Archiv

Posts Tagged ‘informationsfreiheit’

Zum neoliberalen Koalitionsvertrag

2009-10-24 11 Kommentare

Eigentlich hatte ich vor, den Koalitionsvertrag auseinanderzunehmen, Zeile für Zeile. Bei über 6000 Zeilen hätte meine Geduld dafür allerdings sicher nicht gereicht. Abgesehen davon wurde das meiste schon gesagt. Trotzdem möchte ich hier einiges nennen, was mir aufgefallen ist, bei den schon in den Medien oft genug erwähnten Dingen weise ich nur kurz auf ein paar wichtige Punkte hin.

Die schon vorher beschlossenen Hartz4-„Verbesserungen“ bringen normalen ALG2-Empfängern gar keine Entlastungen, es bringt nur denjenigen etwas, die mit Vermögen plötzlich zum ALG2-Empfänger werden. Es wird also wieder mal reine Klientelpolitik betrieben, mit dem Vorteil, dass man den Eindruck erwecken kann man würde auch etwas für Ärmere tun. Das wurde aber auch von einigen Medien aufgegriffen, und deswegen hatte ich es nicht schon früher erwähnt. Dieses Blog ist keine Linksammlung oder ein Nachrichtenportal, und wenn etwas schon oft und deutlich genug gesagt wird, muss ich das nicht auch noch erzählen. Dafür ist meine Zeit zu schade.

Bei den Koalitionsverhandlungen drang auch viel Unsinn an die Öffentlichkeit, deswegen wollte ich mich bis zum fertigen Koalitionsvertrag zurückhalten. Auch hier nenne ich nur ein paar besonders „tolle“ Sachen, die mir aufgefallen sind. Für den Rest verweise ich auf die in den Medien ausreichend vorhandene Kritik, Fefe fasst vieles gut zusammen.

Vorab ein lustiger Punkt, den scheinbar noch niemand gesehen hat: In den Metadaten des bei Spiegel veröffentlichten PDFs mit dem Koalitionsvertrag ist mir aufgefallen, dass der Original-Dokumententitel: „Gesamt-Entwurf Koalitionsvertrag-Erster Teil“ lautet. Gibt es noch einen zweiten Teil? Sind da nur irgendwelche Tabellen drin, oder womöglich einfach die Sachen, die man der Öffentlichkeit nicht zumuten möchte? Sowas kann auch ein rein technisches Artefakt sein, z. B. indem zuerst nur der Teil ohne Personalfragen ein Dokument mit passendem Titel war und der Rest dann reinkopiert wurde.

Schön finde ich auch: Das oberste Ziel der wirtschaftlichen Ordnungspolitik muss laut dem Entwurf sein, „dass Bürger und Unternehmen ihre produktiven Kräfte entfalten und ihr Eigentum sichern können“. Nicht etwa, dass jeder Mensch ein menschenwürdiges Leben führen kann, oder dass Gerechtigkeit erzielt werden muss.

Der Koalitionsvertrag ist ein klassisches Beispiel neoliberaler Politik, bei dem mir einfach nur schlecht wird. Erleichterungen für Unternehmen, wohin das Auge reicht, Erleichterungen für Bürger treffen fast ausschließlich Besserverdienende. (Beispiel: Kindergeld und -freibetrag werden erhöht, für ALG2-Bezieher und „Aufstocker“ bringt das wenig, weil der Kinderfreibetrag nicht ausgenutzt und das Kindergeld angerechnet wird.) War eigentlich zu erwarten. Interessant ist aber, wie sich das unterschwellig überall durch den Koalitionsvertrag zieht: Es ist davon die Rede, Beschäftigung zu sichern, die Leistungsbereitschaft zu stärken usw. Immer in einem Kontext, aus dem klar hervorgeht, dass das auf Kosten der Arbeitnehmer gehen soll. Natürlich werden mehr Leute eingestellt, wenn man diese nicht zu bezahlen braucht. (Das Verbot sittenwidriger Löhne ist ein Witz, weil – wie im Koalitionsvertrag offen zugegeben – nur die Rechtsprechung festgeschrieben wird, es ändert sich also nichts. Außerdem wird eine Lohnspirale nicht verhindert, da der Durchschnittslohn in der Branche als Referenz genommen wird – mit um sich greifenden hart an der Grenze liegenden Dumpinglöhnen verschiebt sich die Grenze somit.)

Richtig schockiert hat mich allerdings, dass sich die CDU traut, das Krankenversicherungssystem derartig zu entkernen. Die Kosten werden nicht nur weiter auf Arbeitnehmer abgewälzt, Besserverdiener sollen durch eine Pauschale deutlich besser gestellt werden und noch mehr Leistungen sollen aus der Grundversorgung rausfliegen. Sozialabbau hatte ich erwartet, aber nicht in solchen Maßen. Wenn die Koalition sich jetzt noch entschließen würde, Euthanasie für Arbeitslose anzubieten, könnte mich das wohl nicht mehr als der gerade getane Schritt erschecken. (Wenn ich richtig bösartig wäre, würde ich hier auf die Sache mit dem „Erster Teil“ hinweisen.)

Die Prioritäten sieht man neben dem von Fefe genannten „prüfen“ bei nicht-so-wichtigen Themen (Freiheit, Bürgerrechte, Soziales, Internet) und klarer Ausdrucksweise bei wichtigen Themen (Wirtschaftsförderung, Sozialabbau, Besserstellung Reicher) auch daran, wie genau ein Thema ausgearbeitet wird. Bei den genannten „wichtigen“ Themen finden sich teils seitenlange, extrem genaue Ausarbeitungen, teilweise mit genauen Zahlen, während bei den „nicht-so-wichtigen“ meist sehr allgemein gehaltene, unverbindliche Aussagen getroffen wurden.

