundesweit friedliche Demos in über 25 Städten statt. Los geht es bereits dieses Wochenende (bundesweiter Aktionstag ist der 14.4., einige Städte fangen schon früher an), die zweite Runde gibt es am 27.4. (auch hier machen einige Städte die Demos schon früher). Die genauen Orte finden sich z. B. im Protestwiki. In Frankfurt am Main fängt die Demo am 14.4. um 13:00 Uhr am Römer an. (Nazis sind bei den Demos übrigens ausdrücklich nicht willkommen.)
Kommt nicht nur zu den Demos, sondern weist auch andere Leute auf die Bestandsdatenauskunft und die Demos hin, und fordert sie auf, ebenfalls Leute mitzubringen und auf die BDA hinzuweisen! Aktuell ist das Thema selbst unter politisch aktiven Informatikern viel zu wenig bekannt, da die Medien bisher kaum darüber berichtet haben.
Bestandsdatenauskunft ist Scheiße – und nun?
Es gibt einige Leute, die der Meinung sind, wir müssten Alternativen zur BDA aufzeigen, um sie kritisieren zu dürfen, und die Ermittlungsbehörden würden solche Befugnisse brauchen, um uns vor Kriminalität zu schützen. Das ist im Fall der Bestandsdatenauskunft reiner Unsinn. Die Bestandsdatenauskunft in der jetztigen Form missachtet sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze, pfeift auf Verhältnismäßigkeit, und erlaubt nahezu beliebigen Behörden, nahezu beliebige Bestandsdaten inkl. Passwörtern abzugreifen – außer bei den Passwörtern sogar ohne jegliche richterliche Kontrolle!
Als Piraten und Bürgerrechtsaktivisten ist es nicht unsere Aufgabe oder Pflicht, Vorschläge für „bessere“ Überwachungsgesetze zu schreiben, und ich bin maßlos enttäuscht von jedem, der ohne das Problem wirklich verstanden zu haben, die darin enthaltenen Überwachungsbefugnisse kleinredet und das Gesetz verharmlost (ja, tarzun, das gilt insbesondere für Leute die im Piratenvorstand sitzen) und so die Salamitaktik des stetigen Grundrechteabbaus unterstützt.
Wir brauchen aktuell keine weiteren Erweiterung der Rechte der Ermittlungsbehörden, sondern erstmal ein Freiheitspaket, was die katastrophalen Änderungen der letzten 20 Jahre rückgängig macht. Weiterhin brauchen wir Ermittlungsbehörden, die Befugnisse und Möglichkeiten nicht missbrauchen, und bei denen Missbrauch ernsthaft geahndet wird. Wenn wir Ermittlungsbehörden haben, die sich zuverlässig an geltendes Recht halten, dann und erst dann können wir darüber nachdenken, ihnen die und nur die Befugnisse zu geben, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwingend benötigen, unter Einhaltung aller machbaren Vorsichtsmaßnahmen. Eine automatische Identifizierung von Internetnutzern ist unnötig, und es gibt keine Rechtfertigung dafür, irgendeine derartige Maßnahme ohne wirksamen Richtervorbehalt einzuführen.
Die BDA wäre auch dann abzulehnen, wenn Passwörter nur bei Verdacht auf bestimmte Straftaten abgefragt werden dürften, denn wer verdächtig ist, ist noch nicht schuldig. Ein Verdacht hebt das Grundrecht auf Privatsphäre nicht auf. Natürlich wäre es für die Behörden hilfreich, wenn sie alles dürften. Das darf in einem Rechtsstaat aber nicht das Kriterium sein.
Selbst wenn eine Erweiterung der Befugnisse der Behörden für sinnvoll erachten würde, kann die Diskussion darüber nicht auf Basis eines völlig überzogenen, verfassungswidrigen Gesetzes geschehen. Denn das ist die übliche Taktik „das zehnfache des Sinnvollen fordern, um am Ende das doppelte zu bekommen“. Das kann man sich etwa so vorstellen:
Regierung: „Hey, ich werde dir zehn Backsteine in den Arsch schieben“
Bürger: „WTF? NEIN! WAS FÄLLT DIR EIN!“
Regierung: „Ok, du hast gewonnen. Zwei sind ein fairer Kompromiss!“
Bürger: „Hm, immer noch scheiße, aber naja…“ *bück*
Deswegen kann es über die Bestandsdatenauskunft keinerlei Debatte geben, außer die Forderung nach kompletter Ablehnung. Wir müssen auch keinen „Gegenvorschlag“ für weitere Überwachungsgesetze machen. Unser Gegenvorschlag lautet: Die Grundrechte achten und bewahren!
Wenn wir nicht für unsere Grundrechte kämpfen, wenn wir dieses Gesetz ohne massiven Widerstand durchgehen lassen, dann war das nur der Anfang – dann folgen noch dreistere Gesetze, bis „Privatsphäre“ nur noch in Geschichtsbüchern zu finden ist.
Oft übersehene Lügen zum Bundestrojaner
In der derzeitigen Debatte zum Bundestrojaner werden ein paar Dinge oft von der Presse übersehen und von den Verantwortlichen falsch dargestellt. Die zwei Wichtigsten nehme ich hier mal auseinander (Liste wird ggf. noch ergänzt):
Behauptung:
„Beim Einsatz der Trojaner wurden alle rechtlichen Vorgaben eingehalten“
GELOGEN In Bayern hat einer der Trojaner Screenshots angefertigt. Das war nach rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts rechtswidrig. Illegal, verboten, gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßend. Unbestreitbar, ohne wenn und aber. Die (leider von der Presse oft übernommene) Behauptung, die rechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, ist also eine dreiste Lüge. Konkret hatte das Bayrische Innenministerium behauptet:
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden.
Auf Unwissenheit wird man sich hier angesichts der Bekanntheit des Urteils kaum berufen können.
Behauptung:
„Trojaner werden nur zur Verfolgung schwerer Straftaten wie Terrorismus verwendet“
GELOGEN In den bekannten Fällen handelt es sich einmal um Drogenhandel, einmal um möglicherweise nach Betäubungsmittelgesetz illegale Ausfuhr von zugelassenen Medikamenten und einmal um Diebstahl, siehe Fefe.
