Archiv

Posts Tagged ‘kinderpornosperren’

Zum neoliberalen Koalitionsvertrag

2009-10-24 11 Kommentare

Eigentlich hatte ich vor, den Koalitionsvertrag auseinanderzunehmen, Zeile für Zeile. Bei über 6000 Zeilen hätte meine Geduld dafür allerdings sicher nicht gereicht. Abgesehen davon wurde das meiste schon gesagt. Trotzdem möchte ich hier einiges nennen, was mir aufgefallen ist, bei den schon in den Medien oft genug erwähnten Dingen weise ich nur kurz auf ein paar wichtige Punkte hin.

Die schon vorher beschlossenen Hartz4-„Verbesserungen“ bringen normalen ALG2-Empfängern gar keine Entlastungen, es bringt nur denjenigen etwas, die mit Vermögen plötzlich zum ALG2-Empfänger werden. Es wird also wieder mal reine Klientelpolitik betrieben, mit dem Vorteil, dass man den Eindruck erwecken kann man würde auch etwas für Ärmere tun. Das wurde aber auch von einigen Medien aufgegriffen, und deswegen hatte ich es nicht schon früher erwähnt. Dieses Blog ist keine Linksammlung oder ein Nachrichtenportal, und wenn etwas schon oft und deutlich genug gesagt wird, muss ich das nicht auch noch erzählen. Dafür ist meine Zeit zu schade.

Bei den Koalitionsverhandlungen drang auch viel Unsinn an die Öffentlichkeit, deswegen wollte ich mich bis zum fertigen Koalitionsvertrag zurückhalten. Auch hier nenne ich nur ein paar besonders „tolle“ Sachen, die mir aufgefallen sind. Für den Rest verweise ich auf die in den Medien ausreichend vorhandene Kritik, Fefe fasst vieles gut zusammen.

Vorab ein lustiger Punkt, den scheinbar noch niemand gesehen hat: In den Metadaten des bei Spiegel veröffentlichten PDFs mit dem Koalitionsvertrag ist mir aufgefallen, dass der Original-Dokumententitel: „Gesamt-Entwurf Koalitionsvertrag-Erster Teil“ lautet. Gibt es noch einen zweiten Teil? Sind da nur irgendwelche Tabellen drin, oder womöglich einfach die Sachen, die man der Öffentlichkeit nicht zumuten möchte? Sowas kann auch ein rein technisches Artefakt sein, z. B. indem zuerst nur der Teil ohne Personalfragen ein Dokument mit passendem Titel war und der Rest dann reinkopiert wurde.

Schön finde ich auch: Das oberste Ziel der wirtschaftlichen Ordnungspolitik muss laut dem Entwurf sein, „dass Bürger und Unternehmen ihre produktiven Kräfte entfalten und ihr Eigentum sichern können“. Nicht etwa, dass jeder Mensch ein menschenwürdiges Leben führen kann, oder dass Gerechtigkeit erzielt werden muss.

Der Koalitionsvertrag ist ein klassisches Beispiel neoliberaler Politik, bei dem mir einfach nur schlecht wird. Erleichterungen für Unternehmen, wohin das Auge reicht, Erleichterungen für Bürger treffen fast ausschließlich Besserverdienende. (Beispiel: Kindergeld und -freibetrag werden erhöht, für ALG2-Bezieher und „Aufstocker“ bringt das wenig, weil der Kinderfreibetrag nicht ausgenutzt und das Kindergeld angerechnet wird.) War eigentlich zu erwarten. Interessant ist aber, wie sich das unterschwellig überall durch den Koalitionsvertrag zieht: Es ist davon die Rede, Beschäftigung zu sichern, die Leistungsbereitschaft zu stärken usw. Immer in einem Kontext, aus dem klar hervorgeht, dass das auf Kosten der Arbeitnehmer gehen soll. Natürlich werden mehr Leute eingestellt, wenn man diese nicht zu bezahlen braucht. (Das Verbot sittenwidriger Löhne ist ein Witz, weil – wie im Koalitionsvertrag offen zugegeben – nur die Rechtsprechung festgeschrieben wird, es ändert sich also nichts. Außerdem wird eine Lohnspirale nicht verhindert, da der Durchschnittslohn in der Branche als Referenz genommen wird – mit um sich greifenden hart an der Grenze liegenden Dumpinglöhnen verschiebt sich die Grenze somit.)

