Archiv
Geheimes Urheberrechtsabkommen ACTA – eine Übersicht
Auf internationaler Ebene verhandeln Regierungen derzeit an einem neuen, internationalen Urheberrechsabkommen namens ACTA. Die Verhandlungen werden nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor den Parlamenten geheimgehalten – diese haben nicht mitzureden. Lobbyisten von Urheberrechtsverbänden hingegen haben sehr wohl Zugang und werden auch angehört. Angebliche Offenlegungen im Namen der Transparenz und stellen sich als unvollständig, fehlerhaft oder völlig gefälscht heraus. Regelmäßige Leaks von Teilen des Abkommens zeigen, dass die Geheimhaltung einen guten Grund hat – es sollen wieder einmal die Interessen normaler Nutzer übergangen und die Interessen der Contentmafia durchgesetzt werden. Vorgeblich soll es nur um die Bekämfung kommerzieller Verletzungen von Schutzrechten wie z. B. Produktfälschungen gehen – in Wirklichkeit betreffen die Regelungen jeden.
Die Pläne übertreffen die bisherigen Gesetze bei Weitem, und auch die EU sorgt eher dafür, dass die Regelungen verschärft als gelockert werden. Der meines Wissens nach aktuellste Leak ist die EU-Version vom 1. Juli. Ich fasse hier mal ein paar Punkte zusammen, die deutlich machen, wie der Hase läuft. Das ist nur das, was ich dem Leak entnehmen konnte. Sicherlich habe ich einige gut in Juristensprache versteckte Punkte übersehen. Zudem ist zu befürchten, dass der Leak unvollständig sein könnte!
- Richter sollen für Schutzrechtsverletzungen Entschädigungszahlungen nach jedem legitimen vom Rechteinhaber vorgeschlagenen Maßstab wie z. B. dem Verkaufspreis festzusetzen.
- Geräte, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Schutzrechtsverletzungen verwendet werden, sollen auch in Zivilverfahren entschädigungslos beschlagnahmt werden dürfen. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf Urheberrechtsverletzungen, nicht nur auf Produktfälschungen.
- „Grenzmaßnahmen“ wieder ausdrücklich auch gegen Urheberrechtsverletzungen (gemeint ist z. B. das Durchsuchen von Datenträgern) sind vorgesehen, die Mitgliedsstaaten des Abkommens können jedoch Ausnahmen für private Güter einführen – müssen es aber nicht! Würden die Verhandlungsteilnehmer ihre Versprechungen, dass das Abkommen eben nicht die Durchsuchung und Beschlagnahme privater MP3-Player umfassen soll, ernst meinen, hätten sie es reingeschrieben.
- Ebenso können die Teilnehmerländer davon absehen, die strafrechtlichen Vorgaben des Abkommens auf Verletzungen durch Endkunden anzuwenden. Die beinhalten unter anderen, dass für das Abfilmen von Kinofilmen (auch nur für den Privatgebrauch gedachtes) ein eigener Straftatbestand eingeführt werden soll und bei Schutzrechtsverletzungen eine Beschlagnahme der verwendeten Ausrüstung vorgesehen ist.
- Nicht näher spezifizierte beschleunigte Abhilfen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen und Mittel die eine Abschreckung gegenüber zukünftigen Verletzungen bieten werden gefordert. Three Strikes wird zwar nicht ausdrücklich genannt, es dürfte aber darauf hinauslaufen.
Eine Regelung, nach der diese Maßnahmen gerecht und angemessen sein müssen, wird nur von drei Delegationen gefordert! - Die DMCA-Takedown-Notices, nach denen ein Internetanbieter auf Benachrichtigung durch einen (angeblichen) Rechteinhaber verpflichtet ist, Inhalte zu entfernen, sollen international verpflichtend werden (bzw. die Haftungsbefreiung für fremde Inhalte soll an die Umsetzung eines solchen Verfahrens gekoppelt werden). Immerhin darf die Haftungsbefreiung für die Provider nicht an eine Pflicht zur Vorabkontrolle durch den Provider gekoppelt werden.
- Diensteanbieter und Rechteinhaber sollen zur Kooperation angehalten werden, um Rechteverletzungen zu vermeiden. Das ist schwammig formuliert, könnte aber dazu führen, dass von Rechteinhabern vorgegebene Richtlinien für Anbieter quasi-verbindlich werden könnten.