Noch Ärgerlicher ist allerdings, dass die Gelegenheit genutzt wird, Forderungen nach mehr (!) Überwachungsbefugnissen zu stellen. Die GDP (Gewerkschaft der Polizei, nicht zu verwechseln mit der DPolG oder dem BDK) fordert einen „sauberen rechtlichen Rahmen“, will also ein Gesetz, was die Überwachung erlaubt.
Wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, dann ist die richtige Reaktion darauf in der Regel, ihn in den Knast zu stecken, und nicht, den Gesetzesbruch zu legalisieren! Wenn Vertrauen und bestehende Privilegien missbraucht werden, dann gehören diese Privilegien entzogen, nicht ausgeweitet.
Meiner Meinung nach müssten:
- Sämtliche Verantwortlichen (und nicht nur ein paar Bauernopfer) zur Rechenschaft gezogen werden. Das beinhaltet insbesondere eine Entlassung und Strafverfahren, und wir reden hier sicher von Dutzenden von Verantwortlichen.
- Die Überwachungsbefugnisse der Behörden massiv zusammengestrichen werden. Nicht nur muss die Verwendung von Spionagesoftware unmissverständlich untersagt werden, auch die sonstigen Befugnisse dürfen nicht unangetastet bleiben. Der Richtervorbehalt muss gestärkt werden, eine ausführliche Begründung sollte Pflicht werden. Wenn Richter pro Fall erstmal 1-2 Seiten individuelle, nicht aus Textbausteinen bestehende Begründung selbst abfassen müssten, wäre schon viel gegen ausufernde Überwachung ohne richtige Prüfung getan. Wenn der Richter überlastet ist, bleiben die Anträge halt so lange liegen, bis die Behörden gelernt haben, die Maßnahmen nur in Fällen anzuwenden, wo sie wirklich nötig sind.
- Sämtliche Überwachungsmaßnahmen nachträglich geprüft und bei Verstößen sofort empfindliche Strafen verhängt werden.
Wird natürlich nicht passieren, solange die CDU an der Regierung ist. Vermutlich wird es vielmehr ein Alibi-Gesetz geben, was 1-2 Überwachungsbefugnisse reduziert und dafür an anderer Stelle zahlreiche andere ausweitet, und vielleicht müssen 1-2 Leute mit großzügigen Pensionen gehen, natürlich ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.
BKA bekommt Freibrief zum Datensammeln
Das BKA hat einen Freibrief vom Bundesrat bekommen und darf jetzt munter alle möglichen Daten speichern.
Der Hintergrund: Bisher hat es das einfach ohne Rechtsgrundlage gemacht. Betroffen war z. B. die „Datei Gewalttäter Sport„, in der auf bloßen Verdacht Leute landen, die bei einem Fußballspiel in der Nähe einer Ausschreitung gesehen wurden. Die Aufnahme führt dann zu so Dingen wie Meldeauflagen und Ausreiseverboten. Die Justiz fand das eher weniger lustig und hat das untersagt, mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Würde es bestätigt werden, ohne dass eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, würde das höchstwahrscheinlich bedeuten, dass das BKA seine „schöne“ Datensammlung endlich löschen und künftig unterlassen muss. In ein paar Tagen findet die mündliche Verhandlung statt, in der das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheidet. (Den Hinweis auf diesen wichtigen Zusammenhang verdanken wir übrigens einem Beitrag im Heiseforum).
Mit dem Freibrief dürften jetzt noch ein paar neue Datenbanken entstehen. Was den Umfang der jetzt speicherbaren Daten angeht: „Alles“ ist eigentlich untertrieben – an das, was da zusammenkommt, denkt ein normaler Mensch nicht, siehe die Verordnung selbst. Besonders bemerkenswert finde ich darin die Aussage, dass das bisherige (nicht rechtsstaatliche) Verfahren ja super (aus Sicht der Polizei) funktioniert hätte.
Die FDP hätte die das selbstverständlich verhindern können, wenn sie denn tatsächlich für Bürgerrechte eintreten würde: Im Bundesrat muss jedes Bundesland mit einer Stimme sprechen, sind sich die dortigen Koalitionsparteien nicht einig, gibts eine Enthaltung, die wie ein Nein wirkt. Selbst wenn also außer der FDP alle Parteien für diese Verordnung wären, hätte sie es verhindern können. (Hätte die SPD sich rechtzeitig auf eine Koalition in NRW geeinigt, hätte sie übrigens die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat gekippt und es so vermutlich auch verhindern können.)
Howto: Kinderpornographie im Internet melden
Für Eilige: Hier klicken, um zur Liste der Beschwerdestellen zu springen.
Obwohl ich das Internet schon sehr lange sehr intensiv nutze, ist mir dort noch nie Kinderpornographie begegnet. Soweit ich weiß nichtmal in Form von SPAM-Betreffzeilen, die allerdings durchaus gelegentlich auf Jugendpornographie hinweisen.
Dennoch stellt sich die Frage: Was, wenn man doch mal auf sowas stoßen sollte? Eigentlich wäre es ja sinnvoll, so etwas zu melden, nur wohin? Die staatlichen Ermittlungsbehörden haben oft genug unter Beweis gestellt, dass sie nicht der geeignete Ansprechpartner sind. Es soll sogar zu Verfahren gegen Zufallsfinder, die kinderpornographisches Material gemeldet haben, gekommen sein. Daraufhin wurde mit „Netz gegen Kinderporno“ eine private Initiative gegründet, welche Beschwerden anonym weiterleitete. Diese wurde inzwischen wieder geschlossen, und zwar auf die Versicherung der Landeskriminalämter hin, gegen Zufallsfinder keine Verfahren mehr einzuleiten. Seitdem fordert die Seite dazu auf, Kinderpornographie wieder den Behörden zu melden.