Die ganzen Steuergeschenke sollen größtenteils über Wachstum finanziert werden. Sollte das erhoffte Wachstum ausbleiben oder nicht ausreichen (und zumindest letzteres ist meiner Meinung nach fest zu erwarten), entstehen gigantische Schuldenberge.

Den Bereich der Themen, die auch die Kernthemen der Piratenpartei sind, möchte ich allerdings etwas näher beleuchten: Bürgerrechte, Freiheit, Internet und Urheberrechtspolitik. Die Hoffnung war, dass der Wahlerfolg der Piratenpartei die etablierten Parteien zur Vernunft bringt. Vielleicht wäre ohne diesen Erfolg der Vertrag noch deutlich schlimmer gewesen. Gut ist er trotzdem nicht:

Die Bundespolizei soll erweiterte Rechte bekommen. Die Sicherheitsdatenbanken und Schnittstellen zwischen Polizei und Geheimdiensten werden „evaluiert“ (bleiben also vermutlich, sonst hätte man einen stärkeren Begriff gewählt). Der Grundrechtsschutz beim BKA-Gesetz soll durch Verfahren erhöht werden. Die allgemein gehaltene Formulierung sagt fast nichts, und wenn man sie genau nimmt würde es bedeuten, dass alles beim alten bleibt und z. B. nicht zwei sondern drei BKA-Beamte irgendwas abnicken müssen.

Das BKA-Gesetz wird im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre „auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung“ überprüft. Zu Deutsch: Es wird nur dann angepasst, wenn das Verfassungsgericht es für teilweise Verfassungswidrig erklärt, und dann auch nur so, dass es gerade so noch verfassungskonform ist. Zeugen sollen künftig gezwungen werden, Vorladungen der Polizei Folge zu leisten, ob damit das Zeugnisverweigerungsrecht eingeschränkt wird, ist nicht ganz klar.

„Durch eine offensivere und modernere Risiko- und Krisenkommunikation einschließlich von Warnmechanismen“ will die Koalition „zu einer gefahrenbewussteren Bevölkerung beitragen.“ – lies: sie will weiterhin Terrorpanik schüren. Die Telekommunikationsüberwachung soll „evaluiert“ und ggf. optimiert werden – die Tür zum „optimieren“ von den Grundrechten weg wird also weit offen gelassen.

Das Jugendschutzrecht soll konsequent durchgesetzt werden. Das kann zwar vieles von strengeren Vorschriften bis zu einer chinaartigen Internetzensur bedeuten, aber eher nichts Gutes. DE-Mail soll definitiv beschlossen werden. Wenigstens lehnt die Koalition eine totale Überwachung des Internetdatenverkehrs ab. (Über eine nicht komplette Überwachung wird aber nichts gesagt.)

Die „Regelungen zur Verantwortlichkeit“ im Telemediengesetz sollen „fortentwickelt“ werden. Die bisher etablierte Regelung spricht (grob gesagt) Provider von jeder Verantwortung frei, wenn sie von den Inhalten nichts wussten. In welche Richtung hier „fortentwickelt“ werden soll, ist also offensichtlich, wird aber sicherheitshalber nicht erwähnt. Es soll nur ein fairer Ausgleich der Interessen von Providern, Rechteinhabern und Nutzern stattfinden. Was in dieser Hinsicht die Koalition unter „fair“ versteht, können sich die meisten hoffentlich denken. Bei weiteren Ausgestaltungen des IT-Rechts sollen „Informationsfreiheit und Schutz vor rechtswidrigen Inhalten gleichermaßen berücksichtigt werden“.

In welche Richtung der geplante dritte Korb des Urheberrechts gehen dürfte, sollte der Satz „Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein“ klarmachen. Allerdings will die Koalition „keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen“. Ob das mit der Initiative nur eine leere Phrase ist, oder ob das heißen soll „aber wenn jemand anderes das vorschlägt, machen wir gerne mit“ werden wir ja sehen. Auch Propaganda für ein starkes Urheberrecht wird versprochen.

Die Kinderpornosperren werden zunächst ein Jahr lang ausgesetzt und durch „Löschen statt Sperren“ ersetzt. Nett, dass die Koalition auch mal lernfähig ist, das haben die Piraten nämlich von Anfang an gefordert. Die elektronische Gesundheitskarte wird ebenfalls vorerst aufgeschoben. In beiden Fällen ist zu Bedenken: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Die Vorratsdatenspeicherung wird weitergeführt, aber – wie vom BVerfG vorgegeben – wird der Zugang zu den Daten bis zur engültigen Entscheidung eingeschränkt. Also auch hier wieder Vorgaben „umgesetzt“ die es eh gab.

Die Netzneutralität wollen sie zunächst dem Wettbewerb überlassen, aber beobachten und „nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern“ – FDP, ich nehm euch beim Wort! Denn da steht, dass die Netzneutralität durchgesetzt wird, falls sie nicht von selbst funktioniert.

Beim Datenschutz wird auf die Selbstverantwortung der Bürger zum Selbstdatenschutz gesetzt, der Datenschutz auf der anderen Seite wird kaum behandelt. Zu Arbeitnehmerdatenschutz und Fluggastdaten gibt es nur sehr schwammige Formulierungen, zu SWIFT wird es teilweise etwas exakter (den bissigen Kommentar zu Steuerhinterziehung verkneife ich mir an dieser Stelle).