- Das Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen und Tools dafür sollen international verboten werden. Eine Vorgabe, dass Kopierschutzmaßnahmen die rechtmäßige Nutzung nicht behindern dürfen, fehlt natürlich.
Der interessanteste Teil ist jedoch der, der sich auf das Internet bezieht. (Die Behauptung, es ginge nur um kommerzielle Produktfälschungen und den Handel mit Raubkopien, wird schon durch die Existenz des Abschnitts, spätestens aber durch den Inhalt, widerlegt.)
Fazit
Wäre das Abkommen tatsächlich nur gegen kommerzielle Produktpiraterie gerichtet, hätte man es reingeschrieben. Auch wenn einige sinnvolle Dinge drin sind, würden viele der Punkte eine weitere, maßlose Verschärfung des Urheberrechts bewirken. Neue sowie bereits im deutschen Urheberrecht vorhandene katastrophale Regelungen würden durch ein internationales Abkommen zementiert, die dringend nötige Reform zur Lockerung und Anpassung des Urheberrechts an das 21. Jahrhundert würde massiv erschwert.
Zudem kann man sich nie sicher sein, ob der Leak korrekt und vor allem vollständig ist, oder ob in Wirklichkeit noch weitere Maßnahmen hinter verschlossenen Türen behandelt werden.
Die inhaltlichen Probleme sind nur eine Seite des Problems. Ein viel schwerwiegenderes Problem ist die Art und Weise, wie dieses Urheberrechtsabkommen zustande kommt – nämlich unter Ausschluss demokratischer Gremien, dafür mit Beteiligung von Lobbyisten. Es ist zu befürchten, dass so zahlreiche juristische Feinheiten darin versteckt wurden, die erst später ihre schädliche Wirkung auf die Rechte der Nutzer entfalten. Meiner Meinung nach muss daher der gesamte Entwurf verworfen werden und sofern ein solches Abkommen weiterhin gewünscht ist, muss es von Grund auf mit Personen die an den ACTA-Verhandlungen nicht beteiligt waren transparent und öffentlich neu erstellt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass beim Urheberrecht nicht nur die Interessen der Rechteinhaber berücksichtigt werden dürfen – auch die Allgemeinheit hat Interessen, nämlich die möglichst freie Nutzung von Werken. Leider hat sie keine so laute und penetrante Lobby. Dennoch muss hier eine gerechte Abwägung getroffen werden, was bisher nie gelungen ist – und dem Entwuf nach mit ACTA sicher nicht gelingen wird. Vielleicht wäre es bei einer Neuverhandlung sinnvoll, zur Abwechslung mal die Lobbyisten an die frische Luft zu setzen.
Die Piratenpartei hat heute deswegen einen offenen Brief an die EU-Kommision und die Bundesregierung geschickt. Darin werden diese aufgefordert, die ACTA-Verhandlungen endlich offenzulegen, die Geheimhaltung zu begründen, auch die Interessen der Bürger zu berücksichtigen und den weiteren Prozess transparent zu gestalten. Ich erwarte nicht wirklich eine Antwort, aber es wäre schön, wenn auch du den Hinweis auf diesen offenen Brief weiterverbreiten würdest, damit der Druck erhöht wird!
Es bleibt zu hoffen, dass genug Abgeordnete aufgrund dieser intransparenten Verhandlungen ACTA aus Prinzip ablehnen. Nachdem das SWIFT-Abkommen im zweiten Durchlauf mit einer deutlichen Mehrheit abgesegnet wurde, ohne dass die wichtigsten Kritikpunkte behoben wurden, habe ich aber leider wenig Vertrauen in das Europäische Parlament. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Eine Petition gegen ACTA gibt es unter stopp-acta.info.
Bundestagswahl 2009 – wen wählen?
Wie bereits zu einigen vergangenen Wahlen habe ich auch zur Bundestagswahl 2009 eine Übersicht erstellt, wen man wählen kann/sollte und um welche Parteien man eher einen Bogen machen sollte, wenn man Bürgerrechte für wichtig hält. Dieser Artikel ist natürlich auch meine Meinung, aber ich bemühe mich dennoch, die Parteien sachlich darzustellen. Der Transparenz halber weise ich darauf hin, dass ich (nicht ohne Grund) Mitglied der Piratenpartei bin. Die Frage „Wen wählen?“ muss sich jeder selbst beantworten, ich kann hier nur eine Hilfe anbieten. Wer es eilig hat und nur die Zusammenfassung sehen möchte, kann hier klicken, wer nur keine Lust auf Einleitung und allgemeine Politik hat, kommt hier zum Kern des Artikels.
