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Atomkraft: Schwebstofffilter in der Probeentnahmeleitung

2016-07-15 1 Kommentar

Beim Lesen des 2002er-Jahresberichts des Bundesamts für Strahlenschutz ist mir auf Seite 55 etwas seltsames aufgefallen: Beiläufig wurde erwähnt, dass in einer Probeentnahmeleitung eines AKWs ein Schwebstofffilter des Betreibers gefunden wurde, welcher die Messergebnisse verfälschte.

Vor kurzem habe ich mich endlich dazu entschlossen, das BfS mal zu fragen, was es damit auf sich hatte, und habe eine ausführliche und lesenswerte Antwort erhalten. Kurz, es gibt eine Erklärung, die nichts mit böser Absicht des Betreibers zu tun hat, und das Messsystem ist redundant ausgelegt. Auch darüber hinaus enthält die Antwort zahlreiche Details, die zeigen, dass im Hintergrund doch sorgfältiger gearbeitet wird, als man nach der Lektüre des Jahresberichts-Artikels befürchten könnte.

Auch dass sich eine Behörde Zeit nimmt, auf eine einfache Bürgeranfrage eine derart detaillierte Stellungnahme zu schreiben, ist selten. Vielen Dank nochmals an das Bundesamt für Strahlenschutz!

mTAN-Betrugsfälle: Erst der Anfang

2013-10-08 2 Kommentare

Betrugsfälle bei mTAN häufen sich inzwischen genauso, wie sich die Medienberichte darüber häufen. Dass das mTAN-Verfahren nichts taugt, war seit Jahren klar und ich habe bereits Anfang 2011 darüber berichtet.

Die aktuelle Betrugswelle setzt scheinbar auf gezielte Angriffe, bei denen der Mobilfunkanbieter des Opfers getäuscht wird, und schließlich den Betrügern eine Zweit-SIM-Karte mit der Nummer des Opfers überlässt. Im Gegensatz zu den Phishing-Angriffen, die versuchen mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Opfer zu erwischen, geht es hier also um gezielte und relativ aufwändige Angriffe.

Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Angriffe über das Mobilfunknetz stattfinden. Die Sicherheit von GSM (klassischen Mobilfunknetzen) ist inzwischen vorne und hinten zerlegt worden. Mitlesen von SMS ist mit einem normalen Computer, 2 TB an Festplatten/SSDs/USB-Sticks, frei erhältlicher Software und einem einfachen DVB-T-Stick, der bei Amazon rund 20 EUR kostet, möglich. Alternativ gibt es auch aktive Attacken, welche die SMS frei Haus an einen beliebigen Ort in der gleichen Location Area liefern und praktischerweise auch gleich verhindern, dass der rechtmäßige Empfänger die SMS bekommt. Auch die Verschlüsselung von UMTS ist inzwischen zumindest stark angeknackst. Alle diese Sachen sind öffentlich bekannt, und zwar seit Jahren. Das Bestellen von Zweit-SIM-Karten hatte ich bereits in meinem Artikel von 2011 als einen möglichen Angriffsweg von vielen genannt. Ich weiß nicht, ob es schon damals praktiziert wurde und öffentlich bekannt war, oder einfach nur so offensichtlich, dass ich von selbst drauf gekommen bin. Ich tippe auf letzteres, denn zunächst waren Handy-Trojaner das Mittel der Wahl, um an mTANs zu kommen.

Bisher war den Betrügern das Abfangen der SMS im Mobilfunknetz scheinbar zu aufwändig, aber das wird sich ändern, sobald die Mobilfunkbetreiber es schaffen, den betrügerischen Zweitsimkarten-Bestellungen einen Riegel vorzuschieben. Von diesem Angriff wird der Kunde dann erst einmal nichts mitbekommen.

Statt das vermurkste mTAN-Verfahren abzuschaffen und z. B. ChipTAN einzusetzen, was bei korrekter Umsetzung nahezu perfekte Sicherheit bieten würde, verteidigen Banken die mTAN, versuchen einzelne Varianten des mTAN-Betrugs mit kleineren Änderungen abzustellen, und schieben zum Teil die Schuld ihren Kunden in die Schuhe, indem sie immer wieder die Sicherheit des Verfahrens betonen und auf die „Sorgfaltspflicht“ des Kunden hinweisen (Virenscanner etc.). In den oben verlinkten Berichten wird immer wieder erwähnt, dass Kunden zum Teil noch nicht wissen, ob sie ihr Geld zurückbekommen, denn das sei eine Einzelfallentscheidung…

Der Bankenverband geht laut Pressestelle davon aus, dass die Angriffe nicht auf die Praxis übertragbar seien und sich deswegen nicht auf das Onlinebanking auswirken. Beispielsweise sei physischer Zugriff auf die SIM nötig (andere Meinung), physische Nähe zum Mitschneiden (5-35 km laut Folie 13/PDF-Seite 14 dieser Präsentation), die Daten müssen offline und damit verzögert entschlüsselt werden (hier wird der Aufwand bei Verwendung von SSDs auf die Größenordnung von 10 Sekunden geschätzt), die TMSI-Übermittlung sei nötig und nur bei manchen Providern unterstützt (d.h. wenn das tatsächlich ein Hindernis ist, dann nur für manche Netze), und eine stille SMS könne nur der Provider schicken (diese und diese Android-App behaupten es auf gerooteten Geräten zu können, aber evtl. filtern die Provider; nicht getestet – andere Methoden wie kurze Anrufe wurden aber genannt).