Der Bologna-Prozess, der den Studierenden eine herrliche Überlastung beschert hat, wird als voller Erfolg verkauft. Die breite Anerkennung der Abschlüsse, die das Ziel war, sieht übrigens in der Realität so aus, dass sie teilweise nicht einmal im gleichen Bundesland akzeptiert werden und die Unis separate Vereinbarungen abschließen. Die ebenfalls als Ziel definierte Internationalität der sieht man in der Praxis daran, dass Studenten durchs Studium getrieben werden und keine Zeit für Auslandssemester bleibt. Muss ja eine tolle Bildungspolitik werden, wenn sie auf solchen Fehlannahmen aufbaut.

Zum Schluss hat noch ein wunderbar undemokratischer Abschnitt meine Übelkeit gefördert: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. […] Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Solange sich die Koalition nicht einig wird, werden sinnvolle Gesetze also nicht beschlossen, selbst wenn die Opposition zustimmen sollte. Genau dieser Punkt (der so üblich ist, egal ob offiziell oder inoffiziell) sollte meiner Minung nach genau umgekehr gehandhabt werden: Keine festen Koalitionen, sondern neue Mehrheitenbildung zu jedem Beschluss. Dann würde vielleicht etwas mehr der Wille der Bevölkerung befolgt.

Viel interessanter als das was drinsteht, ist das, was nicht drinsteht. (Wenn ich fies wär, würde ich hier nochmal auf die Sache mit dem „erster Teil“ hinweisen.) Das wären beispielsweise Bundeswehr im Inneren, Versammlungsrecht (die Koalitionsparteien sind in dem Punkt berühmt-berüchtigt), Biometrie, Kameraüberwachung und viele weitere Dinge, die eben deswegen nicht auffallen, weil sie nicht erwähnt werden. Etwas zu finden, was fehlt, ist schwieriger, als etwas schlechtes zu finden, was da ist. Ergänzungen über die Kommentare sind herzlich willkommen.

Daran sieht man auch den Schwachpunkt einer solchen Analyse: Man hat nur die Versprechungen der Parteien, was am Ende daraus wird, kann nochmal was ganz anderes werden, vor allem wenn noch Punkte dazukommen, die im Koalitionsvertrag nicht drinstanden.

Ich hoffe, dass gerade auch im Bezug auf die (A)Sozialpolitik dieser Irrsin aufgehalten wird, bevor das womöglich noch in einem Bürgerkrieg, Staatsbankrott oder „vierten Reich“ endet.

Bundestagswahl 2009 – wen wählen?

2009-09-04 16 Kommentare

Wie bereits zu einigen vergangenen Wahlen habe ich auch zur Bundestagswahl 2009 eine Übersicht erstellt, wen man wählen kann/sollte und um welche Parteien man eher einen Bogen machen sollte, wenn man Bürgerrechte für wichtig hält. Dieser Artikel ist natürlich auch meine Meinung, aber ich bemühe mich dennoch, die Parteien sachlich darzustellen. Der Transparenz halber weise ich darauf hin, dass ich (nicht ohne Grund) Mitglied der Piratenpartei bin. Die Frage „Wen wählen?“ muss sich jeder selbst beantworten, ich kann hier nur eine Hilfe anbieten. Wer es eilig hat und nur die Zusammenfassung sehen möchte, kann hier klicken, wer nur keine Lust auf Einleitung und allgemeine Politik hat, kommt hier zum Kern des Artikels.

Einleitung

Jeder hat andere Schwerpunkte und Präferenzen, und dementsprechend muss jeder auf die Frage „Wen wählen?“ seine eigene Antwort finden. Ich halte Bürgerrechte und Datenschutz sowie diverse „moderne“ Themen in der heutigen Zeit für sehr wichtig. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass eine (soziale) Marktwirtschaft zwar vielleicht nicht ideal sein mag, aber dennoch das beste System ist, was uns zur Verfügung steht. Eine starke Wirtschaft ist zwar wichtig, aber die Freiheit der Wirtschaft darf nie so weit gehen, dass die einzelnen Menschen zu kurz kommen.

Die Wirtschafts- und Sozialpolitik ist heiß umstritten, insbesondere im Hinblick auf das richtige Maß der Umverteilung, wie man auch schön an der aktuellen Debatte in den USA sehen kann: Die Einführung eines Gesundheitssystems, wie es bei uns selbstverständlich und weitgehend anerkannt ist, wird dort als Sozialismus und Kommunismus bezeichnet. Die meist ideologisch geführte Debatte will ich hier daher nur kurz abhandeln, und mich auf die auf den ersten Blick unwichtig erscheinenden, aber in alle Lebensbereiche hineinragenden „modernen Kleinthemen“ wie Bürgerrechte, Open Access, Datenschutz, Geistiges Eigentum etc. konzentrieren.

Die Aussagen, aber vor allem auch die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl, muss man natürlich mit großer Vorsicht genießen, da oft das Gegenteil von dem versprochen wird, was hinterher getan wird. Ich beziehe diese Dinge zwar auch ein, lege aber mein Hauptaugenmerk auf das bisherige Verhalten der Parteien. Wie nutzlos die Wahlprogramme teilweise sind, zeigt ein Quiz der SZ, bei welchem man versuchen soll, Phrasen aus den Wahlprogrammen der richtigen Partei zuzuordnen. Oft kann man da genausogut eine Münze werfen.