Einleitung
Jeder hat andere Schwerpunkte und Präferenzen, und dementsprechend muss jeder auf die Frage „Wen wählen?“ seine eigene Antwort finden. Ich halte Bürgerrechte und Datenschutz sowie diverse „moderne“ Themen in der heutigen Zeit für sehr wichtig. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass eine (soziale) Marktwirtschaft zwar vielleicht nicht ideal sein mag, aber dennoch das beste System ist, was uns zur Verfügung steht. Eine starke Wirtschaft ist zwar wichtig, aber die Freiheit der Wirtschaft darf nie so weit gehen, dass die einzelnen Menschen zu kurz kommen.
Die Wirtschafts- und Sozialpolitik ist heiß umstritten, insbesondere im Hinblick auf das richtige Maß der Umverteilung, wie man auch schön an der aktuellen Debatte in den USA sehen kann: Die Einführung eines Gesundheitssystems, wie es bei uns selbstverständlich und weitgehend anerkannt ist, wird dort als Sozialismus und Kommunismus bezeichnet. Die meist ideologisch geführte Debatte will ich hier daher nur kurz abhandeln, und mich auf die auf den ersten Blick unwichtig erscheinenden, aber in alle Lebensbereiche hineinragenden „modernen Kleinthemen“ wie Bürgerrechte, Open Access, Datenschutz, Geistiges Eigentum etc. konzentrieren.
Die Aussagen, aber vor allem auch die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl, muss man natürlich mit großer Vorsicht genießen, da oft das Gegenteil von dem versprochen wird, was hinterher getan wird. Ich beziehe diese Dinge zwar auch ein, lege aber mein Hauptaugenmerk auf das bisherige Verhalten der Parteien. Wie nutzlos die Wahlprogramme teilweise sind, zeigt ein Quiz der SZ, bei welchem man versuchen soll, Phrasen aus den Wahlprogrammen der richtigen Partei zuzuordnen. Oft kann man da genausogut eine Münze werfen.
Allgemeine Politik
Die Sozialpolitik der CDU/CSU und FDP ist üblicherweise – vorsichtig ausgedrückt – auf die Wirtschaft bzw. Freiberufler zugeschnitten. Arbeitslose werden eher als Parasiten angesehen, denen höchstens dadurch geholfen werden kann, indem man ihnen Arbeit beschafft. Insbesondere in CDU-Kreisen scheint unter „Arbeit“ auch der 1-Euro-Job verstanden zu werden, welcher meiner Meinung nach – trotz gesetzlichem Verbot – nur normale Arbeitsplätze verdrängt und Lohndumping fördert und oft sogar der Förderung von privatwirtschaftlichen Unternehmen mit Staatsgeld und Zwangsarbeitern dient. Die SPD hat das „Sozial“ in ihrem Namen immer mehr vergessen und ist in Richtung Mitte gerückt, in der Hoffnung, neue Wählerschichten zu finden. Die waren aber schon fest in den Händen der CDU. So gelang es der SPD, massiv Stimmen zu verlieren. Von der Sozialpolitik her sind aus meiner Sicht CDU/CSU und FDP kaum wählbar, die SPD inzwischen auch kaum noch. Die Linkspartei hat recht extreme Positionen, könnte aber in einer Koalition durchaus hilfreich sein, um z. B. die Position der SPD in vernünftige Bahnen zu lenken. Die Grünen haben Sozialpolitik zwar nicht als Kernthema, verfolgen aber in der Regel auch eine eher soziale Politik und wären durchaus wählbar.
Versprechen über Steuersenkungen oder -erhöhungen ignoriere ich konsequent, was von so etwas zu halten ist, konnte man bei der letzten Bundestagswahl sehen.
Hauptthemen Bürgerrechte und Co.