Zudem sei die mTAN nur ein Faktor von mehreren (d.h. zusätzlich braucht der Angreifer die PIN). Dieses Argument ist allerdings Humbug, denn das mTAN-Verfahren dient ja gerade dazu, das System auch bei bekannter PIN sicher zu halten – sonst könnte man einfach iTAN weiternutzen oder gar ganz auf TANs verzichten.

Meine Meinung nach ist das wieder mal ein klarer Fall von „Kopf so lange in den Sand stecken, bis die Angriffe so oft passieren, dass man das Problem nicht mehr wegreden kann“, wie damals bei den EC-Karten und seitdem zig anderen Verfahren. Es wird sicher nicht einfach sein, diese Angriffe durchzuführen, was Kriminelle eine gewisse Zeit lang davon abhalten wird. Aber früher oder später wird es passieren – und der Kunde kann nichts tun, um das Abfangen der mTAN zu verhindern, er kann lediglich seine PIN schützen wie schon bei iTAN. Wenn jemand fahrlässig handelt, dann sind es die Banken, die ihre mTANs über unsichere Kanäle verschicken, deren Unsicherheit seit Jahren bekannt ist – und trotzdem immer wieder behaupten, das Verfahren sei sicher. Kurz, ich bleib bei ChipTAN bzw. iTAN und stocke meine strategischen Popcornreserven auf.

Android: Apps können nicht nur Fotos lesen (TitaniumBackup-User aufgepasst!)

2012-03-13 10 Kommentare

Vor einigen Tagen wurde in der Presse berichtet, dass Android-Apps ohne besondere Berechtigungen auf die Fotos des Nutzers zugreifen können. Da ich mich gewundert habe, warum es nur die Fotos betreffen soll, hab ich mal genauer nachgeschaut. Apps können nicht nur „Fotos“ lesen. Apps können, ohne dafür irgendwelche Berechtigungen anfordern zu müssen, den Inhalt des USB-Speichers (/sdcard/) lesen – nur für das Schreiben wird eine Berechtigung gefordert. Das ist laut Android Security Team übrigens kein Bug, soondern ein gut dokumentiertes Feature. Glücklicherweise ist trotzdem geplant, dafür eine Permission einzuführen.

Das bedeutet übrigens, dass derzeit jedes werbefinanzierte Spiel (welches wegen der Werbung immer Internet-Permissions hat), genug Rechte hat, um den gesamten Inhalt des USB-Speichers über das Internet zu verschicken. Das wird insbesondere dann ein großes Problem, wenn man dort z. B. mittels TitaniumBackup auch Backups der App-Daten (die normalerweise vor Zugriff geschützt sind) ablegt.

Nochmal: Wenn man Titanium Backup nutzt, legt man seine App-Daten in einen Ordner, der von jeder App gelesen werden kann!

Ich hab in meinem Handy keine externe SD-Karte, deswegen kann ich nicht prüfen, ob es schwieriger ist, auf dort (/sdcard/external_sd) gespeicherte Daten zuzugreifen, ich glaube aber, dass es damit genauso aussieht.

Ein „chmod 770 /mnt/sdcard/“ funktioniert auf meinem (gerooteten) Galaxy Nexus übrigens nicht. Vermutlich müsste man den Speicher dafür irgendwie mit rootmode=770 remounten. Wenn das überhaupt klappt, dürfte mit Nebenwirkungen zu rechnen sein – Experimentieren auf eigene Gefahr!

In den nächsten Tagen wird es hier noch 1-2 weitere Postings zur Android-Sicherheit geben – während eines Sicherheitstests für Hatforce sind mir nämlich noch andere Dinge aufgefallen.

Massenüberwachung des Internets dürfte ein Fakt sein

2012-01-28 4 Kommentare

Eine Firma hat laut Golem ein Storage-System gebaut, was 10.000.000 Terabyte (!) speichern kann. Wir reden hier nebenbei von ca. 5 Mio. Festplatten nach Angaben der Firma. Der wirklich interessante Teil sind aber folgende Aussagen:

Angesichts des steigenden Internettraffics geht Cleversafe davon aus, dass es 2015 Unternehmen geben wird, die Datenmengen von 80 Exabyte pro Monat analysieren müssen.

sowie der Schlusssatz

Zu den Investoren von Cleversafe gehört unter anderem auch die CIA-Tochter In-Q-Tel.

Im Prinzip steht da unverblümt, dass es „Unternehmen“ gibt, die Internettraffic in großen Massen analysieren. Cisco prognostiziert, dass Ende 2015 der Internettraffic pro Monat *trommelwirbel* 80 Exabyte betragen wird. Es deutet also vieles darauf hin, dass die CIA sämtlichen Traffic global überwacht oder überwachen will, und sich nicht mal sonderlich bemüht, das geheimzuhalten.

Das massiv geschnüffelt wird, ist seit ECHELON eigentlich öffentlich und unbestritten bekannt, auch wenn man es immer wieder gerne verdrängt. Dieses Ausmaß könnte aber vielleicht doch überraschen.

