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Advisory: Unsichere Verschlüsselung bei GSTOOL

=== Betroffene Produkte ===
Betroffen ist die Verschlüsselungsfunktion des GSTOOL in den Versionen 3.0 bis 4.7 (einschließlich) sowie die mit diesen Versionen erstellten Schlüssel und damit verschlüsselte Dateien. Die Version 4.8 (auch bekannt als GSTOOL 4.5, 4.6 oder 4.7 Service Pack 3) ist nicht betroffen, da in dieser Version die Verschlüsselungsfunktion entfernt wurde. Nicht betroffen ist die Kernfunktion des GSTOOL, das erstellen von Sicherheitskonzepten. Nur Anwender, die die Verschlüsselungsfunktion nutzen, sind betroffen.

Das GSTOOL unterstützt Anwender bei Erstellung, Verwaltung und Fortschreibung von Sicherheitskonzepten entsprechend dem IT-Grundschutz und wird vor allem von öffentlichen Stellen und Dienstleistern eingesetzt. Die Verschlüsselungsfunktion ist lediglich eine Zusatzfunktion, wird durch die entdeckten Sicherheitslücken aber weitgehend unwirksam: Angreifer können mit alten GSTOOL-Versionen verschlüsselte Dateien innerhalb weniger Minuten mit einem gewöhnlichen Computer ohne Kenntnis des Schlüssels entschlüsseln. Ursache ist die unsachgemäße Schlüsselerzeugung durch falsche Verwendung eines Zufallszahlengenerators. Diese Versionen 3.0-4.7 des GSTOOLs wurden von Steria Mummert Consulting im Auftrag und Namen des BSI entwickelt. <http://de.wikipedia.org/wiki/GSTOOL>

Nicht betroffen ist die Sicherheit der Blockchiffre „CHIASMUS“ an sich, da es sich um Implementierungsfehler in GSTOOL handelt. Das Produkt „CHIASMUS für Windows“ verwendet eine unabhängige Implementierung und wir vermuten, dass es nicht von dieser Schwachstelle betroffen ist

=== Problembeschreibung ===
Die kryptographischen Schlüssel werden mit einem ungeeigneten Verfahren erzeugt, wodurch die Stärke der Schlüssel auf maximal 31 Bit (in der Praxis meist deutlich weniger) beschränkt wird. Dadurch können die Schlüssel innerhalb von Minuten, meist aber in wenigen Sekunden, mittels eines angepassten Brute-Force-Angriffs bestimmt werden. Die mit den betroffenen Versionen von GSTOOL verschlüsselten Dateien können somit mit minimalem Aufwand auch ohne Kenntnis des Schlüssels entschlüsselt werden.

Weitere Probleme sind die Verwendung der Betriebsart ECB für die Blockchiffre sowie das Fehlen von Integritäts- und Plausibilitätsprüfungen für Dateien und Schlüssel.

=== Gegenmaßnamen ===
Die Verschlüsselungsfunktion enthält mehre Fehler, so dass das Problem nicht einfach zu beheben ist. Das BSI hat sich dafür entschlossen, die Funktion ganz aus GSTOOL zu entfernen. Wir halten das für eine sehr gute Entscheidung. Anwender sollten davon ausgehen, dass ihre Chiffrate kompromittiert sind, und sie so weit möglich dort löschen, wo Dritte potentiell Zugang zu den Chiffraten haben (Cloud-Anbieter, Dropbox, unverschlüsselte Laptop-Festplatten, Tablet und Smartphones).

Als Alternative bleibt für öffentliche Stellen der Einsatz von „CHIASMUS für Windows“. Die Software ist allerdings nicht öffentlich zugänglich und der Quellcode wurde nicht veröffentlicht, so dass wir die Sicherheit dieser Software nicht beurteilen können. Die Dateiformate sind ebenfalls nicht kompatibel.