Nun also zu meinen Hauptthemen für die Bundestagswahl 2009 und zur eigentlichen Frage „Wen wählen?“. Die CDU/CSU tritt die Verfassung mit Füßen, wo es nur geht, und die SPD unterstützt sie dabei. Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz, Internetzensur sind nur einige Beispiele. Die CDU greift – beispielsweise mit den Plänen zum Bundeswehreinsatz im Inneren – immer wieder die Grundsätze unserer Verfassung an. Ich sehe die CDU/CSU als verfassungsfeindlich an und halte sie für eine deutlich größere Gefahr als die NPD. Diese hat nämlich im Gegensatz zur CDU kaum Einfluss in Parlamenten. Als „Mitläufer“ hat die SPD gezeigt, dass auf sie beim Schutz von Grund- und Bürgerrechten kein Verlass ist. CDU/CSU und SPD halte ich daher für völlig unwählbar.
Ich habe einen Fragenkatalog mit zum Teil sehr speziellen Fragen zu den Plänen nach der Bundestagswahl erstellt und an die drei verbleibenden größeren Parteien verschickt. (CDU/CSU/SPD habe ich mir gespart, weil sie eh unwählbar sind, die Positionen der Piratenpartei kenne ich aus den internen Diskussionen gut genug.) Die FDP hat bisher noch gar nicht geantwortet (die Anfrage ging vor knapp einer Woche raus). Falls vor der Bundestagswahl noch was kommt, arbeite ich es natürlich ein. UPDATE: Heute (7.9.) ist eine Antwort der FDP gekommen. Aus Zeitmangel konnte sie ebenfalls nicht auf meine Fragen eingehen, dafür bekam ich einige Aussagen aus dem Wahlprogramm. Ich habe einige Updates unten eingebaut. Die LINKE hat darauf verwiesen, dass sie aus Zeitmangel (was durchaus nachvollziehbar ist) meine Fragen nicht ausführlich beantworten kann, und mich gebeten mich am Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2009 auf deren Website zu orientieren. Einzig die Grünen haben zügig geantwortet. In der Antwort wurden die meisten Fragen recht gut beantwortet, dazu erhielt ich die Antwort sowohl im doc-Format (Microsoft Word) als auch odt (Open Office). Daran sieht man schonmal, dass freie Software und offene Formate von den Grünen erstgenommen werden, und zwar nicht nur an leeren Worten, sondern im alltäglichen Umgang.
Die Themen:
„Zugangserschwerungsgesetz“ (Internetzensur unter dem Vorwand, Kinderpornographie im Netz bekämpfen zu wollen, warum das Unsinn ist steht z. B. hier) und ggf. Ausweitung auf andere Inhalte: Dieses Thema habe ich ausgewählt, weil es aktuell ist, zudem werden die bei der Bundestagswahl 2009 gewählten Parteien über eine Verlängerung entscheiden müssen, falls das Gesetz doch noch zustande kommt. Die Grünen lehnen bereits das Gesetz als solches ab, und beweisen damit, dass sie auch dann für Bürgerrechte einstehen, wenn andere Parteien versuchen könnten, sie als Kinderschänder zu verleumden. Die Piratenpartei, welche die gleiche Position noch mit etwas mehr Vehemenz vertritt, hat dieses Problem zur Zeit. Bei der Bundestagswahl könnte ihr zum Verhängnis werden, dass große Teile der Bevölkerung die Lügen geschluckt haben und nur wissen, dass die Piratenpartei gegen die Sperren ist, aber nicht, dass sie stattdessen ein Wirksames Vorgehen gegen Kinderpornographie statt nutzloser Symbolpolitik fordert. Die FDP will gegen das Gesetz klagen – aber nur, falls sie nach der Bundestagswahl nicht an die Regierung kommt. Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die FDP gerne behauptet, sich für Bürgerrechte einzusetzen, das aber schnell vergisst, sobald sie an der Regierung beteiligt ist – vorzugsweise in einer Koalition mit der CDU, über die oben schon genug gesagt wurde. (UPDATE: Siehe unten bei FDP!) Die LINKE lehnt Netzsperren ab, betrachtet das Thema aber eher als Randthema. Dennoch darf man bei der LINKEn auf geringe Kompromissbereitschaft in dem Punkt hoffen.
Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz/Onlinedurchsuchung sind ein gutes Beispiel für bürgerrechtsfeindliche Gesetze, ebenso wie beispielsweise die Weitergabe von Kontodaten an die USA über die EU und SWIFT. Grüne, LINKE und FDP behaupten hier alle, dagegen zu sein. Wieder bin ich der Meinung, dass die LINKE das Thema etwas weniger ernst nimmt als die Grünen. Die FDP hat in den Ländern allerdings Gesetzen, welche eine Online-Durchsuchung (und noch viel mehr) erlauben, mehrfach zugestimmt – auch wenn es bei der Bundestagswahl nicht um die Länder geht, ist das ein Indiz. Ich halte die Behauptungen der FDP daher für leere Wahlversprechen, zumal der Wunschkoalitionspartner der FDP, die CDU, geradezu nach mehr Überwachung lechzt. Für die Piratenpartei ist die Abschaffung solcher Gesetze ein absolutes Kernthema und für viele der Hauptgrund, warum sie Mitglied sind. In diesem Punkt dürfte also auf die Piratenpartei 100% Verlass sein.
Urheberrecht ist ein weiterer wichtiger Punkt – das Urheberrecht schränkt die Möglichkeiten privater Nutzer immer mehr ein und kriminalisiert viele Menschen für früher selbstverständliche Handlungen. Eine klare Position der FDP konnte ich nicht finden. UPDATE: Die FDP setzt sich laut Wahlprogramm klar für „konsequente Rechtsdurchsetzung“, Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen vor allem im Internet und ein starkes Urheberrecht ein. Böse Zungen wie ich würden sagen, sie verfolgt klar und offen die Linie der Contentindustrie. Die LINKE erwähnt das Urheberrecht wieder mehr am Rand und fordert verbraucherfreundliche Regelungen. Die Grünen treten für das Recht auf eine digitale Privatkopie ein und wollen eine Pauschalvergütung für die Urheber. In einer Debatte 2006 haben sich LINKE und FDP gegen eine Bagatellklausel für private Kopien ausgesprochen, die Grünen dafür. Eine Bagatellklausel würde die Kriminalisierung zahlreicher Menschen verhindern und wäre ein Schritt zu einem verbraucherfreundlicheren Urheberrecht. Die Piratenpartei leitet ihre Bezeichnung davon ab, dass die Contentindustrie versucht die Privatkopie zu verbieten und Privatkopierer als „Piraten“ beschimpft, das Urheberrecht ist also auch ein Kernthema. Die Piratenpartei hat zwar noch kein konkretes Konzept für eine komplette Reform des Urheberrechts, fordert aber, es deutlich verbraucherfreundlicher zu gestalten. Sie will allerdings nicht das Urbeherrecht abschaffen oder kommerzielle unautorisierte Kopien erlauben.
Eine Three-Strikes-Regelung wird oft von der Contentindustrie gefordert. Dabei wird bei wiederholter Urheberrechtsverletzung dem Täter der Internetanschluss beispielsweise für ein Jahr entzogen. Durch die hohe Bedeutung des Internets ist das eine erhebliche Grundrechtseinschränkung, in Frankreich wurde ein solche Gesetz vom dortigen Verfassungsgericht gekippt. FDP, Grüne, Linke und Piraten lehnen eine solche Regelung ab. Da die FDP ein „starkes Urheberrecht“ fordert und oft bewiesen hat, wie schnell sie umkippt, würde ich mich darauf nicht verlassen wollen, dass diese Position auch nach der Bundestagswahl noch bestehen bleibt.
Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht Bürgern die Einsicht in Behördenakten und dient somit der Transparenz. Skandale und Korruption können so oft aufgedeckt werden, doch das IFG wird in Deutschland nur halbherzig umgesetzt. FDP, Grüne und Piraten setzen sich für ein starkes IFG ein, bei der Linken findet sich zu dem Thema fast nichts. Hier sieht man wieder, dass die Linke solche Themen nicht allzu wichtig nimmt, wie ernst es FDP und Grünen ist, wird man wohl frühestens nach der Bundestagswahl erfahren.