Gleichzeitig gibt es eine Firma namens D-Wave Systems, die behauptet, einen 128-Qbit-Quantencomputer kommerziell anzubieten. Die Behauptung ist natürlich kontrovers und kann durchaus sein, dass es sich dabei um einen Fake handelt. Wären aber derartige Quantencomputer tatsächlich auf dem zivilen Markt erhältlich, wäre meiner Meinung nach davon auszugehen, dass Geheimdienste bereits jetzt leistungsfähige Quantencomputer mit genug Qbits haben, um gängige Schlüssellängen bei RSA und Diffie-Hellman zu brechen. Damit dürften alle gängigen Verbindungen, die asymmetrische Kryptographie nutzen, inklusive solcher, die eigentlich Perfect Forward Secrecy haben, gebrochen sein, auch rückwirkend bezogen auf den in der Vergangenheit gesammelten Traffic.

Als Sahnehäubchen könnte man jetzt noch die Fortschritte bei der Spracherkennungstechnologie nennen, die bereits im zivilen Bereich Transkripte von Anrufbeantworternachrichten erstellt. Das kann man natürlich auch wunderbar verwenden, um Transkripte von abgehörten Gesprächen zu erstellen und sie so maschinenlesbar zu machen.

Schöne neue Welt, nicht?

Karten, Apps und Löcher – Ein Rückblick zum ePerso

2011-11-09 2 Kommentare

Vor knapp über einem Jahr wurde der neue, elektronische Personalausweis eingeführt. Vor einem Jahr und einem Tag wurde die erste Version der AusweisApp veröffentlicht – und vor genau einem Jahr habe ich die massive Sicherheitslücke in der AusweisApp aufgedeckt. Diesen Tag möchte ich daher für einen Rückblick nutzen, und laientauglich die wichtigsten Dinge zum ePerso erläutern: Was ist der ePerso eigentlich? Wie sicher ist er? Wem soll er nutzen? Wer profitiert wirklich davon? Und was ist daraus eigentlich geworden?

Inhalt

  1. Was ist der ePerso?
  2. Sicherheit und Gefahren
  3. Die AusweisApp und ihre Lücke
  4. Der Nutzen des Ausweises
  5. Kosten und Wirtschaftsförderung
  6. Fazit

Was ist der ePerso?

Zum 1. November 2010 hat der „neue Personalausweis“, kurz nPA, den bisherigen Ausweis ersetzt. Der auffälligste Unterschied zum alten Personalausweis ist das von den meisten Bürgern als praktischer empfundene Kreditkartenformat. Der wichtigere Unterschied jedoch ist im Inneren der Plastikkarte versteckt: In der rechten oberen Ecke ist ein Chip eingebaut, mit dem der Ausweis elektronisch genutzt werden kann. Deswegen hieß er auch „elektronischer Personalausweis“, kurz „ePerso“ oder „ePA“, bevor die Regierung merkte, dass dieser Name durch die Kritik am Projekt zu unbeliebt geworden war.

Der Personalausweis ist eine sogenannte kontaktlose Chipkarte. Das bedeutet, dass er per Funk mit dem Lesegerät Kontakt aufnimmt (und von ihm drahtlos mit Strom versorgt wird). Die drahtlose Technik (RFID/NFC) wurde gewählt, weil sich dabei keine Kontakte abnutzen und die Karten und Lesegeräte somit haltbarer sein sollen. (Vielleicht spielte die Idee, einen neuen Standard zu schaffen und die Wirtschaft durch die Einführung von viel neuer Technik zu fördern, auch eine gewisse Rolle.)

Der Chip im Personalausweis ist ein kleiner Computer – mit einem Prozessor, etwas Speicher und der Fähigkeit, Berechnungen durchzuführen. Das soll eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten öffnen, denn der Chip unterstützt gleich mehrere Funktionen: Mit der hoheitlichen Ausweisfunktion können Behörden über den Chip die Echtheit des Ausweises prüfen. Mit der eID-Funktion soll der Nutzer mit dem Ausweis online seine Identität beweisen können. Und zu guter Letzt soll es mit dem Ausweis auch möglich sein Dokumente (wie z. B. Verträge) digital zu unterschreiben. Letzteres ist allerdings schon seit Jahren mit gewöhnlichen und bewährten Signaturkarten möglich.

Hoheitliche Ausweisfunktion

Die auf dem Ausweis aufgedruckten Daten, das Passfoto sowie (falls abgegeben) der Fingerabdruck sind auf dem Chip noch einmal elektronisch gespeichert und können von befugten Behörden gelesen werden. Das soll die Fälschungssicherheit erhöhen, da die Daten auf dem Chip gegen unbefugte Veränderung sehr gut gesichert sind. Die hoheitliche Ausweisfunktion ist immer aktiv und kann nicht ausgeschaltet werden.

eID-Funktion

Mit der eID-Funktion soll es möglich sein, mit dem Ausweis gegenüber einer Website die Identität (oder auch nur das Alter) zu belegen oder sich einzuloggen. Dazu benötigt man ein Lesegerät sowie eine Software, die „AusweisApp“. Über die AusweisApp kommuniziert die Website mit dem Ausweis, und in der App wird auch angezeigt, welche Daten an welchen Empfänger übertragen werden sollen. Damit ein verlorener Ausweis nicht missbraucht werden kann, muss man jedes Mal eine sechsstellige PIN eingeben. Die eID-Funktion kann auf Wunsch ein- und ausgeschaltet werden.