Allgemeine Politik

Die Sozialpolitik der CDU/CSU und FDP ist üblicherweise – vorsichtig ausgedrückt – auf die Wirtschaft bzw. Freiberufler zugeschnitten. Arbeitslose werden eher als Parasiten angesehen, denen höchstens dadurch geholfen werden kann, indem man ihnen Arbeit beschafft. Insbesondere in CDU-Kreisen scheint unter „Arbeit“ auch der 1-Euro-Job verstanden zu werden, welcher meiner Meinung nach – trotz gesetzlichem Verbot – nur normale Arbeitsplätze verdrängt und Lohndumping fördert und oft sogar der Förderung von privatwirtschaftlichen Unternehmen mit Staatsgeld und Zwangsarbeitern dient. Die SPD hat das „Sozial“ in ihrem Namen immer mehr vergessen und ist in Richtung Mitte gerückt, in der Hoffnung, neue Wählerschichten zu finden. Die waren aber schon fest in den Händen der CDU. So gelang es der SPD, massiv Stimmen zu verlieren. Von der Sozialpolitik her sind aus meiner Sicht CDU/CSU und FDP kaum wählbar, die SPD inzwischen auch kaum noch. Die Linkspartei hat recht extreme Positionen, könnte aber in einer Koalition durchaus hilfreich sein, um z. B. die Position der SPD in vernünftige Bahnen zu lenken. Die Grünen haben Sozialpolitik zwar nicht als Kernthema, verfolgen aber in der Regel auch eine eher soziale Politik und wären durchaus wählbar.

Versprechen über Steuersenkungen oder -erhöhungen ignoriere ich konsequent, was von so etwas zu halten ist, konnte man bei der letzten Bundestagswahl sehen.

Hauptthemen Bürgerrechte und Co.

Nun also zu meinen Hauptthemen für die Bundestagswahl 2009 und zur eigentlichen Frage „Wen wählen?“. Die CDU/CSU tritt die Verfassung mit Füßen, wo es nur geht, und die SPD unterstützt sie dabei. Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz, Internetzensur sind nur einige Beispiele. Die CDU greift – beispielsweise mit den Plänen zum Bundeswehreinsatz im Inneren – immer wieder die Grundsätze unserer Verfassung an. Ich sehe die CDU/CSU als verfassungsfeindlich an und halte sie für eine deutlich größere Gefahr als die NPD. Diese hat nämlich im Gegensatz zur CDU kaum Einfluss in Parlamenten. Als „Mitläufer“ hat die SPD gezeigt, dass auf sie beim Schutz von Grund- und Bürgerrechten kein Verlass ist. CDU/CSU und SPD halte ich daher für völlig unwählbar.

Ich habe einen Fragenkatalog mit zum Teil sehr speziellen Fragen zu den Plänen nach der Bundestagswahl erstellt und an die drei verbleibenden größeren Parteien verschickt. (CDU/CSU/SPD habe ich mir gespart, weil sie eh unwählbar sind, die Positionen der Piratenpartei kenne ich aus den internen Diskussionen gut genug.) Die FDP hat bisher noch gar nicht geantwortet (die Anfrage ging vor knapp einer Woche raus). Falls vor der Bundestagswahl noch was kommt, arbeite ich es natürlich ein. UPDATE: Heute (7.9.) ist eine Antwort der FDP gekommen. Aus Zeitmangel konnte sie ebenfalls nicht auf meine Fragen eingehen, dafür bekam ich einige Aussagen aus dem Wahlprogramm. Ich habe einige Updates unten eingebaut. Die LINKE hat darauf verwiesen, dass sie aus Zeitmangel (was durchaus nachvollziehbar ist) meine Fragen nicht ausführlich beantworten kann, und mich gebeten mich am Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2009 auf deren Website zu orientieren. Einzig die Grünen haben zügig geantwortet. In der Antwort wurden die meisten Fragen recht gut beantwortet, dazu erhielt ich die Antwort sowohl im doc-Format (Microsoft Word) als auch odt (Open Office). Daran sieht man schonmal, dass freie Software und offene Formate von den Grünen erstgenommen werden, und zwar nicht nur an leeren Worten, sondern im alltäglichen Umgang.

Die Themen:

„Zugangserschwerungsgesetz“ (Internetzensur unter dem Vorwand, Kinderpornographie im Netz bekämpfen zu wollen, warum das Unsinn ist steht z. B. hier) und ggf. Ausweitung auf andere Inhalte: Dieses Thema habe ich ausgewählt, weil es aktuell ist, zudem werden die bei der Bundestagswahl 2009 gewählten Parteien über eine Verlängerung entscheiden müssen, falls das Gesetz doch noch zustande kommt. Die Grünen lehnen bereits das Gesetz als solches ab, und beweisen damit, dass sie auch dann für Bürgerrechte einstehen, wenn andere Parteien versuchen könnten, sie als Kinderschänder zu verleumden. Die Piratenpartei, welche die gleiche Position noch mit etwas mehr Vehemenz vertritt, hat dieses Problem zur Zeit. Bei der Bundestagswahl könnte ihr zum Verhängnis werden, dass große Teile der Bevölkerung die Lügen geschluckt haben und nur wissen, dass die Piratenpartei gegen die Sperren ist, aber nicht, dass sie stattdessen ein Wirksames Vorgehen gegen Kinderpornographie statt nutzloser Symbolpolitik fordert. Die FDP will gegen das Gesetz klagen – aber nur, falls sie nach der Bundestagswahl nicht an die Regierung kommt. Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die FDP gerne behauptet, sich für Bürgerrechte einzusetzen, das aber schnell vergisst, sobald sie an der Regierung beteiligt ist – vorzugsweise in einer Koalition mit der CDU, über die oben schon genug gesagt wurde. (UPDATE: Siehe unten bei FDP!) Die LINKE lehnt Netzsperren ab, betrachtet das Thema aber eher als Randthema. Dennoch darf man bei der LINKEn auf geringe Kompromissbereitschaft in dem Punkt hoffen.

Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz/Onlinedurchsuchung sind ein gutes Beispiel für bürgerrechtsfeindliche Gesetze, ebenso wie beispielsweise die Weitergabe von Kontodaten an die USA über die EU und SWIFT. Grüne, LINKE und FDP behaupten hier alle, dagegen zu sein. Wieder bin ich der Meinung, dass die LINKE das Thema etwas weniger ernst nimmt als die Grünen. Die FDP hat in den Ländern allerdings Gesetzen, welche eine Online-Durchsuchung (und noch viel mehr) erlauben, mehrfach zugestimmt – auch wenn es bei der Bundestagswahl nicht um die Länder geht, ist das ein Indiz. Ich halte die Behauptungen der FDP daher für leere Wahlversprechen, zumal der Wunschkoalitionspartner der FDP, die CDU, geradezu nach mehr Überwachung lechzt. Für die Piratenpartei ist die Abschaffung solcher Gesetze ein absolutes Kernthema und für viele der Hauptgrund, warum sie Mitglied sind. In diesem Punkt dürfte also auf die Piratenpartei 100% Verlass sein.

Urheberrecht ist ein weiterer wichtiger Punkt – das Urheberrecht schränkt die Möglichkeiten privater Nutzer immer mehr ein und kriminalisiert viele Menschen für früher selbstverständliche Handlungen. Eine klare Position der FDP konnte ich nicht finden. UPDATE: Die FDP setzt sich laut Wahlprogramm klar für „konsequente Rechtsdurchsetzung“, Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen vor allem im Internet und ein starkes Urheberrecht ein. Böse Zungen wie ich würden sagen, sie verfolgt klar und offen die Linie der Contentindustrie. Die LINKE erwähnt das Urheberrecht wieder mehr am Rand und fordert verbraucherfreundliche Regelungen. Die Grünen treten für das Recht auf eine digitale Privatkopie ein und wollen eine Pauschalvergütung für die Urheber. In einer Debatte 2006 haben sich LINKE und FDP gegen eine Bagatellklausel für private Kopien ausgesprochen, die Grünen dafür. Eine Bagatellklausel würde die Kriminalisierung zahlreicher Menschen verhindern und wäre ein Schritt zu einem verbraucherfreundlicheren Urheberrecht. Die Piratenpartei leitet ihre Bezeichnung davon ab, dass die Contentindustrie versucht die Privatkopie zu verbieten und Privatkopierer als „Piraten“ beschimpft, das Urheberrecht ist also auch ein Kernthema. Die Piratenpartei hat zwar noch kein konkretes Konzept für eine komplette Reform des Urheberrechts, fordert aber, es deutlich verbraucherfreundlicher zu gestalten. Sie will allerdings nicht das Urbeherrecht abschaffen oder kommerzielle unautorisierte Kopien erlauben.

Eine Three-Strikes-Regelung wird oft von der Contentindustrie gefordert. Dabei wird bei wiederholter Urheberrechtsverletzung dem Täter der Internetanschluss beispielsweise für ein Jahr entzogen. Durch die hohe Bedeutung des Internets ist das eine erhebliche Grundrechtseinschränkung, in Frankreich wurde ein solche Gesetz vom dortigen Verfassungsgericht gekippt. FDP, Grüne, Linke und Piraten lehnen eine solche Regelung ab. Da die FDP ein „starkes Urheberrecht“ fordert und oft bewiesen hat, wie schnell sie umkippt, würde ich mich darauf nicht verlassen wollen, dass diese Position auch nach der Bundestagswahl noch bestehen bleibt.

Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht Bürgern die Einsicht in Behördenakten und dient somit der Transparenz. Skandale und Korruption können so oft aufgedeckt werden, doch das IFG wird in Deutschland nur halbherzig umgesetzt. FDP, Grüne und Piraten setzen sich für ein starkes IFG ein, bei der Linken findet sich zu dem Thema fast nichts. Hier sieht man wieder, dass die Linke solche Themen nicht allzu wichtig nimmt, wie ernst es FDP und Grünen ist, wird man wohl frühestens nach der Bundestagswahl erfahren.

Patente sind ein extrem wichtiges Thema in der heutigen Zeit. Ein Patentschutz ist in der Wirtschaft nötig, ein zu starkes Patentrecht kann die Wirtschaft jedoch stark behindern. Softwarepatente waren bisher in Deutschland nicht ohne weiteres möglich, über die USA und EU besteht jedoch die Gefahr einer Einführung. Trivialpatente, z. B. auf den Doppelklick (!) oder Prozentbalken (!) können erhebliche Probleme verursachen. Ein gutes Beispiel, dass Patente weit in andere Lebensbereiche ragen, ist der Fall von Opel: Ein großes Hindernis für die Rettung war, dass Opel seine Patente an GM abgegeben hatte. Software- und Trivialpatente werden von Piraten, FDP, Grünen und LINKEN abgelehnt, die Piratenpartei fordert dazu eine Reform des Patentrechts, um es auf die aktuelle Situation anzupassen.

Open Access, also freier Zugang zu Wissen, ist ein Kernthema der Piratenpartei und wird auch von FDP, Grünen und Linken gefordert. Open Access kann Forschung und Wissenschaft deutlich erleichtern.