Patente sind ein extrem wichtiges Thema in der heutigen Zeit. Ein Patentschutz ist in der Wirtschaft nötig, ein zu starkes Patentrecht kann die Wirtschaft jedoch stark behindern. Softwarepatente waren bisher in Deutschland nicht ohne weiteres möglich, über die USA und EU besteht jedoch die Gefahr einer Einführung. Trivialpatente, z. B. auf den Doppelklick (!) oder Prozentbalken (!) können erhebliche Probleme verursachen. Ein gutes Beispiel, dass Patente weit in andere Lebensbereiche ragen, ist der Fall von Opel: Ein großes Hindernis für die Rettung war, dass Opel seine Patente an GM abgegeben hatte. Software- und Trivialpatente werden von Piraten, FDP, Grünen und LINKEN abgelehnt, die Piratenpartei fordert dazu eine Reform des Patentrechts, um es auf die aktuelle Situation anzupassen.
Open Access, also freier Zugang zu Wissen, ist ein Kernthema der Piratenpartei und wird auch von FDP, Grünen und Linken gefordert. Open Access kann Forschung und Wissenschaft deutlich erleichtern.
Damit wären die „harten“ Themen durch. Weiterhin habe ich auch „weiche“ Themen abgefragt, wie Fraktionsdisziplin, Koalitionsbereitschaft nach der Bundestagswahl und Kompromissbereitschaft bei den genannten Themen. Dazu haben leider auch die Grünen keine wirklich klare Aussage treffen wollen, alle Parteien scheinen sich sorgfältig zu bemühen, allzu ernste Koalitionsverhandlungen zu den Landtagswahlen 2009 erst nach der Bundestagswahl zu führen. Die Grünen haben nach den Anschlägen vom 11. September dem „Otto-Katalog“, einem Paket aus bürgerrechtsfeindlichen Sicherheitsgesetzen, zugestimmt. Zu dem Vorwurf nahmen die Grünen in ihrer Antwort keine Stellung. Ich habe dennoch den Eindruck, als hätte die Partei inzwischen gelernt und würde sich nun stärker für Bürgerrechte einsetzen. Die FDP hingegen hat in den Ländern allein 2009 schon mehrfach bewiesen, dass auf sie kein Verlass ist.
Fazit zu den Parteien
Die CDU/CSU und SPD sind meiner Meinung nach völlig unwählbar. Sie haben bewiesen, dass sie auf Bürgerrechte keinerlei Wert legen, die CDU/CSU tritt gezielt gegen Bürgerrechte ein und stört sich nicht daran, die Verfassung zu brechen. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für CDU/CSU oder SPD ist eine Stimme für einen Unrechtsstaat. Eine große Koalition nach der Bundestagswahl wäre für die Freiheit in Deutschland eine Katastrophe, würde aber glücklicherweise mangels Zweidrittelmehrheit wenigstens nicht mehr das Grundgesetz zerstören können.
Die FDP stellt sich zwar als Bürgerrechtspartei hin und verfolgt diese Position in der Opposition auch. Sobald sie jedoch an der Regierung ist, wirft sie all das über Bord und unterstützt den Grundrechteabbau, ggf. begleitet von Behauptungen, durch den von der FDP erzielten Kompromiss würden die Grundrechte weniger stark abgebaut als ohne. (Ohne Zustimmung der FDP würden allerdings gar keine Grundrechte abgebaut…) Der Wunschkoalitionspartner der FDP, die CDU/CSU, ist für Grundrechteabbau berühmt-berüchtigt. Auch die FDP halte ich daher für unwählbar, wenn man Bürgerrechte für wichtig hält. Mit einer Stimme für die FDP bei der Bundestagswahl 2009 fördert man indirekt auch die CDU und somit den Grundrechteabbau. UPDATE: In der Mailantwort und im Wahlprogramm schreibt die FDP, dass Erwachsenen der Zugang zu strafrechtlich unbedenklichen Inhalten nicht verwehrt werden dürfe. Ich gehe also davon aus, dass die FDP Internetsperren untersützen wird, sofern sie sich „nur“ gegen Kinderpornographie, ggf. auch Urheberrechtsverletzungen (siehe oben – „konsequente“ Durchsetzung…) und andere illegale Inhalte richten. Nur „aktionistische“ Verbote oder „Zensur“ werden abgelehnt. Im Wahlprogramm, welches ich aus gutem Grund zunächst nicht zum Vergleich herangezogen habe, werden immer wieder schwammige Formulierungen verwendet und Ausflüchte offengelassen. Die FDP macht in ihrer Antwort deutlich, dass eine Steuerstrukturreform ein wichtiges Thema ist, obwohl ich danach gar nicht gefragt hatte (also wohl wichtiger als die Themen zu den ich etwas wissen wollte), und dass „für Koalitionsgespräche eine programmatische Schnittmenge zwischen den Verhandlungspartnern“ nötig sei. Wie diese Schnittmenge bei CDU und FDP im Bezug auf Bürger- und vor allem Verbraucherrechte aussehen könnte, kann sich jeder denken.