Richtig schockiert hat mich allerdings, dass sich die CDU traut, das Krankenversicherungssystem derartig zu entkernen. Die Kosten werden nicht nur weiter auf Arbeitnehmer abgewälzt, Besserverdiener sollen durch eine Pauschale deutlich besser gestellt werden und noch mehr Leistungen sollen aus der Grundversorgung rausfliegen. Sozialabbau hatte ich erwartet, aber nicht in solchen Maßen. Wenn die Koalition sich jetzt noch entschließen würde, Euthanasie für Arbeitslose anzubieten, könnte mich das wohl nicht mehr als der gerade getane Schritt erschecken. (Wenn ich richtig bösartig wäre, würde ich hier auf die Sache mit dem „Erster Teil“ hinweisen.)

Die Prioritäten sieht man neben dem von Fefe genannten „prüfen“ bei nicht-so-wichtigen Themen (Freiheit, Bürgerrechte, Soziales, Internet) und klarer Ausdrucksweise bei wichtigen Themen (Wirtschaftsförderung, Sozialabbau, Besserstellung Reicher) auch daran, wie genau ein Thema ausgearbeitet wird. Bei den genannten „wichtigen“ Themen finden sich teils seitenlange, extrem genaue Ausarbeitungen, teilweise mit genauen Zahlen, während bei den „nicht-so-wichtigen“ meist sehr allgemein gehaltene, unverbindliche Aussagen getroffen wurden.

Die ganzen Steuergeschenke sollen größtenteils über Wachstum finanziert werden. Sollte das erhoffte Wachstum ausbleiben oder nicht ausreichen (und zumindest letzteres ist meiner Meinung nach fest zu erwarten), entstehen gigantische Schuldenberge.

Den Bereich der Themen, die auch die Kernthemen der Piratenpartei sind, möchte ich allerdings etwas näher beleuchten: Bürgerrechte, Freiheit, Internet und Urheberrechtspolitik. Die Hoffnung war, dass der Wahlerfolg der Piratenpartei die etablierten Parteien zur Vernunft bringt. Vielleicht wäre ohne diesen Erfolg der Vertrag noch deutlich schlimmer gewesen. Gut ist er trotzdem nicht:

Die Bundespolizei soll erweiterte Rechte bekommen. Die Sicherheitsdatenbanken und Schnittstellen zwischen Polizei und Geheimdiensten werden „evaluiert“ (bleiben also vermutlich, sonst hätte man einen stärkeren Begriff gewählt). Der Grundrechtsschutz beim BKA-Gesetz soll durch Verfahren erhöht werden. Die allgemein gehaltene Formulierung sagt fast nichts, und wenn man sie genau nimmt würde es bedeuten, dass alles beim alten bleibt und z. B. nicht zwei sondern drei BKA-Beamte irgendwas abnicken müssen.

Das BKA-Gesetz wird im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre „auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung“ überprüft. Zu Deutsch: Es wird nur dann angepasst, wenn das Verfassungsgericht es für teilweise Verfassungswidrig erklärt, und dann auch nur so, dass es gerade so noch verfassungskonform ist. Zeugen sollen künftig gezwungen werden, Vorladungen der Polizei Folge zu leisten, ob damit das Zeugnisverweigerungsrecht eingeschränkt wird, ist nicht ganz klar.

„Durch eine offensivere und modernere Risiko- und Krisenkommunikation einschließlich von Warnmechanismen“ will die Koalition „zu einer gefahrenbewussteren Bevölkerung beitragen.“ – lies: sie will weiterhin Terrorpanik schüren. Die Telekommunikationsüberwachung soll „evaluiert“ und ggf. optimiert werden – die Tür zum „optimieren“ von den Grundrechten weg wird also weit offen gelassen.

Das Jugendschutzrecht soll konsequent durchgesetzt werden. Das kann zwar vieles von strengeren Vorschriften bis zu einer chinaartigen Internetzensur bedeuten, aber eher nichts Gutes. DE-Mail soll definitiv beschlossen werden. Wenigstens lehnt die Koalition eine totale Überwachung des Internetdatenverkehrs ab. (Über eine nicht komplette Überwachung wird aber nichts gesagt.)