Das BKA hat allerdings deutlich gemacht, dass deutschen Ermittlungsbehörden nicht zu trauen ist: Es überwacht(e) systematisch seine Fahndungsseiten, in der Hoffnung, die Gesuchten würden diese Seite auch aufrufen. Wenn man sich also beim BKA über aktuelle Fahndungen informiert hat, konnte man in Verdacht geraten. Damit hat das BKA sämtliches Vertrauen verspielt und deutlich gemacht, dass es keine Hilfe von Bürgern wünscht. Dazu kann ich auch die Kommentare zu einem Blogpost von Lawblogger Udo Vetter empfehlen. Nr. 4 berichtet davon, dass das BKA sich im Jahr 2000 nicht um Missbrauchsbeschwerden kümmern konnte, weil es ja über 70 Mails am Tag bekam und das zu viel Arbeit sei. Nr. 88 weist darauf hin, dass er nach einer angeblich anonymen Onlineanzeige bei der Polizei eine Zeugenvorladung bekommen hat. Das sind nur unverifizierte anonyme Kommentare, aber dieser Artikel des AK Zensur macht deutlich, dass der Kampf gegen Kinderpornographie beim BKA auf dem Dienstweg versandet. Es mag sein, dass die Landeskriminalämter da besser sind – aber bei Servern im Ausland werden die wohl erst recht nichts machen können.
Man sollte bedenken, dass es hier auch um Opferschutz geht. Wenn man also die Kooperation mit den Behörden aufgrund ihrer Praktiken einstellt, schadet man nicht wirklich der Behörde, sondern vor allem den Opfern. Da die Behörden aber eh nicht wirksam eingreifen, muss man einen sinnvolleren Weg finden. Davon abgesehen ist die Gefahr, durch die Behörden in irgendeiner Form belästigt zu werden, einfach zu groß, man muss auch an den Selbstschutz denken. Von einer Meldung an deutsche Behörden kann ich daher leider nur abraten. Stattdessen kann man sich an unabhängige Beschwerdestellen wenden, welche wohl etwas effektiver arbeiten. Drei davon möchte ich hier aufführen:
naiin (No Abuse in Internet) ist ein Verein, welcher eine eigene Beschwerdestelle betreibt. Anonymität wird zugesichert, die Angabe von Namen und/oder E-Mail-Adresse ist freiwillig. Das Webformular ist Anonymizer-freundlich (ein Schritt, kein CAPTCHA, kein JavaScript).
Die „Internet-Beschwerdestelle“ wird gemeinsam von eco (Verband deutscher Internetprovider) und fsm (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter) betrieben. Insbesondere durch die Beteiligung von eco können in Deutschland gehostete illegale Inhalte gut bekämpft werden. Für ausländische Inhalte übernimmt die Internet-Beschwerdestelle die Weiterleitung über INHOPE. Die Internet-Beschwerdestelle bietet ein Webformular für die Meldung und fordert für die Meldung von Kinderpornographie keine persönlichen Angaben (ggf. muss JavaScript deaktiviert oder gültig aussehende Daten angegeben werden, für alle anderen Meldungen müssen Name und E-Mail angegeben werden). Das Formular scheint Anonymizer-freundlich (d.h. ohne Captcha, sollte ohne JavaScript funktionieren, nur ein Schritt) zu sein.
INHOPE ist ein Verband, der international Beschwerdestellen koordiniert. Auf der Meldeseite finden sich Links zu den einzelnen nationalen Meldestellen. Die meisten Meldestellen bieten eine mehr oder weniger vollständig übersetzte englische Version an, fast immer kann die Meldung anonym abgegeben werden.
Wer auf Nummer sicher gehen will, kann gängige Anonymisierungsdienste wie TOR oder JAP/JonDo nutzen, um die Beschwerde anonym abzuschicken.
Die Existenz und Funktionsweise (nichtstaatliche Organisationen, die die Provider kontaktieren) dieser Beschwerdestellen und ihre Effizienz im Vergleich zu BKA und Co. zeigen übrigens, dass ein staatliches Eingreifen im Internet weder nötig noch sinnvoll ist. Sollte jemand über Erfahrungen mit den Beschwerdestellen oder Ermittlungsbehörden (im Hinblick auf illegale Internetinhalte) verfügen, bitte über die Kommentarfunktion hier posten!
Man sollte niemals gezielt nach solchen Inhalten suchen, da man sich dabei sehr schnell strafbar machen kann. Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, welcher auf eigene Faust Ermittlungen anstellte, darf hier als abschreckendes Beispiel dienen – selbst wenn er freigesprochen werden sollte, ist sein Leben gründlich zerstört worden. Bei Zufallsfunden gilt: Auch offizielle Stellen weisen darauf hin, das man entsprechende Inhalte unverzüglich löschen sollte, um sich nicht strafbar zu machen. Also an sich selbst denken und unabhängig davon, ob man dadurch Beweise vernichtet, aufräumen. Cache und History entsorgen, entsprechende E-Mails löschen und Papierkorb leeren (falls man weiß wie, ggf. vorher die Header an die Beschwerdestelle schicken). (Für paranoide Fortgeschrittene: E-Mail-Ordner komprimieren, freien Speicherplatz überschreiben.) Selbst wenn man meint, per WHOIS oder ähnliches Details herausfinden zu können (z. B. um gleich den richtigen Provider zu kontaktieren), würde ich das lieber lassen, ehe man noch mehr Logeinträge irgendwo hinterlässt. Sollen sich die entsprechenden Stellen die Arbeit machen.
SICHERHEITSHALBER DER HINWEIS: Das Kommentarfeld unten ist KEINE Beschwerdestelle und nicht dazu geeignet, Meldungen abzugeben! Ich will hier keine Links auf Kinderpornographie haben, die Beschwerdestellen sind oben verlinkt.