Die Grünen betrachten Bürgerrechte als wichtiges Thema, haben allerdings Themen die wichtiger sind. Es ist nicht auszuschließen, dass faule Kompromisse gemacht werden, die starke Basisdemokratie dürfte ein Umkippen nach Art der FDP aber verhindern. Wenn man die weiteren Schwerpunkte der Grünen für sehr wichtig hält, und bereit ist zu riskieren, dass Bürgerrechte doch hinten angestellt werden, kann bei der Bundestagswahl 2009 die Grünen durchaus wählen.
Die LINKE erwähnt Bürgerrechte zwar, der Schwerpunkt liegt allerdings klar in der Sozialpolitik. Die Kompromissbereitschaft der LINKEn schätze ich vergleichsweise gering ein, verlassen würde ich mich jedoch nicht darauf. Zu vielen Themen, die in der heutigen Zeit immer wichtiger werden (Urheberrecht, Open Access, …) hat die LINKE keine ausgearbeitete Position. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für die LINKE dürfte zwar den Grundrechteabbau nicht fördern, aber auch keinen Fortschritt bei aktuell wichtigen Themen bringen.
Die Piratenpartei ist eine Themenpartei, d.h. sie hat sich auf bestimmte Themen spezialisiert und befasst sich (noch) nicht mit weiteren Themen. Zu Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es also keine Position. Umso klarer hingegen ist die Position zu Bürgerrechten, Datenschutz, und freiem Zugang zu Wissen (womit der große Themenbereich „Bildung“ natürlich mit Thema ist). Faule Kompromisse in diesen Bereichen sind undenkbar. Eine starke Piratenpartei – ob im Bundestag vertreten oder nicht, siehe unten – wird die anderen Parteien dazu zwingen, sich mit Bürgerrechten und Datenschutz auseinanderzusetzen. Eine Koalition mit den Piraten wird nur möglich sein, wenn die Kernthemen umgesetzt werden. Eine Stimme bei der Bundestagswahl 2009 für die PIRATEN fördert also auf jeden Fall die von der Partei vertretenen Kernthemen deutlich mehr, als wenn man eine der anderen Parteien unterstützt, die Bürgerrechte und Freiheit als ein Thema unter vielen sehen. Daher unterstütze ich die Piratenpartei und werde sie auch wählen.
Weitere Entscheidungshilfen
Das Projekt „Bürgerrechte wählen“ bietet eine Übersicht über das Abstimmungsverhalten der Parteien sowie über bürgerrechtsschädigende Gesetze, die die Parteien beschlossen haben.
Die bpb bietet einen Wahl-o-mat an, ein ähnliches, aber privates Projekt gibt es bei den surfpoeten. Das im Aufbau befindliche „Projekt Wen wählen?“ hat mit einem Punktesystem wohl die ausgeklügeltste Methode, scheint sich aber immer direkt auf Wahlkreiskandidaten zu beziehen, was dazu führen dürfte, dass viele Parteien nicht berücksichtigt werden.
Taktische Überlegungen
Nichtwählen oder ungültig wählen ist die schlechteste Entscheidung. Es hat keine nennenswerte Signalwirkung und schadet den großen Parteien nicht. Solange man mindestens eine Partei mehr ablehnt als die anderen, ist es besser, notfalls zufällig eine der Parteien die das geringste Übel sind zu wählen.