Die „Regelungen zur Verantwortlichkeit“ im Telemediengesetz sollen „fortentwickelt“ werden. Die bisher etablierte Regelung spricht (grob gesagt) Provider von jeder Verantwortung frei, wenn sie von den Inhalten nichts wussten. In welche Richtung hier „fortentwickelt“ werden soll, ist also offensichtlich, wird aber sicherheitshalber nicht erwähnt. Es soll nur ein fairer Ausgleich der Interessen von Providern, Rechteinhabern und Nutzern stattfinden. Was in dieser Hinsicht die Koalition unter „fair“ versteht, können sich die meisten hoffentlich denken. Bei weiteren Ausgestaltungen des IT-Rechts sollen „Informationsfreiheit und Schutz vor rechtswidrigen Inhalten gleichermaßen berücksichtigt werden“.

In welche Richtung der geplante dritte Korb des Urheberrechts gehen dürfte, sollte der Satz „Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein“ klarmachen. Allerdings will die Koalition „keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen“. Ob das mit der Initiative nur eine leere Phrase ist, oder ob das heißen soll „aber wenn jemand anderes das vorschlägt, machen wir gerne mit“ werden wir ja sehen. Auch Propaganda für ein starkes Urheberrecht wird versprochen.

Die Kinderpornosperren werden zunächst ein Jahr lang ausgesetzt und durch „Löschen statt Sperren“ ersetzt. Nett, dass die Koalition auch mal lernfähig ist, das haben die Piraten nämlich von Anfang an gefordert. Die elektronische Gesundheitskarte wird ebenfalls vorerst aufgeschoben. In beiden Fällen ist zu Bedenken: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Die Vorratsdatenspeicherung wird weitergeführt, aber – wie vom BVerfG vorgegeben – wird der Zugang zu den Daten bis zur engültigen Entscheidung eingeschränkt. Also auch hier wieder Vorgaben „umgesetzt“ die es eh gab.

Die Netzneutralität wollen sie zunächst dem Wettbewerb überlassen, aber beobachten und „nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern“ – FDP, ich nehm euch beim Wort! Denn da steht, dass die Netzneutralität durchgesetzt wird, falls sie nicht von selbst funktioniert.

Beim Datenschutz wird auf die Selbstverantwortung der Bürger zum Selbstdatenschutz gesetzt, der Datenschutz auf der anderen Seite wird kaum behandelt. Zu Arbeitnehmerdatenschutz und Fluggastdaten gibt es nur sehr schwammige Formulierungen, zu SWIFT wird es teilweise etwas exakter (den bissigen Kommentar zu Steuerhinterziehung verkneife ich mir an dieser Stelle).

Der Bologna-Prozess, der den Studierenden eine herrliche Überlastung beschert hat, wird als voller Erfolg verkauft. Die breite Anerkennung der Abschlüsse, die das Ziel war, sieht übrigens in der Realität so aus, dass sie teilweise nicht einmal im gleichen Bundesland akzeptiert werden und die Unis separate Vereinbarungen abschließen. Die ebenfalls als Ziel definierte Internationalität der sieht man in der Praxis daran, dass Studenten durchs Studium getrieben werden und keine Zeit für Auslandssemester bleibt. Muss ja eine tolle Bildungspolitik werden, wenn sie auf solchen Fehlannahmen aufbaut.

Zum Schluss hat noch ein wunderbar undemokratischer Abschnitt meine Übelkeit gefördert: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. […] Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Solange sich die Koalition nicht einig wird, werden sinnvolle Gesetze also nicht beschlossen, selbst wenn die Opposition zustimmen sollte. Genau dieser Punkt (der so üblich ist, egal ob offiziell oder inoffiziell) sollte meiner Minung nach genau umgekehr gehandhabt werden: Keine festen Koalitionen, sondern neue Mehrheitenbildung zu jedem Beschluss. Dann würde vielleicht etwas mehr der Wille der Bevölkerung befolgt.