BKA: 6 Atomexplosionen in Deutschland
Laut der vom Bundeskriminalamt veröffentlichen polizeilichen Kriminalstatistik gab es zwischen 1990 und 2007 insgesamt 7 Fälle, davon ein Versuch, von „Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie“. Laut dem BKA gab es also seit 1990 sechs Atomexplosionen in Deutschland. Entweder die Presse wird sehr effektiv zensiert, sodass niemandem aufgefallen ist dass irgenwo plötzlich ein sehr, sehr großes Gebiet verstrahlt und verwüstet ist, oder aber das BKA nimmt es mit der Kriminalstatistik nicht so genau. Irgendwie gehe ich dann doch von letzterem aus. Die interessante Frage wäre da: Wenn da wo der Unsinn offensichtlich ist, dennoch Unsinn auftaucht und nicht korrigiert wird, wie sieht es mit den anderen Zahlen aus? Kann man davon ausgehen, dass die Abweichung der absoluten Zahlen im einstelligen Bereich liegt und somit kein Problem darstellt, oder sind die Zahlen, mit denen gerne argumentiert wird, völlig wertlos?
Utopia hat das BKA und die Landeskriminalämter intensiv genervt und zu dem Thema einen sehr schön recherchierten Bericht veröffentlicht, im zweiten Teil wird klar, dass keiner so wirklich eine Ahnung hat, wo die Fälle herkommen. Ich würde mich auf die Kriminalstatistik also lieber nicht verlassen und auch nicht alles glauben, für was jemand mit den Zahlen argumentiert.
UPDATE: Inzwischen wurde die Kriminalstatistik offenbar korrigiert, sodass es nun weder versuchtes noch erfolgreiches „Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie“ gegeben hat.
Nebenbei habe ich aber eine lustige Entdeckung gemacht: Leider hatte ich keine Kopie der alten Kriminalstatistik, die den Fehler noch aufgewiesen hat, gespeichert. Daher wollte ich im Web Archive eine alte Fassung ergattern, doch leider speichert das Web Archive die Webseiten des BKA nicht – denn das BKA hat das per robots.txt untersagt.
Es ist üblich, mit diesem Mechanismus automatische Zugriffe auf die Webseite und damit auch die Archivierung zu untersagen, doch meist sperrt man entweder alle automatischen Zugriffe oder doch eine größere Anzahl Programme, oder man beschränkt die Verbote auf Teile der Website. Das BKA jedoch hat laut der beim Web Archive vorhandenen robots.txt nur den Zugriff durch das Web Archive untersagt, alle anderen dürfen die Website weiterhin automatisiert benutzen. Das BKA hat also offensichtlich keine Lust, dass alte Versionen der Website abrufbar sind. Dafür kann es gute Gründe geben, z. B. weil man Fotos von Verdächtigen bei Öffentlichkeitsfahndungen nach dem Abschluss der Fahndung nicht mehr im Netz haben will, um die Betroffenen zu schützen, interessant fand ich es aber trotzdem.
Infos frisch vom BKA
Ich hatte das große Glück, vor einer Woche einen Vortrag des Vizepräsidenten des Bundeskriminalamtes, Prof. Dr. Jürgen Stock, hören zu dürfen. Der Vortrag war sehr interessant und informativ, und ich möchte hier einen kurzen Überblick geben, da der Vortrag leider nur in einem kleinen Rahmen stattfand. Bei dem Vortrag ging es um die Kriminalitätsbekämpfung im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit.
Zunächst hat Prof. Stock deutlich gesagt, dass Deutschland eines der sichersten Länder ist und die Kriminalität stetig zurückgeht. Der Rückgang von 6,75 Mio. Delikten im Jahr 1993 auf 6,3 Mio. im Jahr 2006 wurde leider anhand eines Diagrammes gezeigt, dessen Y-Achse von 6 bis 7 Mio. ging – auf den ersten Blick sah es also so aus, als wäre die Kriminalitätsrate um über 30% zurückgegangen. Die Jugendkriminalität soll übrigens entgegen dem Eindruck, den man aus den Medien erlangen könnte, eher abnehmen, dafür werden immer mehr Bagatellen auf dem Rechtsweg gelöst (ein Kind, welches einem anderen beim Spielen im Sandkasten die Schippe wegnimmt, begeht rein rechtlich gesehen unter Umständen einen Raub).
Der Terrorismus hingegen nimmt zu, so soll es weltweit 2005 zu ca. 2000 Terroranschlägen gekommen sein, während es im Jahr 2001 „nur“ ca. 700 waren. Der Großteil davon passiert aber in instabilen Ländern oder in Afghanistan oder im Irak. In der EU soll es entweder 2005 oder 2006 (bin mir nicht mehr sicher) zu 500 Terroranschlägen gekommen sein. Leider habe ich vergessen zu fragen, was dabei als Terroranschlag zählt – schließlich wurden lange Zeit auch die von der „militanten gruppe“ angezündeten leeren Autos dazu gezählt. Es soll derzeit übrigens ca. 230 terrorbezogene Ermittlungen in Deutschland geben.
Noch viel interessanter aber war die Erwähnung der Tatsache, dass fast jeder Mensch in seinem Leben irgendeine Straftat begeht. Wenn also alle Straftaten bekannt würden, wäre das nicht unbedingt im Sinne der Gesellschaft, da sowohl die Polizei überlastet würde als auch fast jeder betroffen wäre.
Weiterhin wurde erwähnt, dass bei einer repräsentativen Umfrage die deutsche Bevölkerung ein hohes Vertrauen gegenüber der Polizei hatte – mehr, als gegenüber dem Bundespräsidenten oder dem Bundesverfassungsgericht (wobei ich allerdings davon ausgehe, dass das auch am mandelnden Bekanntheitsgrad bzw. Mangel an Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit liegen könnte – die Polizei kennt jeder und sieht jeder oft, den Bundespräsidenten hingegen weniger).
Als großes Problem wurde die zunehmende Internetkriminalität dargelegt. Dabei geht es aber nicht (nur) um ein paar eBay-Betrügereien, sondern eher um gezielte DDoS-Angriffe (bei denen Kriminelle fremde Server überlasten, meist wird dann Geld erpresst) und ähnliche Aktivitäten großen Ausmaßes.
