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Posts Tagged ‘terrorgesetze’

Schlechte Nachrichten für Bürgerrechte

2011-11-07 5 Kommentare

Leider bin ich nicht direkt dazu gekommen, diese Zusammenfassung zu schreiben, aber vielleicht ist es ja auch besser, diese „tollen“ Beschlüsse unserer Regierung mal gesammelt zu sehen, nachdem man sie schon vergessen wollte. Um den folgenden Mist zu beschließen, haben die Parlamente übrigens nur zwei Tage (27. und 28.10.) gebraucht.

Fangen wir an mit dem Beschluss, dass das Erststudium nicht als Werbungskosten absetzbar ist. Über den Sinn dieser Änderung kann man sich streiten, aber der wirkliche Hammer kommt zum Schluss: Um die armen Besserverdiener unter den Studierenden nicht zu überlasten, können z. B. teure Privatunis jetzt besser abgesetzt werden. Unsere Regierung kann wohl nichts beschließen, ohne der FDP-Klientel noch ein paar Geschenke mit einzupacken.

Weiter gehts mit dem „Schuldenschnitt“ für Griechenland. Statt einem wirklichen Schuldenschnitt (ein Teil der Schulden verfällt) sollen die (wertlosen) Griechenland-Anleihen zu 50% des Nennwerts (also deutlich über dem tatsächlichen Wert) in europäische oder von der EU garantierte Anleihen umgetauscht werden. Statt einem Schuldenschnitt gibt es also auch hier Geschenke, diesmal vor allem für die Banken.

Dafür wollte unsere Regierung auch mal was dem Volk schenken, zum Beispiel kostenlose Warteschleifen und ein Ende des Abofallenbetrugs im Internet. In der entsprechenden Reform des Telekommunikationsgesetzes hat sie leider „vergessen“, Breitband-Internet zum Universaldienst zu machen (womit die Anbieter wie bei Trinkwasser und Telefon verpflichtet wären, es überall bereit zu stellen). Auch die Netzneutralität, die eigentlich in die Reform rein sollte, ist wohl nicht so ganz verankert worden. Dafür wurde in dem netten Paket mal eben die Vorratsdatenspeicherung versteckt – und zwar in letzter Sekunde und dann schnell beschlossen, damit das Parlament ja nicht merkt, worüber es gerade abstimmt.Zwar ist die neue Vorratsdatenspeicherung nicht verpflichtend, aber dafür dürfen die Provider jetzt freiwillig speichern. Angesichts dessen, dass viele das schon bisher (illegal!) getan haben, dürfte sich ein großer Datenberg ansammeln, aus dem sich die Ermittlungsbehörden bedienen können. Somit hat die Regierung zwar mal wieder „Für unsere Bürger“ auf das Paket draufgeschrieben, mit dem Inhalt spielen werden aber vor allem die Ermittlungsbehörden. Einige populäre Verbesserungen beim Verbraucherschutz (die durchaus dringend nötig waren!) hat die Regierung aber doch reingepackt – vermutlich, um es dem Bundesrat schwerer zu machen, das Gesamtpaket abzulehnen. Der Bundesrat ist nämlich fest in der Hand der Opposition, und dort muss das Gesetz noch durch. Hier ist die Hoffnung also noch nicht ganz verloren – auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Verräterpartei ihrem Namen wieder gerecht wird, obwohl sie im Bundestag dagegen gestimmt hat.

Aber wo wir bei Überwachungsgeschenken sind: Die Linke hat beantragt, jemandem etwas wegzunehmen. Nämlich der Polizei das Recht, den Bundestrojaner zu nutzen, nachdem diese gezeigt hat, wie „verantwortungsvoll“ sie damit umgehen kann (zur Erinnerung). Dass der Antrag gegen die Stimmen von Union und FDP keine Chance hat, war klar. Dennoch konnte die SPD (als Oppositionspartei!) sich nicht nehmen lassen, gegen den Antrag und somit für den Bundestrojaner zu stimmen. Würde jeder Missbrauch eines Überwachungsrechts dazu führen, dass es eingeschränkt oder zurückgenommen wird, würden die Ermittlungsbehörden vielleicht lernen, damit verantwortungsvoller umzugehen. Schade, dass diese Chance, hier den Anfang zu machen, verpasst wurde.

Stattdessen hat die Bundesregierung lieber mal die Anti-Terror-Gesetze verlängert – und nebenbei noch ein wenig verschärft, indem sie z. B. Geheimdiensten die „Selbstbedienung“ an den Flugreisedaten erlaubt haben. Auch hier hat die SPD sich wieder einmal als Verräterpartei betätigt und trotz Oppositionsrolle gegen Bürgerrechte und für die Verlängerung gestimmt. Ach, und wo wir schon bei „Anti-Terror“ sind, hier noch ein alter, aber guter Artikel von heise/c’t zur Anti-Terror-Datenbank, wo man sieht, was da so alles gespeichert wird. Die Lobby, die dafür sorgt, dass solche „Sicherheits“gesetze produziert werden, hat übrigens Jörg Tauss für Gulli aufgedeckt.

Das Europäische Parlament hat sich natürlich nicht lumpen lassen und gleichzeitig ein Abkommen beschlossen, nach dem Australien die Flugreisedaten erhält und fünfeinhalb Jahre speichern darf. Mit 463 zu 96 Stimmen übrigens, falls noch irgendwelche Hoffnungen bestanden, das EU-Parlament würde sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzen. Die übermittelten Daten enthalten unter anderem Kreditkarten- und Telefonnummern, IP-Adressen und besondere Essenswünsche (aus denen vermutlich auf die Religion geschlossen werden soll, die nicht explizit übermittelt wird). Auch ein nettes Geschenkpaket, oder?