Damit wären die „harten“ Themen durch. Weiterhin habe ich auch „weiche“ Themen abgefragt, wie Fraktionsdisziplin, Koalitionsbereitschaft nach der Bundestagswahl und Kompromissbereitschaft bei den genannten Themen. Dazu haben leider auch die Grünen keine wirklich klare Aussage treffen wollen, alle Parteien scheinen sich sorgfältig zu bemühen, allzu ernste Koalitionsverhandlungen zu den Landtagswahlen 2009 erst nach der Bundestagswahl zu führen. Die Grünen haben nach den Anschlägen vom 11. September dem „Otto-Katalog“, einem Paket aus bürgerrechtsfeindlichen Sicherheitsgesetzen, zugestimmt. Zu dem Vorwurf nahmen die Grünen in ihrer Antwort keine Stellung. Ich habe dennoch den Eindruck, als hätte die Partei inzwischen gelernt und würde sich nun stärker für Bürgerrechte einsetzen. Die FDP hingegen hat in den Ländern allein 2009 schon mehrfach bewiesen, dass auf sie kein Verlass ist.

Fazit zu den Parteien

Die CDU/CSU und SPD sind meiner Meinung nach völlig unwählbar. Sie haben bewiesen, dass sie auf Bürgerrechte keinerlei Wert legen, die CDU/CSU tritt gezielt gegen Bürgerrechte ein und stört sich nicht daran, die Verfassung zu brechen. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für CDU/CSU oder SPD ist eine Stimme für einen Unrechtsstaat. Eine große Koalition nach der Bundestagswahl wäre für die Freiheit in Deutschland eine Katastrophe, würde aber glücklicherweise mangels Zweidrittelmehrheit wenigstens nicht mehr das Grundgesetz zerstören können.

Die FDP stellt sich zwar als Bürgerrechtspartei hin und verfolgt diese Position in der Opposition auch. Sobald sie jedoch an der Regierung ist, wirft sie all das über Bord und unterstützt den Grundrechteabbau, ggf. begleitet von Behauptungen, durch den von der FDP erzielten Kompromiss würden die Grundrechte weniger stark abgebaut als ohne. (Ohne Zustimmung der FDP würden allerdings gar keine Grundrechte abgebaut…) Der Wunschkoalitionspartner der FDP, die CDU/CSU, ist für Grundrechteabbau berühmt-berüchtigt. Auch die FDP halte ich daher für unwählbar, wenn man Bürgerrechte für wichtig hält. Mit einer Stimme für die FDP bei der Bundestagswahl 2009 fördert man indirekt auch die CDU und somit den Grundrechteabbau. UPDATE: In der Mailantwort und im Wahlprogramm schreibt die FDP, dass Erwachsenen der Zugang zu strafrechtlich unbedenklichen Inhalten nicht verwehrt werden dürfe. Ich gehe also davon aus, dass die FDP Internetsperren untersützen wird, sofern sie sich „nur“ gegen Kinderpornographie, ggf. auch Urheberrechtsverletzungen (siehe oben – „konsequente“ Durchsetzung…) und andere illegale Inhalte richten. Nur „aktionistische“ Verbote oder „Zensur“ werden abgelehnt. Im Wahlprogramm, welches ich aus gutem Grund zunächst nicht zum Vergleich herangezogen habe, werden immer wieder schwammige Formulierungen verwendet und Ausflüchte offengelassen. Die FDP macht in ihrer Antwort deutlich, dass eine Steuerstrukturreform ein wichtiges Thema ist, obwohl ich danach gar nicht gefragt hatte (also wohl wichtiger als die Themen zu den ich etwas wissen wollte), und dass „für Koalitionsgespräche eine programmatische Schnittmenge zwischen den Verhandlungspartnern“ nötig sei. Wie diese Schnittmenge bei CDU und FDP im Bezug auf Bürger- und vor allem Verbraucherrechte aussehen könnte, kann sich jeder denken.

Die Grünen betrachten Bürgerrechte als wichtiges Thema, haben allerdings Themen die wichtiger sind. Es ist nicht auszuschließen, dass faule Kompromisse gemacht werden, die starke Basisdemokratie dürfte ein Umkippen nach Art der FDP aber verhindern. Wenn man die weiteren Schwerpunkte der Grünen für sehr wichtig hält, und bereit ist zu riskieren, dass Bürgerrechte doch hinten angestellt werden, kann bei der Bundestagswahl 2009 die Grünen durchaus wählen.

Die LINKE erwähnt Bürgerrechte zwar, der Schwerpunkt liegt allerdings klar in der Sozialpolitik. Die Kompromissbereitschaft der LINKEn schätze ich vergleichsweise gering ein, verlassen würde ich mich jedoch nicht darauf. Zu vielen Themen, die in der heutigen Zeit immer wichtiger werden (Urheberrecht, Open Access, …) hat die LINKE keine ausgearbeitete Position. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für die LINKE dürfte zwar den Grundrechteabbau nicht fördern, aber auch keinen Fortschritt bei aktuell wichtigen Themen bringen.

Die Piratenpartei ist eine Themenpartei, d.h. sie hat sich auf bestimmte Themen spezialisiert und befasst sich (noch) nicht mit weiteren Themen. Zu Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es also keine Position. Umso klarer hingegen ist die Position zu Bürgerrechten, Datenschutz, und freiem Zugang zu Wissen (womit der große Themenbereich „Bildung“ natürlich mit Thema ist). Faule Kompromisse in diesen Bereichen sind undenkbar. Eine starke Piratenpartei – ob im Bundestag vertreten oder nicht, siehe unten – wird die anderen Parteien dazu zwingen, sich mit Bürgerrechten und Datenschutz auseinanderzusetzen. Eine Koalition mit den Piraten wird nur möglich sein, wenn die Kernthemen umgesetzt werden. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für die PIRATEN fördert also auf jeden Fall die von der Partei vertretenen Kernthemen deutlich mehr, als wenn man eine der anderen Parteien unterstützt, die Bürgerrechte und Freiheit als ein Thema unter vielen sehen. Daher unterstütze ich die Piratenpartei und werde sie auch wählen.