Viel interessanter als das was drinsteht, ist das, was nicht drinsteht. (Wenn ich fies wär, würde ich hier nochmal auf die Sache mit dem „erster Teil“ hinweisen.) Das wären beispielsweise Bundeswehr im Inneren, Versammlungsrecht (die Koalitionsparteien sind in dem Punkt berühmt-berüchtigt), Biometrie, Kameraüberwachung und viele weitere Dinge, die eben deswegen nicht auffallen, weil sie nicht erwähnt werden. Etwas zu finden, was fehlt, ist schwieriger, als etwas schlechtes zu finden, was da ist. Ergänzungen über die Kommentare sind herzlich willkommen.

Daran sieht man auch den Schwachpunkt einer solchen Analyse: Man hat nur die Versprechungen der Parteien, was am Ende daraus wird, kann nochmal was ganz anderes werden, vor allem wenn noch Punkte dazukommen, die im Koalitionsvertrag nicht drinstanden.

Ich hoffe, dass gerade auch im Bezug auf die (A)Sozialpolitik dieser Irrsin aufgehalten wird, bevor das womöglich noch in einem Bürgerkrieg, Staatsbankrott oder „vierten Reich“ endet.

Zensursulas Umfrage auseinandergenommen

2009-06-17 5 Kommentare

Eine Umfrage der Kinderhilfe, durchgeführt von Infratest-Dimap, ergab, dass angeblich 92% für Internetzensur im Kampf gegen Kinderpornos sind. Eine Umfrage von Mogis, ebenfalls durchgeführt von Infratest-Dimap (!), ergab, dass  94% dagegen sind. Damit ist zum Wert von Umfragen eigentlich schon alles gesagt worden.

Dennoch hat Zensursulas Ministerium passend zur Abstimmung über das Gesetz eine weitere Umfrage in Auftrag gegeben, diesmal bei Allensbach. Die Ergebnisse sind online verfügbar – was liegt also näher, als die Studie gründlich auseinanderzunehmen? (Liebes Zensurministerium: Löschen oder Sperren des PDFs bringt nix, Kopie ist vorhanden.) Alle Seitennummern beziehen sich auf PDF-Seiten, nicht auf die Seitenzahlen die auf den Seiten selbst stehen.

Fangen wir doch mal mit dem Offensichtlichen an (das Sahnehäubchen – die meist zitierte Frage – behandle ich weiter hinten): Auf Seite 7 steht klipp und klar, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung der Meinung ist, dass die Zensur Erfolg hat, die Nutzung einzudämmen. Gleichzeitig – ein Widerspruch in sich – sind 81% übrigens der Meinung, dass die Stoppseite dringend nötig sei weil sie Gelegenheitsnutzer abschrecke. Allein schon an einem solchen Widerspruch innerhalb der gleichen Umfrage (!) sieht man, wie wertlos und von den Fragen abhängig die Ergebnisse sind. Dennoch mache ich hier mal weiter.

Auf Seite 10 erkennt man, dass mit zunehmendem Alter, abnehmender Bildung und abnehmender Internetnutzung die Zustimmung zu Sperren steigt. Lies: Je weniger Ahnung, desto mehr pro Zensur. Das erklärt übrigens auch warum Zensursula dafür ist…

Auf der gleichen Seite unten wird behauptet, dass auch „Internet-Fans“ die Sperrungen begrüßen würden. „Internet-Fan“ wird hier als Bezeichnung für „starke Internet-Nutzer“ verwendet, wobei eine „starke“ Nutzung bereits „täglich“ ist. In der heutigen Zeit würde ich das nicht unbedingt als etwas besonderes sehen. Dennoch sieht man, dass „starke“ Internet-Nutzer – die also tendenziell mehr Ahnung haben – den Sperren wesentlich kritischer entgegenstehen.