Elektronische Signaturfunktion

Mit einem Lesegerät der höchsten Sicherheitsstufe soll es möglich sein, den Personalausweis für die sogenannte „qualifizierte elektronische Signatur“ zu benutzen. Damit kann man Dokumente mit einer rechtlich verbindlichen digitalen Unterschrift versehen. Da dies mit gewöhnlichen Signaturkarten schon lange möglich ist, spart man lediglich eine Karte ein, wenn die Funktion vom Ausweis mit unterstützt wird.

Derzeit ist die elektronische Signatur mit dem Personalausweis noch nicht möglich.

Sicherheit und Gefahren

Wie sieht es um die Sicherheit des neuen elektronischen Personalausweises aus? Dazu muss man zunächst überlegen, wo überall Probleme lauern könnten: Einerseits ist da natürlich der Ausweis selbst bzw. der Chip darin sowie die Funkverbindung, über die mit dem Ausweis kommuniziert wird. Hier sind starke Sicherheitsmaßnahmen eingebaut. Andererseits spielen aber gerade bei der eID-Funktion auch das Lesegerät, die AusweisApp, der Rechner, auf dem diese läuft, und schließlich der Nutzer selbst eine große Rolle – und hier gibt es zahlreiche Probleme.

Sicherheit der Funkverbindung

Bei einem Ausweis, mit dem berührungslos per Funk kommuniziert werden kann, auch während er in der Geldbörse versteckt ist, stellt sich natürlich als erstes die Frage: Kann der Ausweis unbefugt benutzt oder ausgelesen werden? Kann man mich mit dem Ausweis verfolgen?

Zunächst einmal zur Beruhigung: Die Funkverbindung ist natürlich verschlüsselt. Normale Lesegeräte können mit dem Ausweis nur auf höchstens 10 Zentimeter Entfernung kommunizieren. Speziell gebaute Geräte werden diese Reichweite vermutlich etwas erhöhen können, ein Auslesen aus mehreren Metern ist jedoch rein physikalisch kaum möglich. Der Ausweis ist passiv, das heißt, ohne ein Lesegerät in unmittelbarer Nähe hat er gar keine Stromversorgung. Sorgen, der Ausweis könnte als GPS-Peilsender jederzeit seine Position an irgendwelche Behörden senden, sind also unbegründet.

Selbst wenn ein Lesegerät mit dem Ausweis kommuniziert, soll dieser aber nichts verraten, was den Eigentümer identifizieren könnte – nicht einmal eine Seriennummer, über die man den Ausweis wiedererkennen könnte. Um Daten auszulesen, muss eine der drei Funktionen genutzt werden, auf die im Folgenden genauer eingegangen wird. Es ist aber nicht auszuschließen, dass früher oder später ein Verfahren entdeckt wird, mit dem die Ausweise doch unterschieden und so wiedererkannt werden können.

Sicherheit der hoheitlichen Ausweisfunktion

Das Auslesen der Daten über die hoheitliche Ausweisfunktion soll nur mit einem dazu berechtigten Gerät möglich sein, und auch dann nur, wenn die auf dem Ausweis angegebene sechsstellige Nummer eingegeben wird. So soll sichergestellt sein, dass der Ausweis nie unbemerkt ausgelesen werden kann. Ob ein Zugriff auf den Ausweis tatsächlich nur mit diesen Sicherheitsmaßnahmen möglich ist, kann man jedoch nicht nachprüfen – man muss sich auf die Angaben der Regierung verlassen. Hintertüren, die das unbemerkte Auslesen erlauben, wären problemlos möglich und kaum zu entdecken. Die Reichweite wäre hierbei allerdings immer noch wie oben beschrieben stark beschränkt.

Sicherheit der eID-Funktion

Die Sicherheit der eID-Funktion hängt von zahlreichen Komponenten ab. Neben dem Lesegerät benötigt der Nutzer eine spezielle Software, die AusweisApp, um diese Funktion nutzen zu können. Die erste Version der AusweisApp war aufgrund einer direkt nach der Veröffentlichung entdeckten Sicherheitslücke ein offenes Einfallstor für Computerviren.

Es gibt drei Arten von Lesegeräten: Die „Basisleser“, die steuerfinanziert in großer Zahl verteilt wurden, die „Standardleser“ und die „Komfortleser“. Die Komfortleser bieten hierbei die größte Sicherheit, müssen aber vom Nutzer selbst gekauft werden (und waren zum Start des Ausweises noch nicht verfügbar). Die billigen Basisleser hingegen haben keine eigenen Sicherheitsfunktionen. Insbesondere muss die PIN des Ausweises auf dem Computer eingegeben werden – wo sie z. B. von Viren abgefangen werden kann.

Da die AusweisApp normalerweise von einer Website gestartet wird, ist es für den Nutzer schwierig, ein gefälschtes AusweisApp-Fenster zu erkennen – wenn er dort seine PIN eingibt, wird sie dem Angreifer, z. B. Kriminellen, bekannt. Der Angreifer benötigt jedoch noch Zugriff auf das Lesegerät, um den Ausweis mit der PIN missbrauchen zu können. Eine Zusatzsoftware, die zu einem der „Starter-Kits“ mit Basisleser gehört, ermöglicht diesen Zugang – und somit den Ausweismissbrauch.