Sehr begrüßenswert fand ich, dass Prof. Stock selbst bei den Personen, die im September mit einigen hundert kg Wasserstoffperoxid in Oberschledorn aufgegriffen wurden, (sinngemäß) von „mutmaßlichen Terroristen“ sprach, also die Unschuldsvermutung hochhielt – schließlich sind diese Personen noch nicht verurteilt. Insbesondere in diesem Fall hat es mich sehr positiv überrascht – bleibt zu hoffen, dass es beim BKA und in der Politik noch viele solcher Menschen gibt.
Die „homegrown terrorists“, also erst in Deutschland radikalisierte Menschen, sollen nicht nur aus eher fundamentalistischen, schlecht integrierten Kreisen stammen, sondern oft auch vorher gemäßigte, gut integrierte Bürger gewesen sein. Das bedeutet dann wohl, dass jeder ein potentieller Terrorist ist.
Auch das Thema Internet, auch bekannt als „Fernuniversität des Terrors“, wurde aufgegriffen. Diesen neuen „Fachbegriff“ für das Netz hat Prof. Stock auch angemessen gewürdigt, nämlich dargelegt, was es für eine Übertreibung sei. Das Internet wurde wiederholt als eine sehr gute Einrichtung bezeichnet, auch wenn Terroristen darüber Bomebenbaupläne bekommen können, wie es wohl im Kofferbomber-Fall passiert ist. (Dabei möchte ich nochmals daran erinnern, dass die Kofferbomben nicht funktionstüchtig waren – das kommt davon, wenn man jeden Scheiß, den man im Internet findet, gleich nachbauen muss, und das ist der Grund, warum ich nicht besonders viel Angst vor Terroristen habe, die sich ihre Bastelanleitungen aus dem Netz holen – eine nicht zu unterschätzende Gefahr dürfte aber darin liegen, dass sie sich bei der Herstellung versehentlich selbst in die Luft jagen und noch ein paar Nachbarn mitnehmen.)
Genauer erläutert wurde auch die Trennung zwischen den Geheimdiensten (BND, Verfassungsschutz, MAD) und den Polizeibehörden – obwohl eine strikte organisatorische Trennung herrscht, wird ein sehr reger Datenaustausch betrieben, z. B. auch über das „Gemeinsame Terrorabwehrzentrum“ und die Anti-Terror-Datei oder europaweit über das Schengener Informationssystem. Wie stark das jetzt in die – übrigens nicht im Grundgesetz verankerte – Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten verletzt, die aufgrund von schlechten Erfahrungen eingeführt wurde, muss jeder selbst entscheiden. Es werden sicher nicht Polizei und Geheimdienst zusammengelegt, allerdings entsteht schon eine gewisse Kooperation.
Sehr interessant fand ich die Aussage, dass die USA Fahndungsdaten nur bekommen, wenn sie versichern, die unter Zuhilfenahme solcher Daten gefassten Täter nicht zum Tode zu verurteilen. Allerdings empfand ich diese Betonung, dass Deutschland auf seinen Werten auch gegenüber den USA beharrt, nicht wirklich als zufriedenstellende Antwort auf die Frage, ob denn durch die Anti-Terror-Maßnahmen nicht die Gesellschaft, die damit geschützt werden soll, zerstört wird. (Stichwort „Freiheit zu Tode schützen“)
Einsehen musste allerdings auch ich, dass präventive Maßnahmen, so unschön sie sein mögen, gegen den Terror wohl leider unerlässlich sind. Einem Selbstmordattentäter ist es weitgehend egal, dass auf Mord eine lebenslange Haftstrafe steht.
Die Statistik des DNA-Abgleichs mit den Datenbanken aus Österreich fand ich auch sehr interessant: Von ca. 2000 Treffern (die teilweise Spuren einer anderen Person, teilweise aber auch nur anderen Spuren zuordneten) entfielen ca. 120 auf schwere Verbrechen wie Tötungsdelikte, gemeingefährliche Straftaten, Entführungen etc. – der Rest entfiel zu einem großen Teil auf Diebstähle und ähnliche Straftaten.
Zum Thema „Bundestrojaner“ gab es ebenfalls Informationen. Auf die Frage, warum das Teil weiterentwickelt wird, obwohl es offiziell noch nicht beschlossen sei, und ob es inoffiziell vielleicht nicht doch schon beschlossen ist, gab es leider wie erwartet nur die Antwort, die man auch in den Medien zu hören bekommt: Das BKA will für den Fall, dass die Erlaubnis eintrifft, schon vorbereitet sein. (Schade aber, dass so Steuergelder verpulvert werden, wenn die Erlaubnis nicht erteilt wird, und vor allem, dass so Tatsachen und Missbrauchsmöglichkeiten – z. B. illegale Benutzung – geschaffen werden.)
Für das Onlinedurchsuchungs-Gesetz aus NRW gab Prof Stock eine negative Prognose ab, da es schlecht gemacht sei. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, was den bundesweiten Bundestrojaner betrifft, allerdings nur unter strengen Auflagen (Richtervorbehalt, nur bei schweren Straftaten, etc.). Er betonte nochmals die Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen, weil bereits im Oberschleedorn-Fall viele Beamte gebunden waren, oft die Gefahr herrschte, die Täter zu verlieren und diese die Beobachtung durch die Polizei sogar bemerkt und ignoriert haben sollen.
Schön fand ich das „Geständnis“, dass gegen moderne Verschlüsselungsmethoden das BKA kaum Chancen hat, und das es aussichtslos ist, das Internet zensieren zu wollen (eine Einsicht, die sich leider noch nicht weit genug herumgesprochen hat).
Als Prof. Stock erwähnte, dass die Bezeichnung „Bundestrojaner“ eigentlich falsch sei und der korrektere und bessere Begriff „Remote Forensic Software“ lauten würde, überraschte mich das größtenteils aus nicht sehr IT- und internetnahen Menschen bestehende Publikum positiv mit lautem Gelächter.