Bei der meistzitierten Kernfrage auf Seite 4 geht die Frage schlichtweg von falschen „Tatsachen“ aus. Es wird behauptet: „Wenn ein Internetnutzer auf [kinderpornographische] Seiten kommt, wird ein großes Stoppschild angezeigt, und man kommt nicht mehr weiter.“ Erstens wird es dem BKA kaum gelingen, einen nennenswerten Teil der Kinderpornoseiten auf die Sperrliste zu bekommen, sodass nur in einigen Fällen der Nutzer das Stoppschild bekommt. Zweitens ist die Behauptung „man kommt nicht mehr weiter“ schlichtweg falsch. Auch die Auswahloptionen sind leicht manipulativ: Neben „unentschieden gibt es nur entweder „begrüße Maßnahmen“ oder „nicht geeigneter Weg gegen Kinderpornographie“ – die Option „gegen Kinderpornographie geeignet, aber aus anderen Gründen (Missbrauchsgefahr) abzulehnen“ fehlt. Auch werden die Befürchtungen und Nachteile natürlich verschwiegen, sodass primär durch die Frage „informierte“ Bürger natürlich „passend“ entscheiden werden.

Das Ergebnis der nächsten Frage (Seite 5) fällt auch wie zu erwarten aus: Natürlich sind 90% der Bevölkerung der Meinung, dass ein solches Stoppschild (welches nur Kinderpornoseiten sperrt), keine zu weitgehende Einschränkung des Rechts auf Informationsfreiheit ist. Ein solches Stoppschild ist es zwar vielleicht nicht, aber es wird bei einem solchen Stoppschild nicht bleiben, wie zahlreiche Aussagen von Politikern bewiesen haben. (Eine Übersicht wird es bald geben.) Die Einführung einer Zensur, gleich zu welchem Zweck, ist ein Dammbruch. Genausowenig wie wir zu guten Zwecken Terroristen foltern dürfen, dürfen wir mit guten Absichten eine Internetzensur einführen – wobei ich den derzeitigen Politikern sogar die guten Absichten nicht zutraue.

Fazit: Die Umfrage ist größtenteils Murks, wie fast jede Umfrage zu dem Thema (inklusive der von Mogis, aber das sollte damit ja gezeigt werden). Das einzige, was man daran erkennen kann, ist: „Je ahnungsloser, desto Zensursula“.

Kommt die Internetzensur?

2009-06-17 2 Kommentare

Die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet ist rückläufig, die Zahlen und Argumente mit denen Bundesfamilienministerin von der Leyen a.k.a „Zensursula“ für die Internetzensur wirbt dürfen frei erlogen sein, denn zu fast allen entsprechenden Themen hat die  Bundesregierung keine konkreten Informationen, die Petition gegen Internetzensur ist mit über 134.000 Mitzeichnern die stärkste Petition in Deutschland seit es das Petitionssystem gibt (damit sich der Petitionsserver nicht langweilt, gibt es jetzt eine vielversprechende Petition gegen das Paintballverbot – bitte mitzeichnen!). Dennoch will die Große Koalition der Verfassungsfeinde mit den Umfallern einen zwar im Drumherum deutlich verbesserten, im Kern aber unveränderten Gesetzesentwurf schon am Donnerstag durch den Bundestag peitschen, darauf hat man sich schon geeinigt. Im Windschatten der Diskussion ist übrigens die Reform des Datenschutzes völlig verkrüppelt worden, vom Verbraucherschutz ist nichts mehr übrig.

Zunächst einmal: Die Petition ist genau zum richtigen Zeitpunkt mit sehr vielen Mitzeichnungen geschlossen worden. Heute (Mittwoch) könnte das, wenn es gut läuft, durch die Medien gehen und deutlich Druck ausüben. Die Vorkomnisse im Iran können einerseits ablenken, andererseits aber auf die Gefahren von Zensur aufmerksam machen.  Es gibt eine Telefonaktion – bitte Mitmachen! – bei der SPD-Abgeordnete überzeugt werden sollen, doch noch zur Vernunft zu kommen. Ich gehe aber stark davon aus, dass das Zensurgesetz durchkommen wird – durch den Bundestag. Am kommenden Samstag, dem 20., sind daher Demonstrationen in zahlreichen Städten geplant. Erscheint bitte zahlreich!