Das einzig halbwegs Erfreuliche waren die Nachrichten über den ePerso ein paar Tage später. Schade um die verschwendeten Steuergelder, aber gut für die Bürgerrechte – wie erwartet folgte der ePerso dem Schicksal der meisten IT-Großprojekte von Bundesregierungen und wurde ein grandioser Fehlschlag: Sicherheitslücken ohne Ende, kaum Angebote, kaum Nutzer bei bestehenden Angeboten, nicht einmal die Hälfte der Ausweise mit aktiver eID-Funktion – aber leider auch schon wieder Ideen, wie man den Perso z. B. mit einer DNA-Datenbank „verbessern“ könnte.

Argumente gegen (Anti-)Terrorgesetze

2011-07-25 1 Kommentar

Auf einer Mailingliste innerhalb der Piratenpartei wurde vor kurzem über allgemeine Argumente gegen neue bürgerrechtsfeindliche (Anti-)Terrorgesetze diskutiert. Meinen Beitrag möchte ich auch hier etwas breiter publizieren:

Verhältnismäßigkeit

Auch wenn dies zweifelslos die Zahl der Verkehrstoten reduzieren würde, käme niemand auf die Idee, deutschlandweit eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h einzuführen – denn das wäre völlig überzogen, die Schäden, die daraus resultieren würden, stehen in keinem Verhältnis.

Bei Anti-Terror-Maßnahmen, deren Wirkung im Vergleich zum Tempolimit überdies zweifelhaft ist, wird diese Abwägung leider gerne übersehen. Selbst wenn diese Maßnahmen tatsächlich Terroranschläge verhindern könnten, stehen die damit verbundenen Schäden, die an unserer Freiheit, an unseren Grundwerten entstehen, in keinem Verhältnis dazu.

Leider sind Einschränkungen der Bürgerrechte nicht so direkt spürbar, wie ein Tempolimit – doch wenn wir nach und nach unsere Bürgerrechte aufgeben, zerstören wir unsere freiheitliche Gesellschaft. Wir würden genau das tun, was die Terroristen möchten, aber mit ihren Bombenanschlägen ohne unsere ‚Hilfe‘ nie erreichen würden.

Zum Vergleich sollte man sich vor Augen führen, dass wir trotz 50.000 Toten im deutschen Straßenverkehr von 2001 bis 2010 nicht in blinden Aktionismus verfallen. Genau wie wir uns im Straßenverkehr auf sinnvolle und zurückhaltende Sicherheitsmaßnahmen beschränken, müssen wir dies auch bei der Bekämpfung von Terrorismus tun.

Genausowenig, wie wir auch auf diese riesige Anzahl Verkehrstoter mit einem Verbot des Straßenverkehrs oder einer bundesweiten Tempo-30-Zone reagieren, dürfen wir auf die bloße Gefahr von Terroranschlägen mit überzogenen Maßnahmen wie der Überwachung aller Bürger reagieren.

Terroristen können bloß töten. Nur überreagierende Politiker können unsere Gesellschaft zerstören. Von ihnen geht die wirkliche Gefahr aus – und gegen diese Gefahr wenden wir uns.

(Siehe auch dieser Beitrag von „Nano“)

Ursachen

Wir könnten auch aufhören, uns in jeden internationalen Konflikt einzumischen. Damit dürfte die Terrorgefahr deutlich stärker sinken, als durch die Einführung irgendwelcher Terrorgesetze. Ganz verschwinden wird sie jedoch nie – genauso, wie man selbst mit den strengsten Gesetzen nie alle Anschläge verhindern können wird.

Selbstverständlich ist es wünschenswert, die Freiheit von Menschen in anderen Ländern zu schützen und zu fördern. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass die Folgen dieser Einsätze unsere eigene Freiheit gefährden. Solange die einzige Antwort, die wir auf eine leicht gesteigerte, abstrakte Terrorgefahr kennen, ein drastischer Abbau unserer Bürgerrechte ist, können wir uns solche Einsätze einfach nicht leisten.

Wirkungen und Nebenwirkungen

„Herr Nachbar, was machen Sie da in ihrem Garten?“
„Ich streue Pulver gegen Elefanten.“
„Aber hier gibt es doch gar keine Elefanten!“
„Na dann sehen Sie mal, wie das Pulver wirkt!“

Genauso wie der Nachbar sein Elefantenpulver streuen Innenminister gerne (Anti-)Terrorgesetze, deren Wirkung recht zweifelhaft ist. Wenn es dann gar keine Terroranschläge gibt, wird das als Zeichen gewertet, dass die Gesetze wirken, und man ganz dringend noch mehr davon braucht. Über Nebenwirkungen, wie den Abbau unserer Freiheitsrechte, macht man sich hierbei keine Gedanken.

Die wenigen versuchten Terroranschläge, die es in Deutschland gab, hatten meist von vorne herein wenig Aussicht auf Erfolg – und wurden meist nicht mit Hilfe der neuen Befugnisse aus den Terrorgesetzen aufgedeckt, sondern durch andere Mittel.

Die Mittel aus den Terrorgesetzen hingegen werden immer wieder eingesetzt, um unschuldige Bürger auszuspähen – wie man am zum Beispiel Handydatenskandal in Dresden sehen konnte.


Der Begriff „Antiterrorgesetze“ wurde in den Medien ab und zu als „Terrorgesetze“ abgekürzt. Eines Tages fiel jemandem auf, dass diese Bezeichnung eigentlich viel passender ist, weil erst diese Gesetze die eigentliche Wirkung des Terrors entfalten und sie durch die Einschränkungen der Bürgerrechte die Bevölkerung terrorisieren. Daher steht auch bei mir das „Anti“ in Klammern (und manchmal gar nicht) da.