Äußerst bedenklich fand ich allerdings einige Äußerungen aus dem Publikum, welches durchaus aus nicht gerade dummen oder ungebildeten Leuten bestand – da wurden Forderungen nach Zensur laut, der Föderalismus solle aufgegeben werden, da er die Anti-Terror-Maßnahmen behindern könne, und um Leben zu retten wäre ja jedes Mittel recht, Unschuldige hätten ja nichts zu verbergen. Sehr begrüßenswert fand ich die Reaktion von Prof. Stock auf diese Äußerungen, der diese Forderungen zurückwies und dagegen argumentierte. Er kritisierte dabei die „Dammbruchgefahr“ sowohl durch die „Nichts zu verbergen“-Schreier als auch durch Projekte wie z. B. den Gesichtserkennungs-Versuch am Bahnhof in Mainz (der übrigens zum Glück gründlich misslang).
Ebenfalls positiv empfand ich, dass erwähnt wurde, dass immer auch Unschuldige mit überwacht und/oder ausgeforscht werden, wenn sie ohne es zu wissen mit einem Terrorverdächtigen Kontakt hatten und dessen Umfeld geprüft wird. Mindestens genauso gefiel mir die Aussage, dass das BKA kein Interesse daran hätte, die Vorratsdaten für minder schwere Fälle einzusetzen (es sei hier nochmal daran erinnert, dass die meisten Menschen sich irgendwann irgendwie strafbar machen) – die Entscheidung des Gesetzgebers, den Zugriff auf die Vorratsdaten zur Aufkärung aller mittels Telekommunikation begangener Straftaten (also auch z. B. Beleidigungen per E-Mail oder Urheberrechtsverletzungen) kommentierte Prof. Stock damit, dass dies möglicherweise ein korrekturbedürftiger Fehler sei, den er sich nur durch die vergleichsweise geringe Eingriffstiefe erklären konnte (da „nur“ die Verbindungsdaten und keine Inhalte erfasst werden). Ebenso begrüßenswert fand ich, dass klar wurde, dass er durchaus die Bürgerrechte berücksichtigte und ihm einige Einschränkungen selbiger sichtlich missfielen.
Weniger schön fand ich hingegen die Äußerung, dass die Online-Durchsuchung wünschenswert sei, weil sie verdeckt ist (und nicht nur, weil man so an verschlüsselte Daten kommt). So ein klares Bekenntnis zu geheimen Durchsuchungen hätte ich nicht erwartet, da das ein grundlegendes Prinzip unseres Rechtsstaats auf den Kopf stellt. Auf den Hinweis, dass die Forderung nach verdeckten physikalischen Durchsuchungen da naheliegend sei, gab es eine quasi-Bestätigung und die Aussage, dass es politisch ja ungeschickt wäre, zu viel auf einmal zu fordern. (Geheime Durchsuchungen sind in Deutschland aufgrund der Erfahrungen mit der Stasi 1.0 nicht erlaubt.) Offenbar ist diese Meinung beim BKA nicht sehr verbreitet, denn genau diese Forderungen wurden gestern bekannt. Das Ganze hinterlässt daher einen sehr fahlen Nachgeschmack, genauso wie die Aussage, der Bundestrojaner sei vorerst nur gegen den Terrorismus gerichtet. Mal schauen, wie lange sich Schäuble an seine Aussage, die Onlinedurchsuchung nicht für die Steuerfahnung zu nutzen, noch erinnern kann.
Zum Fall rund um Andrej Holm und die „militante gruppe“ erhielt ich leider keine Stellungnahme, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Der Vortrag und vor allem die (leider natürlich aufgrund der interessanten Themen nicht ausreichend lange) Möglichkeit, Fragen zu stellen, war sehr interessant, sehr überzeugend und erlaubte es mir, mich auch mal in die Position des BKA zu versetzen. Leider habe ich zu meinem großen Missfallen aber inzwischen gelernt, dass sich Worte und Taten oft unterscheiden.
Freunde und Helfer
Die Polizei sollte eigentlich die Rechte der Menschen schützen und den Menschen helfen, wo es nur geht. Leider sind in letzter Zeit gehäuft Fälle aufgetaucht, wo die Realität „etwas“ anders aussah.
Fangen wir mal mit einem von der MDR-Sendung „Fakt“ recherchierten Fall an. (Zu Bedenken ist, dass solche Sendungen gerne übertreiben und man sich also auch bei den öffentlich-rechtlichen nicht unbedingt auf die Neutralität der Recherche verlassen kann. Allerdings bezweifle ich, dass eine solche Sendung bedeutende Fakten dazuerfindet und sehe sie als ausreichend verlässliche Quelle an. Zur Sicherheit möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich nur die Informationen aus dem Fakt-Beitrag verarbeitet und nicht selbst tiefgreifend recherchiert habe.)
In Bayern ist man verdächtig, wenn man sagt, dass die für den Papstbesuch ausgegebenen 40 Millionen hätten sinnvoller genutzt werden können. Wenn man sich schon so äußert, ist doch auch völlig klar, dass man das Geburtshaus des Papstes mit blauer Farbe bespritzt hat, oder? Und jemand, der so eine schreckliche Tat begeht, ist ein gemeingefährlicher Terrorist, dessen Haus sofort mit einem SEK (15 Mann in schussicheren Westen und mit MP5s) durchsucht werden muss – völlig klar, oder? Aber die eigentliche Härte kommt noch (als ob es schon nicht genug wäre, eine Familie mit einem SEK aufzumischen, nur weil der Familienvater seine weder extremistische noch sonstwie „bedenkliche“ Meinung geäußert hat). Die völlig verängstigten Kinder (6 und 10 Jahre als) werden erstmal von ihren Eltern getrennt und von den Polizisten in Kampfausrüstung ausgefragt. Aber das ist immer noch nicht das Schlimmste: Als die Mutter gesagt hat, dass sie von der Situation ziemlich überfordert ist, hat der Polizist endlich mal zugegeben, wozu solche Maßnahmen wirklich dienen:
„Aus diesem Grunde machen wir das, damit die Leute von der ganzen Situation her überfordert sind und dann Sachen ausplaudern, die sie sonst nicht sagen würden.“
Die Polizei gibt also offen zu, dass sie solche Durchsuchungen mit dem Ziel durchführt, Menschen einzuschüchtern und ihrer Grundrechte (z. B. Aussageverweigerungsrecht) zu berauben. Nicht, dass diese Information was neues ist, allerdings ist es wohl das erste Mal, dass ein Polizeibeamter das zugibt.