Soweit ich weiß handelt es sich aber um ein zustimmungspflichtiges Gesetz, d.h. der Bundesrat muss zustimmen, damit das Gesetz erlassen werden kann. UPDATE: Da habe ich mich laut Heise (letzter Absatz) geirrt. Das Gesetz ist wohl kein Zustimmungsgesetz, sondern ein Einspruchsgesetz, d.h. der Bundestag kann mit einer einfachen Mehrheit Einspruch einlegen. Das ist unwahrscheinlich, da die CDU und SPD-Regierungen wohl kaum für einen Einspruch stimmen werden. Die Länder stimmen geschlossen ab, und wenn bei einer Koalition auf Landesebene die Parteien uneinig sind, gibt es eine Enthaltung, die wie eine Nein-Stimme wirkt. Bei einem Zustimmungsgesetz wäre das gut (Nein für Zustimmung = kein Gesetz), bei einem Einspruchsgesetz bedeutet ein „nein“ leider „kein Einspruch“.

Dort müssen die Bundesländer geschlossen abstimmen, wenn sich die Koalitionsparteien eines Bundeslandes uneinig sind, gibt es eine Enthaltung. Wenn sich ein Land enthält, wirkt das wie eine Nein-Stimme.  Das gibt Hoffnung:

Man kann recht sicher damit rechnen, dass die rein von der SPD, rein von der CDU oder von einer großen Koalition regierten Länder zustimmen werden – auch wenn sich hier eventuell noch bei der SPD Chancen ergeben könnten, einzelne Landesverbände zu überzeugen. Eine Übersicht wer wo regiert findet sich bei der Wikipedia. Wie man sieht, haben die erwähnten Länder die dafür stimmen dürften nur 30 von 35 nötigen Stimmen. Solange also die FDP nicht umfällt und bei den drei von Grünen/Linken mitregierten Ländern höchstens eines umkippt, bekommt die Große Koalition der Verfassungsfeinde keine Mehrheit im Bundesrat, was das Problem lösen dürfte.

Die FDP spielt auch noch eine weitere Schlüsselrolle: Es ist recht wahrscheinlich, dass nach der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Koalition regieren wird. Da das Gesetz befristet ist, wird die nächste Regierung nochmal darüber entscheiden müssen. Wenn die FDP also standhaft bliebe, wäre selbst ein verabschiedetes Zensurgesetz nur ein paar Jahre gültig. Gerade deswegen ist es wichtig, die FDP zur Vernunft zu mahnen. Ehe also unnötig Kraft auf die verlorenen Umfaller von der SPD zu verschwenden, könnte es sich lohnen, sich direkt an die FDP zu wenden.

Benzinpreise wichtiger als Freiheit?

2009-06-15 4 Kommentare

Morgen schließt die Petition gegen Internetzensur. Bisher haben ca. 123.000 Personen mitgezeichnet. Das ist zwar extrem viel, doch es gab 2008 eine Petition mit über 128.000 Mitzeichnern – und da ging es um die Halbierung der Mineralölsteuer. Es wäre ein schönes Zeichen, diese Marke zu brechen und damit deutlich zu machen, dass Freiheit wichtiger ist als Benzinpreise. Wer also noch nicht mitgezeichnet hat oder jemanden kennt, der dies noch nicht getan hat: Jetzt ist die letzte Gelegenheit!

Vielleicht reduziert die bisherige Anzahl der Mitzeichner ja die teilweise geäußerte (meiner Meinung nach grundlose) Befürchtung, wegen einer Mitzeichnung für einen Pädophilen gehalten zu werden. Wer also nur aus Angst nicht mitgezeichnet hat, kann es sich jetzt nochmal überlegen. Ich fände es eine Schande, wenn der Eindruck entstehen würde, dass Benzinpreise den Menschen wichtiger sind als Freiheit und Demokratie.

(Sicherheitshalber noch die Anmerkung: Bitte nicht mit irgendwelchen Fake-Einträgen registrieren, das schadet deutlich mehr als es nutzt.)

Neues zur Internetzensur

2009-05-22 1 Kommentar

Die weniger bekannten Neuigkeiten der letzten Tage zu den Internetzensurplänen der Bundesregierung möchte ich hier einmal zusammenfassen. Wer nicht weiß, worum es geht, möge sich bitte zunächst informieren, z. B. beim Arbeitskreis Zensur.

Die Petition gegen Internetzensur hat inzwischen über 90000 Unterschriften. Wer noch nicht mitgezeichnet hat, möge dies bitte jetzt tun und dann weiterlesen.