Als beste Lösung sehen wir den Einsatz von Festplattenverschlüsselungssoftware (FDE) für Computer, auf denen mit GSTOOL gearbeitet wird, sowie den Einsatz von GnuPG/Gpg4win für das sichere Verschicken von GSTOOL-Datenbanken. Die Software ist kostenlos nutzbar, der Quelltext ist öffentlich einsehbar, und die Entwicklung wurde vom BSI gefördert. Das BSI selbst empfiehlt dieses Tool explizit: https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ProdukteTools/Gpg4win/gpg4win_node.html

=== Beteiligte ===
Jan Schejbal
Erik Tews
Julian Wälde

=== Ähnliche Forschung ===
Christian Gresser berichtete in seinem Blog „Mitternachtshacking“ bereits 2008 über die Verwendung der Betriebsart ECB: http://www.mitternachtshacking.de/blog/727-snake-oil-alarm-chiasmus-im-gstool

Wie uns nachträglich bekannt wurde, hat Felix Schuster (Ruhr-Uni­ver­si­tät Bo­chum) bereits im Jahr 2009 dieses Problem unabhängig von unserer Forschung entdeckt. Da das BSI nach einer anfängliche Kontaktaufnahme eine Analyse des GSTOOL durch ihn vehement ablehnte, wurde die Arbeit nicht veröffentlicht und das BSI nicht über die Ergebnisse informiert. Eine Präsentation seiner Ergebnisse kann seit Kurzem unter http://prezi.com/bzyvzzdsxtkm/ubicrypt-chm/ abgerufen werden.

GSTOOL-Chiasmus-Chiffrate wurden laut Felix Schuster beim Hack.lu CTF 2011 als eine der Aufgaben verwendet und von einem Teilnehmer erfolgreich geknackt, welcher vermutlich das BSI kontaktiert hat. Details sind uns leider nicht bekannt.

Sofern andere Forscher sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt und/oder das BSI kontaktiert haben, würden wir uns über eine Kontaktaufnahme freuen – Kontaktdaten siehe <http://www.janschejbal.de/impressum.shtml>.

=== Patch ===
Das BSI hat in einem Advisory am 25.11.2011 dazu geraten, die Verschlüsselungsfunktion nicht zu verwenden, alternative Verschlüsselungslösungen einzusetzen und evtl. öffentlich verfügbare verschlüsselte Dateien zurückzuziehen. Das Advisory ist inzwischen nur noch auf Drittseiten auffindbar, z. B. <http://goo.gl/lVoHL>, die Empfehlungen sind jedoch korrekt.

In der Version 4.8 (auch bekannt als „Servicepack 3 für GSTOOL 4.5“) wurde die Verschlüsselungsfunktion deaktiviert. <http://goo.gl/3Sjb5>

=== Timeline ===
Alle Ereignisse in chronologischer Reihenfolge (nicht der Reihenfolge in der sie uns bekannt wurden):

2008-09-24 Blog-Posting von Chrisitan Gresser, Hinweis darauf dass die Verschlüsselung von GSTOOL nicht vollständig sicher ist.
2009 Erste Arbeiten von Felix Schuster, Anfrage beim BSI ob eien Sicherheitsanalyse von GSTOOL erwünscht ist, Anfrage wurde abgelehnt.
2011-09-19 hack.lu CTF
2011 Erste Arbeiten von uns, Analyse. Dabei wurden die Schwachstellen der Implementierung entdeckt.
2011-11-14 Kontaktaufnahme mit dem BSI, Demonstration der Lücke
später exakte Fehlerbeschreibung (telefonisch)
2011-11-25 Advisory des Herstellers, Ankündigung Servicepack

Weitere Kommunikation und Ratschläge zur Fehlerbehebung

2011-12-06 Hinweis von Seiten des BSI, dass sie Reverse Engineering bei GSTOOL ihrer Meinung nach nicht erlaubt ist und Bitte, von der Veröffentlichung von Analyseergebnissen der Chiffre abzusehen.

2011-2013 Mehrfache Statusnachfragen unsererseits

2013-06-06 (ca.) Erscheinen des Servicepacks, keine Benachrichtigung.
2013-07-22 UbiCrypt Summerschool in Bochum mit Vortrag von Felix Schuster
2013-09-11 Veröffentlichung dieses Advisories

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