Bei den Komfortlesern wird die PIN am Lesegerät eingegeben, wo sie von Viren nicht mehr abgefangen werden kann. Erst mit einem solchen Gerät wäre eine halbwegs sichere Nutzung des Personalausweises wirklich möglich. Leider wurden gerade die unsicheren Basisleser in großer Zahl verteilt – die Sicherheit wurde in den Hintergrund gerückt, um möglichst viele Geräte verteilen zu können.

Für die eID-Funktion gilt ein niedrigeres Sicherheitsniveau als für die Signaturfunktion. Deswegen kann darüber zwar z. B. bei einer Onlinebestellung die Identität des Käufers geprüft werden, aber eigentlich dient die Prüfung nicht dazu, eine Transaktion wie z. B. den Kauf zu bestätigen – offiziell zumindest nicht. Wenn aber der Händler zeigen kann, dass sich der Käufer mit dem eID-Verfahren  ausgewiesen hat, wird der Ausweisinhaber kaum in der Lage sein, den Kauf zu bestreiten – auch im Fall eines Missbrauchs der eID-Funktion. Dieser Anscheinsbeweis über die Ausweisfunktion wird in der Praxis so zur Signatur – obwohl die Funktion dafür nie gedacht war und das Sicherheitsniveau daher auch nicht ausreichend hoch ist.

Dem Ausweisnutzer bietet der Ausweis in dieser Hinsicht also nicht mehr, sondern weniger Sicherheit: Bisher lag die Beweislast beim Händler, bei einer missbräuchlichen Bestellung unter falschem Namen blieb er auf dem Schaden sitzen. Mit dem ePerso wird ein Missbrauch zwar schwieriger, das Risiko wird aber auf den Ausweisinhaber abgewälzt.

Innenministerium und BSI werden nicht müde, nach jedem Angriff auf die eID-Funktion zu betonen, dass der Ausweis selbst sicher sei. Das ist jedoch ungefähr so sinnvoll, wie die Sicherheit einer Panzertür zu betonen, neben der ein offener Dienstboteneingang steht, der in den gleichen Raum führt.

Sicherheit der Signaturfunktion

Die Signaturfunktion kann man aktuell wohl als die sicherste Funktion des Ausweises bezeichnen – sie existiert schlichtweg noch nicht. Geht man davon aus, dass die Kommunikationsprotokolle ordnungsgemäß funktionieren, dürfte die Sicherheit mit gewöhnlichen Signaturkarten vergleichbar sein. Für die Nutzung der Signaturfunktion wird zwingend ein „Komfortleser“, also ein Lesegerät der höchsten Sicherheitsstufe benötigt, wodurch ein recht hohes Sicherheitsniveau erreicht wird.

Derzeit gibt es widersprüchliche Angaben, ob das sogenannte Signaturzertifikat über die eID-Funktion beantragt werden kann. Wäre dies möglich, würde die hohe Sicherheit der qualifizierten elektronischen Signatur untergraben: Wer die schwächer geschützte eID-Funktion knackt, könnte sich auf den Namen des Opfers ein Signaturzertifikat ausstellen lassen und damit dann falsche Signaturen erzeugen.

Politische Missbrauchsgefahr

Nicht zu unterschätzen ist beim ePerso auch die Missbrauchsgefahr auf politischer Ebene. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer, der auch Vorsitzender der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ist, hat beispielsweise gefordert, anonyme Diskussionen im Internet zu verbieten – und den Personalausweis zur Durchsetzung der Klarnamenspflicht zu verwenden. Das ist leider keine verirrte Einzelmeinung: In einem öffentlich gewordenen internen Positionspapier der Unionsfraktion findet sich die Aussage: „Eine anonyme Teilhabe am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess ist abzulehnen.“

In vielen Fällen ist die Möglichkeit, sich anonym zu äußern, aber Voraussetzung dafür, dass man sich überhaupt frei und unbeschwert äußern kann. Sei es, weil man in einem erzkonservativen bayrischen Dorf lebt und die katholische Kirche kritisieren will, oder weil man (ob begründet oder unbegründet spielt keine Rolle!) Angst hat, wegen seiner Meinung zukünftig staatlichen Repressalien ausgesetzt zu werden. Eine solche Forderung untergräbt daher massiv die Meinungsfreiheit. Der ePerso schafft die Voraussetzung dafür, eine solche Regelung umzusetzen.

Solange solche Forderungen regelmäßig aufkommen, muss man überlegen, ob die Möglichkeiten, die der ePerso bietet, nicht zu gefährlich sind.

Die AusweisApp und ihre Lücke

Anfangs noch „Bürgerclient“ genannt, bekam das Programm, welches den elektronischen Personalausweis mit dem Internet verbinden soll, bald wie auch der ePerso selbst einen „moderneren“ Namen: „AusweisApp“. Das soll die Akzeptanz erhöhen. Aber was ist diese AusweisApp eigentlich?

Der ePerso soll auch im Internet einsetzbar sein – man soll sich damit auch gegenüber Webseiten ausweisen können. Dazu muss der Ausweis irgendwie mit der Website Kontakt aufnehmen können. Die AusweisApp vermittelt zwischen Website und Lesegerät und erlaubt es dem Nutzer auch, beispielsweise seine PIN zu ändern oder die Identität einer Website anzuzeigen, die Ausweisdaten anfordert.