Morgen wird in vielen Städten die Aktion „Grundgesetz lesen“ veranstaltet, um auf diese (und andere) geplante (und verwirklichte) Grundgesetzverstöße hinzuweisen. Kommt zahlreich! Dem Bundestag sind übrigens die Grundgesetze ausgegangen – bisher konnte man die dort kostenlos bestellen, bald sollen neue gedruckt werden. Böse Zungen würden sagen: Das erklärt, warum den Politikern das GG so egal ist. Vermutlich warten die eh mit dem Nachdruck, bis Schäubles neue Fassung fertig ist, dann ist der Umfang auch geringer…

Nach der manipulativen Umfrage der Kinderhilfe, die Internetzensur als einzige Option gegen Kinderpornos dargestellt hat und damit 92% zustimmung erhalten hat, hat MOGIS (Missbrauchsopfer gegen Internetsperren) eine eigene Umfrage veranstaltet. Hier zeigt sich: 90% sind DAGEGEN. Infratest hat beide Umfragen durchgeführt, die Ergebnisse der MOGIS-Umfrage aber schnell wieder aus dem Netz entfernt. Warum, werden wir hoffentlich noch erfahren. Leider hat sich das in der Presse kaum herumgesprochen, also bitte verbreiten und ggf. auch Medienvertreter darauf ansprechen!

Obwohl Ursula von der Leyen („Zensursula“) auf einer Pressekonferenz Kinderpornos vorgeführt hat bzw. vorführen ließ, sah die Staatsanwaltschaft Berlin „kein Anzeichen für ein strafbewehrtes Verhalten“ und hat das aus einer entsprechenden Anzeige resultierende Verfahren nach einem Tag eingestellt. Vor zwei Wochen habe ich die Pressestelle um Details gebeten, vor einer Woche nochmal telefonisch nachgehakt und um Antwort gebeten. Bis heute kam nichts.

Einige Verbände haben sich dennoch für die Internetzensur unter dem Vorwand des Kampfes gegen Kinderpornographie ausgesprochen, und dabei deutlich schärfere Mittel als DNS-Sperren gefordert. Neben durchaus seriösen Verbänden ist unter anderem einVideotheken-Interessenverband (IVD) dabei. Die wollen über die Kinderpornosperren dann auch normale Pornowebseiten mit mangelndem Jugendschutz sperren, um die lästige kostenlose Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen, die ihnen das Geschäft mit den Porno-Videos und -DVDs vermiest. Da sieht man mal schön, wozu die Sperren bald gut sein werden.

Da immer wieder betont wurde, wie toll die Sperren im Ausland funktionieren würden und dass wir sie deswegen brauchen, hier noch ein Beispiel, wie im Ausland großzügig nicht-Kinderpornoseiten auf die Sperrlisten wandern. Ich bezweifle dass das bei uns anders aussehen wird. Eine Vorschrift im Gesetz „Wenn das BKA die Liste missbraucht, ist dieses Gesetz nichtig und sämtliche Sperren sind umgehend aufzuheben“ wäre nötig, aber wohl leider undenkbar.

Deutsche Kinderhilfe für Kinderpornos im Netz?

2009-05-14 1 Kommentar

Die Petition gegen Internetzensur hat inzwischen 80000 Unterschriften. Die Deutsche Kinderhilfe ist scheinbar der Meinung, dass Internetsperren genau das richtige Mittel gegen Kinderpornographie sind, und sammelt jetzt Unterschriften. Auf den Formularen steht

Ja, ich stimme für das Gesetz gegen Kinder“pornographie“ im Internet.

Welches Gesetz damit gemeint ist, wird nicht erwähnt. Insbesondere wird nicht erwähnt, dass das aktuell debattierte Gesetz zum Ziel hat, Kinderpornographie eben nicht aus dem Netz zu entfernen, sondern lediglich, den Zugang aus Deutschland (unwesentlich) zu erschweren. Insbesondere kann man davon ausgehen, dass die Bereitschaft, derartiges Material wirklich zu bekämpfen, sinken wird, wenn es „gesperrt“ ist. Dadurch dürften die Perversitäten noch länger im Netz bleiben – und aus dem Ausland völlig ungehindert erreichbar sein. Die Petition der Deutschen Kinderhilfe ist also eher für Kinderpornographie im Netz statt dagegen! Nur dürfte das niemandem klar werden, der das Formular unterschreibt.