Noch nicht genug? Na dann weiter. Nachdem die Band „Mono für alle!“ für ihren Song „Amoklauf“ vom BKA überwacht und fertiggemacht wurde, hat sie sich einen Anwalt genommen. Die Wohnräume dieses Anwalts wurden nun durchsucht, angeblich wegen Begünstigung in einem anderen Verfahren. Neben der naheliegenden, aber nicht nachweisbaren Vermutung, dass diese Durchsuchung eine Strafaktion für die Verteidigung der Band sein könnte, finde ich aber besonders bemerkenswert, wie die Hausdurchsuchung verlief (Quelle ist der oben verlinkte Heise-Artikel):
Nach Einschätzung des Vermieters erfolgte die Durchsuchung sehr oberflächlich. Es seien keine Gegenstände sichergestellt worden. Indes sind laut dem Anwalt Manipulationen an seinem Rechner vorgenommen worden. Diese müssten nun von einem Sachverständigen überprüft werden, weil der Computer überwiegend an den Wochenenden auch beruflich genutzt werde. Insgesamt sei der Eindruck entstanden, dass es nicht um das Auffinden von Akten, sondern um die Ausforschung seines persönlichen Lebensbereiches gegangen sei.
So sieht also ein Rechtsstaat aus.
Zum Abschluss möchte ich noch den Bericht eines Bloggers über seinen Aufenthalt in London und seine dortigen Erlebnisse mit den Sicherheitsbehörden erwähnen. Der Bericht zeigt, wie Menschen mehr Angst davor haben, von Polizisten grundlos erschossen zu werden, als vor Terrorismus. Wie „verdachtsunabhängige“ Stichproben bei jedem, der fotografiert durchgeführt werden. Inklusive gründlicher Protokollierung des Aussehens, trotz dutzender Überwachungskameras übrigens. Von geheimen Verboten. (Nur mit Blitz fotografieren ist laut Schild verboten, in Wirklichkeit sind aber alle Fotos verboten und das Verbot dient dazu, dass man die Fotografierer, die ja sicher Terroranschläge vorbereiten, drankriegen kann.) Inklusive verdachtsunabhäniger Durchsuchung – sehr sinnvoll, schon allein wegen der interessanten Zufallsfunde (nach Aussage des Polizisten!). Wem das nicht gefällt, der wird festgenommen, denn verdachtsunabhängige (aka grundlose) Durchsuchungen darf die Polizei in Großbritannien immer machen. Schön, oder? Und wenn Schäuble so weitermachen kann, wird es hier bald mindestens genauso schlimm sein.
Na, immer noch nicht genug? Es ist genug für alle da:
Nachdem bekannt wurde, dass ein Amoklauf am Georg-Büchner-Gymnasium in Köln geplant gewesen war (die „Täter“ hatten die Pläne längst aufgegeben) und sich einer der Amoklaufplaner nach einem Verhör das Leben genommen hatte, wurde der „Komplize“ verhört. Die Eltern durften eine Hausdurchsuchung ergehen lassen – sie hatten ja auch „freiwillig“ zugestimmt – es gab nämlich keinen Durchsuchungsbeschluss. Der nette Polizist hat den Eltern einfach erklärt:
Zwar gebe es noch keinen Durchsuchungsbefehl, aber der würde dann das ganze Haus betreffen, falls sich die B.s weigern sollten, die sofortige Zimmerdurchsuchung zu tolerieren.
Super – entweder ihr lasst uns freiwillig rein, und wir verwüsten nur das Zimmer von eurem Sohn, oder ihr besteht auf eurem guten Recht, und zur Strafe dafür verwüsten wir euer Haus. Soviel zum Thema „freiwillig“. Nochmal zur Erinnerung: Gegen die Eltern bestand kein Tatverdacht, und die Polizei sollte eigentlich die Bürger schützen, und nicht rechtswidrig bedrohen. Und auch wie die Durchsuchung ablief, lässt einen daran zweifeln, dass man in einem Rechtsstaat lebt. Die Polizei hat das Zimmer komplett verwüstet:
Nachdem die Spürhunde und der eigens aus Düsseldorf angeforderte Kampfmittelräumdienst Robins Zimmer „durchsucht“ haben, ist es unbewohnbar. Sogar die Deckenverkleidung und der Fußboden sind herausgerissen.
Ach ja, stille und ausgeglichene Menschen, die gerne Lesen und Heavy Metal hören, sollten sich in Acht nehmen – denn sie passen in das klassische Raster eines potentiellen Amokläufers. Interessant, dass von „Killerspielen“ nicht die Rede ist, dafür aber vom Lesen. Es ist wohl populärer, zu behaupten, dass die bösen „Killerspiele“ an einem Amoklauf schuld seien, als solche Behauptungen über die guten Bücher von Plato oder Nietzsche aufzustellen. (Das war übrigens die Lieblingslektüre von Sturmgeist89 (siehe hier unten links) aka NaturalSelector89 aka Pekka-Eric Auvinen – dem Amokläufer, der im November 2007 in der Jookla-Schule in Tuusula, Finnland acht Menschen tötete. Freundlicherweise hat die Welt bei ihrer Übersetzung übrigens den Bücherteil weggelassen!)
Zum Nachdenken über den Bundestrojaner
Die Online-Durchsuchungen sollen, wenn sie kommen sollten, vom BKA gemacht werden. Genau dem BKA, welches noch Ende der 50er Jahre fest in der Hand von Altnazis war. Wie lange mag es wohl dauern, bis so eine Vorbelastung weg ist, vor allem wenn man bedenkt, dass die damals dort führenden Personen wohl eher dazu tendiert haben könnten, Gleichgesinnte einzustellen? Wie viele Leute mit rechter Gesinnung sind da noch versteckt? Sehr beunruhigend, wenn man bedenkt, dass dieser Behörde die vemutlich weitreichendsten Eingriffe in die Grundrechte erlaubt werden sollen.