Auch wenn viele denken, die AusweisApp sei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelt worden, wurde die Software von der Firma OpenLimit  programmiert. Unter anderem um Vorwürfe zu entkräften, die AusweisApp würde den „Bundestrojaner“ beinhalten, also eine Spionagesoftware für die Durchführung von Onlinedurchsuchungen, wurde zunächst zugesichert, den Quellcode des Programms offenzulegen. Dadurch könnten zumindest IT-Fachleute sich die inneren Funktionsweisen der Software anschauen. Gleichzeitig trägt eine solche Vorgehensweise auch dazu bei, dass Fehler schneller entdeckt werden, weil die Software von mehr Menschen unter die Lupe genommen wird. Das wurde beim Erscheinen der AusweisApp allerdings auf „später“ verschoben.  In einer Antwort auf eine Bürgeranfrage gab das BSI inzwischen zu, den Quellcode nicht einmal selbst geprüft zu haben – dies sei auch „nicht Bestandteil der Zertifizierung“.

Nachdem man das rund 50 MB große Paket heruntergeladen und installiert hat, verbraucht das Programm im Leerlauf üppige 130 MB Arbeitsspeicher, sobald es gestartet wurde (was auch eine ganze Weile dauert).

Der „AusweisApp-Hack“

Wie genau funktioniert aber der Angriff auf die AusweisApp, der einen Tag nach dem Erscheinen bekannt wurde?

Weil Software sich schnell weiterentwickelt und oft Fehler nachträglich korrigiert werden müssen, hat die AusweisApp eine eingebaute Updatefunktion. Bei jedem Start fragt die Anwendung bei einem Server nach, ob neue Updates zur Verfügung stehen. Wenn ja, werden diese heruntergeladen und zur Installation angeboten. Damit auf diesem Wege nur echte Updates und nicht z. B. Viren auf den Rechner des Nutzers gelangen, wird für die Update-Prüfung eine gesicherte Verbindung verwendet – die gleiche Technik, die auch beim Onlinebanking genutzt wird und eigentlich sicher ist.

Beim Aufbau einer solchen Verbindung muss der Server ein Zertifikat vorlegen. Die AusweisApp prüft nun, ob das Zertifikat gültig ist, von einer vertrauenswürdigen Stelle ausgestellt wurde und ob es tatsächlich dem Server gehört, mit dem die AusweisApp spricht – aber in der ersten Version prüfte sie nicht den Servernamen, der darin steht. Das kann man sich etwa so vorstellen, dass ein Pförtner den Auftrag hat, nur eine bestimmte Person ins Gebäude zu lassen. Kommt nun jemand an, prüft der Pförtner zwar, ob sein Ausweis echt und noch gültig ist und ob das Foto zur Person vor ihm passt – aber nicht, ob der Name im Ausweis mit dem Namen der Person übereinstimmt, die herein darf. (Der Vergleich mit dem Ausweis ist bildlich gemeint – das Zertifikat hat nichts mit der Ausweisfunktion des ePerso zu tun!)

Ein Angreifer, dem es gelingt, die Verbindung auf seinen eigenen Server umzulenken, kann sich somit gegenüber der AusweisApp in der ersten Version mit seinem eigenen Zertifikat „vorstellen“, und die AusweisApp akzeptiert dies anstandslos. So eine Umleitung ist auf viele Arten möglich, und sobald die Verbindung steht, kann ein Angreifer ein gefälschtes Update übertragen.

Das ist ein Programmierfehler, der zwar vergleichsweise leicht passiert, bei einem solchen Programm aber eigentlich nicht passieren bzw. es zumindest nicht in die fertige Version schaffen sollte. Überraschenderweise hatten die Entwickler jedoch noch eine zweite Sicherheitsebene eingebaut. Die Updates werden in Form einer ZIP-Datei heruntergeladen. Diese wird zunächst entpackt, und im Anschluss wird geprüft, ob das darin enthaltene Installationsprogramm ein gültiges „digitales Siegel“ (eine sogenannte Signatur) trägt. Ist dies nicht der Fall, wird das Paket sofort wieder gelöscht.

Hier schlägt aber ein zweiter Fehler zu: Wer schon einmal mit ZIP-Dateien gearbeitet hat, weiß, dass diese Ordner enthalten können. Der Ordnername „..“ hat im Computer eine besondere Bedeutung – er steht für „eine Ebene höher“. Beim Auspacken der ZIP-Datei bemerkt die AusweisApp nicht, wenn ein Ordner mit einem solchen Namen enthalten ist, und packt den Inhalt entsprechend an einen Ort aus, wo der Angreifer ihn haben will, er aber nicht hingehört. Gelöscht wird auch nur der Inhalt des Verzeichnisses, in welches die Dateien eigentlich entpackt werden sollen. Wenn der Angreifer also eine passende ZIP-Datei liefert, landet  seine Datei, z. B. ein Virus, auf Wunsch im Autostartordner des Computers – und wird, wie der Name schon sagt, beim nächsten Start des Computers automatisch gestartet.

Hat ein Angreifer erst einmal einen Virus auf dem Rechner installiert, befindet sich das System unter vollständiger Kontrolle des Angreifers. Er kann sämtliche Daten kopieren, verändern oder löschen, Onlinebanking-Verbindungen angreifen, Tastatureingaben und Passwörter stehlen und schließlich auch die PIN des Ausweises erfassen, falls der Nutzer diese am Computer eingibt. Die Bildschirmtastatur der AusweisApp vermittelt hier ein trügerisches Gefühl der Sicherheit – genauso wie ein Virus Tastatureingaben protokollieren kann, kann er auch Mausklicks und Bildschirminhalte erfassen.