Ich bitte daher jeden, der deren Liste unterschrieben hat und erst jetzt merkt, wofür er da gerade seinen Namen hergegeben hat, die Unterschrift zu widerrufen. Einmal natürlich gegenüber der deutschen Kinderhilfe selbst, aber vor allem auch gegenüber dem Bundestag – denn die deutsche Kinderhilfe will dort die Unterschriften einreichen und es würde mich wundern, wenn sie dabei widerrufene Unterschriften aussortieren. Weist dabei bitte ausdrücklich auch darauf hin, wie die deutsche Kinderhilfe die Unterschriften sammelt und wie sie verdeckt, wofür man wirklich unterschreibt. Wenn der Bundestag davon weiß, dürfte er auch einschätzen können, was die Unterschriften wert sind, die da von der deutschen Kinderhilfe abgeliefert werden.

Wenigstens wird versichert, dass die Adressdaten nicht verkauft werden. In der Vergangenheit hat das die Deutsche Kinderhilfe wohl anders gehandhabt, siehe den Welt-Artikel über die Deutsche Kinderhilfe (Teil 2), der Rest der Artikelserie ist genauso interessant: Deutsche Kinderhilfe (Teil 1). Auch der separate Artikel über die fragwürdigen Geschäfte der deutschen Kinderhilfe ist interessant. Der deutsche Spendenrat (welcher seriöse Spendenempfänger zertifiziert) hat die Deutsche Kinderhilfe rausgeschmissen – sie sind wohl auch noch durch andere Dinge negativ aufgefallen, z. B. indem sie Abmahnungen an andere gemeinnützige Organisationen verschickt haben. Ich werde hier sicher nicht den ganzen Kram auflisten, der der deutschen Kinderhilfe vorgeworfen wird, das wäre zu viel. Gemeinnützig sind sie jedenfalls nicht mehr in allen Bundesländern, und der Wikipedia-Artikel musste wegen Manipulationen gesperrt werden. Hier nur einige Links:

Eine schöne Übersicht bei FoeBuD über die Sammelaktion und die Seriosität der deutschen Kinderhilfe

Eine schöne chronologische Liste mit Quellenlinks über die Deutsche Kinderhilfe und ihre Aktionen von nix.over-blog.de

Ein ausführlicher Artikel bei FIX!MBR

Netzpolitik hat auch was – Deutsche Kinderhilfe für Zensursula

Ich hoffe, dass die Google-Suche nach „Deutsche Kinderhilfe“ bald die informativen Artikel vor deren Propagandahomepage bringt.

Petition gegen Internetzensur

2009-05-05 2 Kommentare

Falls irgendwer es noch nicht bemerkt haben sollte: Es gibt beim Bundestag jetzt eine Petition gegen die geplante Einführung von Internetzensur im Namen des Kinderschutzes. Innerhalb der ersten 24 Stunden hat die Petition ca. 15000 Unterschriften bekommen, sodass ich gute Chancen sehe, dass die benötigten 50000 Unterschriften zusammenkommen. Mitmachen!

Die Petition ist leider sehr ungenau und unvollständig, aber da nur eine öffentliche Petition zu jedem Thema zulässig ist (andere werden wegen Inhaltsgleichheit zusammengelegt), bitte ich jeden, der dem Kern zustimmt (d.h. keine Internetzensur will), die Petition mitzuzeichnen.

Ruft bitte auch eure Abgeordneten an (Telefonnummern finden sich bei Abgeordnetenwatch) und weist sie auf eure Meinung und die Petition hin. Sonst erfahren sie von der Petition eventuell erst, wenn alles schon beschlossen ist. Schon am Mittwoch soll die erste Beratung über das Thema stattfinden!

Ich plane noch einen längeren Artikel, in dem ich ausführlich erläutern werde, warum solche Sperren überhaupt keine gute Idee sind, weiß aber nicht, ob ich dazu komme. So ein Artikel dauert schnell mal mehrere Stunden, die ich derzeit einfach nicht habe.