Weitere Entscheidungshilfen

Das Projekt „Bürgerrechte wählen“ bietet eine Übersicht über das Abstimmungsverhalten der Parteien sowie über bürgerrechtsschädigende Gesetze, die die Parteien beschlossen haben.

Die bpb bietet einen Wahl-o-mat an, ein ähnliches, aber privates Projekt gibt es bei den surfpoeten. Das im Aufbau befindliche „Projekt Wen wählen?“ hat mit einem Punktesystem wohl die ausgeklügeltste Methode, scheint sich aber immer direkt auf Wahlkreiskandidaten zu beziehen, was dazu führen dürfte, dass viele Parteien nicht berücksichtigt werden.

Taktische Überlegungen

Nichtwählen oder ungültig wählen ist die schlechteste Entscheidung. Es hat keine nennenswerte Signalwirkung und schadet den großen Parteien nicht. Solange man mindestens eine Partei mehr ablehnt als die anderen, ist es besser, notfalls zufällig eine der Parteien die das geringste Übel sind zu wählen.

Bei der Piratenpartei ist zu befürchten, dass sie die 5%-Hürde nicht schafft, auch wenn es keineswegs sicher ist. Bei der Europawahl im Juni 2009 erreichte sie 0,9% der Stimmen, bei der Landtagswahl 2009 in Sachsen knapp drei Monate später bereits 1,9%, und die heiße Wahlkampfphase hat gerade erst begonnen. Seit der Europawahl strömen die Mitglieder in großen Mengen zur Partei, aktuell hat sie rund 7.500 Mitglieder (zum Vergleich: Anfang 2009 waren es noch weit unter 1.000. Die Grünen haben rund 46.500). Selbst wenn es die Piratenpartei nicht in den Bundestag schafft, ist eine Stimme für sie jedoch nicht weggeworfen. Einerseits erhält die Piratenpartei für jede Stimme bei der Bundestagswahl Geld vom Staat, andererseits erhöht ein gutes Wahlergebnis für die Piraten auch den Druck auf die anderen Parteien, Bürgerrechte ernstzunehmen. Ich werde daher die Piratenpartei bei der Bundestagswahl 2009 unabhängig von der 5%-Klausel wählen und kann jedem, der Bürgerrechte und Themen des 21. Jahrhunderts für wichtig hält, nur nahelegen, es auch zu tun. Nur wem die Kernthemen anderer Parteien weitaus wichtiger und Bürgerrechte nur am Rand wichtig sind, dürfte bei den Grünen oder Linken besser bedient sein.

Erst- und Zweitstimme: Die „Prozente“ bei der Bundestagswahl bekommen die Parteien über die Zweitstimme. Die Erststimme bestimmt die Direktmandate, es gewinnt der Kandidat mit den meisten Erststimmen im Wahlkreis. Meist kommen nur zwei Kandidaten in Frage, eine Stimme für die anderen Kandidaten ist weitgehend nutzlos. Mit der Erststimme sollte man also meist denjenigen der zwei aussichtsreichen Kandidaten wählen, welcher das geringere Übel darstellt. Es ist auch möglich, die Erststimme freizulassen. Dann gilt die Erststimme als ungültig, die Zweitstimme wird ganz normal gewertet.

Aufgrund des „kaputten“, verfassungswidrigen Wahlrechts gibt es bei der Bundestagswahl 2009 ein Phänomen namens „negatives Stimmgewicht“, durch welches eine Stimme für eine Partei dieser schaden kann. Details dazu gibt es auf wahlrecht.de, dort soll auch eine „Taktik-Anleitung“ erscheinen. Durch die Überhangmandate erhöhen sich die Chancen der CDU, eine Koalition mit der FDP bilden zu können, selbst wenn sie nicht genug Zweitstimmen erreichen.

Neuwahlen und die nächste Bundestagswahl könnte man auch in die Überlegungen mit einbeziehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaft 2009 und vermutlich noch einige Jahre danach weiter den Bach runtergehen wird (zumal Massenentlassungen nach der Bundestagswahl bereits angekündigt sind). Man könnte also überlegen, jetzt eine Partei zu wählen, die man eher nicht mag, damit ihr bei der nächsten Bundestagswahl oder einer vorgezogenen Neuwahl die Schuld an der Krise gegeben wird. Das halte ich jedoch für keine gute Idee, denn erstens kann eine solche Partei bis dahin irreparable Schäden anrichten und zweitens kann sich in drei Jahren die Wirtschaft wieder erholt haben. Auch darauf, dass es z. B. aufgrund des verfassungswidrigen Wahlrechts, der umstrittenen Nichtzulassung einiger Parteien oder anderer Fehler zeitnah eine Wiederholung der Bundestagswahl geben könnte, sollte man nicht hoffen – das Verfassungsgericht ist leider extrem langsam.

Technisches

Wahlcomputer gibts diesmal nicht, da sie in Deutschland zumindest für die Bundestagswahl 2009 nicht zugelassen sind.

Nicht dokumentenechte Bleistifte bei Wahlen sind kein Problem, wie mein Artikel hier ausführlich erklärt.

Es ist möglich per Briefwahl zu wählen oder direkt in den entsprechenden Ämtern. Wie Briefwahl geht und welche Gefahren es gibt, hat jemand im Piratenwiki zusammengestellt. Eine Liste mit Links zum Online-Beantragen der Unterlagen gibts da auch.