Auch wenn das BSI behauptet, dass durch diesen Angriff die AusweisApp selbst und die persönlichen Daten auf dem Ausweis nicht gefährdet seien – mit der gestohlenen PIN kann der Angreifer dann selbstverständlich auch den Ausweis nutzen, wenn dieser auf dem Lesegerät liegt, und selbstverständlich kann ein Virus beliebige Software auf dem infizierten Rechner verändern – auch die AusweisApp. Diese Möglichkeiten sind bekannt, seit der CCC im September 2010 einen entsprechenden Angriff vorgestellt hatte. Die Voraussetzung für die sichere Nutzung des Personalausweises ist ein sicherer Rechner – und genau diese Sicherheit hat die erste Version der AusweisApp untergraben.

Der Hinweis, den Ausweis nur aufzulegen, wenn man ihn benutzen möchte, ist ebenfalls Augenwischerei: Für eine missbräuchliche Transaktion braucht ein Virus nur Sekunden.

In der aktualisierten Version der AusweisApp wurde übrigens nicht nur die Lücke geschlossen: Gleichzeitig wurde – im direkten Widerspruch zu den Open-Source-Versprechungen – die Analyse erschwert, indem Teile des Programmcodes verschleiert und unzugänglich gemacht wurden.  Aus welchem Grund das geschah, ist unklar – vielleicht, weil noch andere peinliche Lücken behoben wurden und einen Vergleich der alten und neuen Version verhindern werden soll, vielleicht, um die Aufdeckung weiterer Lücken zu erschweren, oder vielleicht aus ganz anderen Gründen. Die Befürchtung, die AusweisApp könnte einen Bundestrojaner beinhalten, wird diese Maßnahme sicherlich weiter schüren. Wer kein Windows hat, musste sich sowieso noch gedulden: Die aktualisierte Version der AusweisApp für Linux erschien erst über ein halbes Jahr später. Eine Version für MacOS ist für Ende 2011 angekündigt.

Der Nutzen des Ausweises

Was der Ausweis bringen soll, ist bekannt – doch was bringt er tatsächlich?

Der Hauptvorteil für die meisten Bürger dürfte das handlichere Format sein. Das wäre allerdings auch ohne Funkchip, biometrisches Passfoto und (derzeit noch freiwillige) Erfassung der Fingerabdrücke möglich. Für den ePerso ist es also kein Argument.

Die hoheitliche Ausweisfunktion soll die Fälschungssicherheit erhöhen. Allerdings sind Fälschungen deutscher Ausweisdokumente aufgrund der ganz normalen Sicherheitsmerkmale wie Wasserzeichen, Hologramme und Spezialfarben bereits jetzt extrem selten: In der Zeit von Januar 2001 bis September 2007 – also in über fünf Jahren – weist die Polizeistatistik gerade mal 216 Fälle von Fälschungen oder Verfälschungen von Personalausweisen auf, wie die Regierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zugeben musste.

Der zusätzliche Schutz kann außerdem nur dann wirken, wenn der Ausweis zusätzlich zur Sichtkontrolle auch elektronisch geprüft wird. Auch die Fälschungssicherheit ist also kein wirkliches Argument für den ePerso.

Als Hauptvorteil wird meist die Internet-Ausweisfunktion genannt. Damit ein Seitenbetreiber diese nutzen kann, muss er jährlich rund 6000-8000 Euro für die nötigen Systeme zahlen. Je nach dem, was benötigt wird, kann er nun die Identität oder das Alter der Besucher prüfen oder den Besuchern erlauben, sich über den ePerso einzuloggen. Zumindest bei den Nutzern, die einen neuen Ausweis haben, ihre PIN kennen, ein Lesegerät besitzen, eine funktionierende AusweisApp installiert haben und bereit sind, dieses Verfahren auch tatsächlich zu nutzen – andere werden abgeschreckt oder abgewiesen.

Auch wenn eine Identitätsprüfung für den Anbieter natürlich wünschenswert ist, überwiegen doch die Nachteile. Der Kunde hat aus der Nutzung der für ihn umständlichen Identitätsprüfung über den Ausweis gar keinen Vorteil. Im Gegenteil: Im Falle eines Missbrauchs muss er für den Schaden haften.

In einem Bereich macht die eID-Funktion hingegen Sinn: Bei einigen Behörden lassen sich Informationen nun online einholen und Anträge online abgeben, für die man sonst die Behörde besuchen müsste. (Böse Zungen würden sagen, dass der Ausweis nur dort eingesetzt werden kann, wo der „Kunde“ keine Wahl hat.)

Ein Login über den ePerso hätte für den Nutzer den Vorteil, dass er sich keine Passwörter merken muss und gegenüber einem einfachen Login mit Passwort die Sicherheit tatsächlich leicht erhöht wird. Wenn der Ausweis kaputt geht, verloren wird, die AusweisApp nicht richtig funktioniert oder ähnliches, wird aber der Nutzer ausgesperrt – und der Anbieter verliert möglicherweise einen Kunden.