Bei der Piratenpartei ist zu befürchten, dass sie die 5%-Hürde nicht schafft, auch wenn es keineswegs sicher ist. Bei der Europawahl im Juni 2009 erreichte sie 0,9% der Stimmen, bei der Landtagswahl 2009 in Sachsen knapp drei Monate später bereits 1,9%, und die heiße Wahlkampfphase hat gerade erst begonnen. Seit der Europawahl strömen die Mitglieder in großen Mengen zur Partei, aktuell hat sie rund 7.500 Mitglieder (zum Vergleich: Anfang 2009 waren es noch weit unter 1.000. Die Grünen haben rund 46.500). Selbst wenn es die Piratenpartei nicht in den Bundestag schafft, ist eine Stimme für sie jedoch nicht weggeworfen. Einerseits erhält die Piratenpartei für jede Stimme bei der Bundestagswahl Geld vom Staat, andererseits erhöht ein gutes Wahlergebnis für die Piraten auch den Druck auf die anderen Parteien, Bürgerrechte ernstzunehmen. Ich werde daher die Piratenpartei bei der Bundestagswahl 2009 unabhängig von der 5%-Klausel wählen und kann jedem, der Bürgerrechte und Themen des 21. Jahrhunderts für wichtig hält, nur nahelegen, es auch zu tun. Nur wem die Kernthemen anderer Parteien weitaus wichtiger und Bürgerrechte nur am Rand wichtig sind, dürfte bei den Grünen oder Linken besser bedient sein.
Erst- und Zweitstimme: Die „Prozente“ bei der Bundestagswahl bekommen die Parteien über die Zweitstimme. Die Erststimme bestimmt die Direktmandate, es gewinnt der Kandidat mit den meisten Erststimmen im Wahlkreis. Meist kommen nur zwei Kandidaten in Frage, eine Stimme für die anderen Kandidaten ist weitgehend nutzlos. Mit der Erststimme sollte man also meist denjenigen der zwei aussichtsreichen Kandidaten wählen, welcher das geringere Übel darstellt. Es ist auch möglich, die Erststimme freizulassen. Dann gilt die Erststimme als ungültig, die Zweitstimme wird ganz normal gewertet.
Aufgrund des „kaputten“, verfassungswidrigen Wahlrechts gibt es bei der Bundestagswahl 2009 ein Phänomen namens „negatives Stimmgewicht“, durch welches eine Stimme für eine Partei dieser schaden kann. Details dazu gibt es auf wahlrecht.de, dort soll auch eine „Taktik-Anleitung“ erscheinen. Durch die Überhangmandate erhöhen sich die Chancen der CDU, eine Koalition mit der FDP bilden zu können, selbst wenn sie nicht genug Zweitstimmen erreichen.
Neuwahlen und die nächste Bundestagswahl könnte man auch in die Überlegungen mit einbeziehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaft 2009 und vermutlich noch einige Jahre danach weiter den Bach runtergehen wird (zumal Massenentlassungen nach der Bundestagswahl bereits angekündigt sind). Man könnte also überlegen, jetzt eine Partei zu wählen, die man eher nicht mag, damit ihr bei der nächsten Bundestagswahl oder einer vorgezogenen Neuwahl die Schuld an der Krise gegeben wird. Das halte ich jedoch für keine gute Idee, denn erstens kann eine solche Partei bis dahin irreparable Schäden anrichten und zweitens kann sich in drei Jahren die Wirtschaft wieder erholt haben. Auch darauf, dass es z. B. aufgrund des verfassungswidrigen Wahlrechts, der umstrittenen Nichtzulassung einiger Parteien oder anderer Fehler zeitnah eine Wiederholung der Bundestagswahl geben könnte, sollte man nicht hoffen – das Verfassungsgericht ist leider extrem langsam.
Technisches
Wahlcomputer gibts diesmal nicht, da sie in Deutschland zumindest für die Bundestagswahl 2009 nicht zugelassen sind.
Nicht dokumentenechte Bleistifte bei Wahlen sind kein Problem, wie mein Artikel hier ausführlich erklärt.
Es ist möglich per Briefwahl zu wählen oder direkt in den entsprechenden Ämtern. Wie Briefwahl geht und welche Gefahren es gibt, hat jemand im Piratenwiki zusammengestellt. Eine Liste mit Links zum Online-Beantragen der Unterlagen gibts da auch.
Kurzzusammenfassung
- Geh wählen!
- Wer Bürgerrechte sehr wichtig findet, wählt PIRATEN
- Wer Bürgerrechte nur am Rand wichtig findet, die PIRATEN nicht wählen will und das Programm der Grünen oder LINKEn gut findet, kann diese Parteien wählen
- Wer CDU, CSU, SPD oder FDP wählt, unterstützt den Grundrechteabbau in Deutschland
- Die Frage „Wen wählen“ muss jeder selbst beantworten