Um Schaden anzurichten, muss ja nicht mal die Behörde als solche mit den falschen Leuten besetzt sein. Ein paar Personen mit entsprechenden Zugangsberechtigungen reichen aus, um unliebsamen Mitmenschen das Leben zur Hölle zu machen. Man stelle sich mal vor, dass eine kleine Gruppe in mittelhohen (siehe unten) Führungspositionen die linke Szene überwachen und die Infos unauffällig an militante Nazis weiterreichen würde.
ERGÄNZUNG: Mir ist jetzt erst aufgefallen, dass dieser Text leicht so verstanden werden kann, dass der Großteil des BKA oder sogar der Führungsebene eine rechte Gesinnung hat. Davon gehe ich nicht aus, zumindest letzteres dürfte im Rahmen des Skandals geprüft und ausgeschlossen worden sein. Ich gehe aber davon aus, dass es zumindest nicht unwahrscheinlich ist, dass irgendwo noch kleine Gruppen von solchen Leuten sitzen können, und wie oben gesagt ist das schon schlimm genug. Mit „mittelhohen Führungspositionen“ meine ich relativ weit unten, aber hoch genug, um ohne größere Probleme über einige (wenige) Ressourcen eigenmächtig zu verfügen und das zu vertuschen.
Wenn man von der (nicht belegten!) Annahme ausgeht, dass nicht nur die oberste Führungsebene, sondern auch ein, zwei Lagen tiefer aus Personen, die eher zur rechten Gesinnung neigten, bestanden, und davon, dass diese Gleichgesinnte eingestellt haben (gleich und gleich gesellt sich gern…), könnte man problemlos davon auszugehen, dass zumindest in Teilbereichen die rechte Gesinnung erhalten geblieben ist.
Mischmasch 13 – leider schon wieder
Eigentlich wollte ich keine Mischmasch-Postings mehr schreiben, aber ich komm nicht dazu, endlich eine ordentliche Lösung für Links einzurichten und will dennoch auf einige Sachen hinweisen, die nicht die öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich meiner Meinung nach verdienen würden. Viel zu sagen gibt es dazu aber meist nicht. Ich wiedehole: Dieses Blog ist keine Linksammlung, eine solche werde ich einrichten, wenn Zeit, Geld und Lust es zulassen. Ich will mich in Zukunft eher tieferen Analysen widmen, einges ist in Vorbereitung (warum die CDU verfassungswidrig ist, warum Stasi 2.0/Diktatur etc. in Deutschland immer noch leicht möglich ist, und mehr).
Erstmal ein Aufruf – Mahnwache gegen Überwachungsstaat:
Auch in anderen Städten (Berlin, Dortmund, Dresden, Hannover, Juist und Wetzlar) gibt es Mahnwachen gegen die Überwachung.
Es gibt bereits konkrete Pläne zum Data-Mining in den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung (obwohl sowas natürlich nieeeee mit den Daten gemacht wird, sie sind nuuuur zur Terrorbekämpfung und werden nur in Einzelfällen und unter streeengsten Auflagen benutzt blah blah blah…). Gulli bringt es auf den Punkt, Futurezone hat einen ausführlichen Artikel.
Das BSI hat wohl gegen den Hackerparagraphen verstoßen und wurde daher angezeigt. Wird interessant.
Wie die Stasi (Version 1.0) sich darauf vorbereitet hat, über 10000 kritische Bürger bei „Bedarf“ zu isolieren. (UPDATE: Link scheinbar kaputt, neuer Link) Und das war nur auf dem Gebiet der DDR. Die BRD ist deutlich größer. Darf ich darauf hinweisen, dass auf der (übrigens entgegen der Absprachen) gründlich überwachten Anti-Überwachungsdemo je nach Angaben „nur“ 10-15 tausend Teilnehmer waren und die Onlinepetition für den Rücktritt Schäubles ca. 5000 Teilnehmer, mit Namen und Adressen, hat?
Wer sich auf der BKA-Seite über die Militante Gruppe informiert, ist Terrorist. Die IPs der Besucher wurden registriert und über den Provider soll die Identität der Besucher herausgefunden werden. In Zukunft könnte man also wahrscheinlich dafür, dass man sich informiert, eine Hausdurchsuchung abbekommen, und nicht „nur“ wenn man Worte benutzt, die auch in Bekennerschreiben dieser Gruppe vorkommen. Hier sieht man auch gut, wozu die Vorratsdatenspeicherung führt, denn nichts anderes ist das hier (die Rechtmäßigkeit sollte mal geprüft werden). Mal abgesehen davon steigert so eine Aktion das Vertrauen in offizielle Websites nicht gerade. Behörden können von mir absolut keine freiwillige Kooperation/Hilfe mehr erwarten, da sie jegliches Vertrauen verspielt haben.
Wie schlecht man von Hartz 4 leben kann, berichtet ein Blogeintrag einer Frau, die davon selbst betroffen war. Kurzzusammenfassung: Kein Platz mehr für Moral und Ehrlichkeit, keine gesunde Ernährung möglich, keine ordentliche Gesundheitsversorgung, viele nötige Sachen einfach nicht bezahlbar, man wird wie Scheiße behandelt, ein „Job“ als Versuchskaninchen wird interessant. Mal ganz abgesehen von den entwürdigenden 1-EUR-Jobs, die ich für verfassungswidrige Zwangsarbeit halte.
Die CIA verbietet offiziell Waterboarding. Daraus schließe ich, dass es bisher erlaubt war. Menschenrechte – was ist das, kann man das essen?
Und wer eine „falsche“ Meinung hat, kommt in ein Umerziehungslager.
Auf Arbeitsplätzen (und in Spielhallen) dürfen in der Regel 26° C nicht überschritten werden. In den Räumen (hessischer) Gymnasien sind 40 Grad allerdings offenbar kein Problem, Hitzefrei gibt es in der Oberstufe nicht mehr. [Sarkasmus] Bei der Temperatur macht Mathematikunterricht richtig Spaß, da kann man sich so richtig gut auf schwierige Formeln konzentrieren. [/Sarkasmus]