Kurzzusammenfassung

  1. Geh wählen!
  2. Wer Bürgerrechte sehr wichtig findet, wählt PIRATEN
  3. Wer Bürgerrechte nur am Rand wichtig findet, die PIRATEN nicht wählen will und das Programm der Grünen oder LINKEn gut findet, kann diese Parteien wählen
  4. Wer CDU, CSU, SPD oder FDP wählt, unterstützt den Grundrechteabbau in Deutschland
  5. Die Frage „Wen wählen“ muss jeder selbst beantworten

Weniger ist mehr

2007-12-03 3 Kommentare

Die USA möchten die Genfer Konventionen „ergänzen“. Insbesondere, weil diese nicht mehr zeitgemäß seien – es würden Regelungen zum Umgang mit „feindlichen Kombattanten“ fehlen. Könnte vielleicht auch ein klein wenig daran liegen, dass die USA diesen Begriff frisch erfunden haben, um sowohl das normale Strafrecht, als auch das Kriegsrecht mit den Genfer Konventionen zu umgehen. Die neuen Regelungen sollen dann natürlich nach Meinung der USA die bisherige menschenrechtswidrige Behandlung der „feindlichen Kombattanten“ legalisieren. Was nicht passt, wird passend gemacht. Ich hoffe nur, dass andere Staaten da nicht mitspielen. Die einzige akzeptable Ergänzung zu diesem Thema wäre: „Jede gegen ihren Willen festgehaltene Person, die nicht als kriegsgefangen angesehen wird, muss entweder der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit des gefangennehmenden Landes im Rahmen der dort allgemein gültigen Gesetze und der Menschenrechte unterliegen, oder wie ein Kriegsgefangener behandelt werden.“ Alternativ könnte man natürlich festlegen, dass es keine feindlichen Kombattanten, sondern nur Kriegsgefangene gibt. Aber mit diese Lösung hätten die Amis ihre Extrawurst – nur nicht so, wie sie es gerne hätten, sondern menschenrechtskonform. Die „Ergänzung“, wie sie wohl vorgesehen ist, kann nur nach dem Motto „Weniger ist mehr“ betrachtet werden – wozu man noch passend nach Orwell ergänzen sollte: „War is Peace; Freedom is Slavery; Ignorance is Strength.“

Allerdings muss man leider nicht so weit weg gehen, um derartige Bemühungen zu finden, hierzulande sieht es wohl nicht viel besser aus:

Die SPD will jetzt im Grundgesetz ein Grundrecht auf Informationsfreiheit einführen. Eigentlich bedeutet Informationsfreiheit, dass Behörden etc. viele ihrer Akten offenlegen müssen. Der Wortlaut deutet eher darauf hin, dass im Grundgesetz ein Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Kommunikation über das Internet verankert werden soll, insbesondere was Eingriffe in das bereits vom Bundesverfassungsgericht abgeleitete Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (auch bekannt als Datenschutz) betrifft. Die SPD will sich damit als Bürgerrechtspartei profilieren – nachdem sie (obwohl einige SPD-Abgeordnete Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit hatten) die Vorratsdatenspeicherung abgenickt hat und das BKA-Gesetz unterstützt.

Neue Regelungen seien ja auch soo dringend nötig, weil das Grundgesetz nicht genug auf das Internet zugeschnitten sei. Ich sehe da kein großes Problem: So sagt z. B. Art. 10, dass das Fernmeldegeheimnis unverletzlich sei. Darunter dürfte auch das Internet fallen. Und die Unverletzlichkeit der Wohnung ist auch geklärt. Warum es sich bei der „Online-Durchsuchung“ ein großartig anderer Sachverhalt ergeben sollte als bei einer konspirativen (geheimen) physikalischen Durchsuchung, bei der die Unterlagen durchwühlt werden, weiß ich nicht. Ich sehe also keinen Grund für irgendwelche Änderungen.

Mir (und nicht nur mir) drängt sich daher ein unangenehmer Verdacht auf: Da die bisherigen Regelungen die Grundrechte auch im Internet sehr gut schützen (in den Augen gewisser Politiker sogar zu gut), soll jetzt nicht nur eine extra Regelung für moderne Kommunikationsmaßnahmen getroffen werden, die die Grundrechte stark einschränkt, sondern diese auch noch als extreme Verbesserung der Grundrechte verkauft werden. Es wundert mich, dass die CDU nicht genau so einen Plan verfolgt. Wenn es wirklich so sein sollte, wäre es eine ziemliche Dreisitigkeit, Bürgern Einschränkungen als Ergänzungen zu verkaufen. Die CDU würde sowas wohl gerne mitmachen (eventuell erst, nachdem als „Kompromiss“ andersowo „im Gegenzug“ Datenschutz abgebaut wurde).

Es gibt aber auch noch eine Möglichkeit: Die SPD will wirklich den Datenschutz stärken – beziehungsweise eher den Eindruck erwecken, sie wolle es. Denn wenn sie wirklich die Freiheitsrechte fördern wollte, hätte sie die Vorratsdatenspeicherung abgelehnt, Schäuble offen als verfassungsfeindlich bezeichnet, seinen Rücktritt gefordert und die Onlinedurchsuchung und das gesamte neue BKA-Gesetz aufs Schärfste zurückgewiesen. Da sie all dies nicht getan hat, wäre ein Versuch, mehr Bürgerrechte im Grundgesetz zu verankern, nicht mehr als eine dreiste Lüge.

Dennoch wäre es natürlich eigentlich wünschenswert, ein Grundrecht auf Informationsfreiheit explizit einzuführen, um deutlich zu machen, dass es das wirklich gibt und sich alle daran zu halten haben. Allerdings dürfte es schwer sein, die dann sicher ebenfalls neu entstehenden Eingriffsbefugnisse so zu gestalten, dass sie nicht die bestehenden Grundrechte verletzen. Und bevor das passiert, doch lieber so wie bisher.