Daher ist auch diese Anwendungsmöglichkeit weit weniger attraktiv, als sie klingt. Außerdem wäre sie – ohne die mit einer staatlichen Lösung verbundene Bürokratie – mit existierenden und bewährten Systemen zu einem Bruchteil des Preises umsetzbar gewesen. Banken haben mit dem ChipTAN-Verfahren sowieso längst ein Verfahren entwickelt, was günstiger, einfacher und sicherer ist.

Eine weitere Anwendung des ePerso ist noch erwähnenswert: Die Altersverifikation. Wie bereits erwähnt kann man über die eID-Funktion nicht nur die Identität, sondern auch nur das Alter belegen – und zwar anonym. Das ist deswegen interessant, weil das deutsche Jugendschutzrecht für nicht jugendfreie Inhalte eine Altersverifikation zwingend vorschreibt. Deutschen (Erotik-)Anbietern ist es so bisher nur schwer möglich, solche Inhalte bereitzustellen. Das soll sich mit dem Ausweis ändern. Angesichts der bereits erwähnten Kosten für den Anbieter ist jedoch fraglich, ob die Situation dadurch wirklich verbessert wird. Statt mit dem ePerso ließe sich das Problem schließlich auch lösen, indem die Jugendschutzregelungen auf ein vernünftiges Niveau zurückgefahren werden. Dem Jugendschutz im Netz würde das nicht schaden – ausländische Anbieter bieten nicht jugendfreie Inhalte schon immer ohne besondere Altersüberprüfung an.

Die Anzahl der Anbieter, die eID nutzen, ist dementsprechend gering: Derzeit sind es laut offizieller Website gerade einmal 30 Stück. Damit ist der Ausweis auch für die Bürger relativ nutzlos, da man ihn nur an wenigen Stellen einsetzen kann. Auch wo der ePerso genutzt werden kann, nimmt kaum jemand die Möglichkeit wahr: Im ersten Jahr nach der Einführung der neuen Ausweise haben bei der deutschen Rentenversicherung gerade einmal 300 Nutzer die eID-Funktion genutzt. Nur ein Drittel der Ausweise ist überhaupt für diese Funktion freigeschaltet.

Die Signaturfunktion wäre zwar nützlich, ist aber einerseits noch nicht nutzbar und kann andererseits auch genauso gut oder besser mit regulären Signaturkarten realisiert werden. Das ELENA-Verfahren, bei welchem zahlreiche Daten über die Tätigkeit von Angestellten zentral erfasst werden, sollte ursprünglich die digitale Signatur zur Abfrage der Daten nutzen. Inzwischen hat die Regierung jedoch eingesehen, dass das Projekt mehr schadet als nutzt und beschlossen, es demnächst einzustellen. Damit haben die meisten Bürger keinen Grund, die elektronische Signatur zu nutzen.

Ohne die anonyme/pseudonyme Altersverifikations- und Loginfunktion hätte man die Ausweisfunktion übrigens auch mit bestehender, günstiger und bewährter Technik (Zertifikatskarten) umsetzen können. Für den wichtigsten Zweck (Identitätsbestätigung, insbesondere gegenüber Behörden) wäre dies völlig ausreichend, das System wäre weltweit kompatibel und es wären kaum Neuentwicklungen nötig. Aber vielleicht ist letzteres ja gerade der Grund, warum dieser Weg nicht gewählt wurde:

Den größten Nutzen vom neuen Personalausweis haben nämlich immer noch die Firmen, die an der Herstellung der Ausweise und der dafür nötigen Geräte beteiligt sind.

Kosten und Wirtschaftsförderung

Vollmundig hat die Regierung angekündigt, dass der neue elektronische Personalausweis den Bürgern endlich Sicherheit im Netz bringen würde. Wenn man sich allerdings im Bekanntenkreis umhört, interessieren sich die Menschen mehr für das handliche Kreditkartenformat.

Der entscheidende „Vorteil“ des Chip-Perso ist jedoch ein anderer: Die Einführung der neuen Technik kommt der Wirtschaft zugute. Die Bundesdruckerei, eine privatisierte GmbH die erst seit 2009 wieder in Staatsbesitz ist, stellt zwar die Ausweise her, die Chips werden aber von der niederländischen Firma NXP sowie dem deutschen Chiphersteller Infineon geliefert. Billig sind solche Chips natürlich nicht, und der Bürger darf zahlen: Statt wie bisher 8 Euro kostet ein Personalausweis nun 28,80 Euro – was bei 6,5 Millionen neuen Ausweisen pro Jahr insgesamt rund 187 Millionen jährlich sind – und somit pro Jahr rund 135 Millionen mehr als bisher.

Die Lesegeräte werden hauptsächlich von den zwei deutschen Unternehmen REINER SCT und SCM Microsystems hergestellt. Um den Einsatz des ePerso zu fördern, hat die Regierung Steuergelder in Höhe von 24 Millionen dafür ausgegeben, rund 1,5 Millionen „Sicherheitskits“ an Unternehmen wie Versicherungen und Zeitschriftenverlage zu verschenken oder verbilligt abzugeben. Diese können die „Sicherheitskits“ dann mit ihren Produkten bündeln und so – mit  Steuergeldern – Werbung für sich machen. Dazu kommen nochmal rund 16 Millionen Einführungskosten, zusammen also 40 Millionen Euro.

Bei den so geförderten Geräten handelt es sich allerdings um die „Basisleser“, welche so unsicher sind, dass Experten von der Nutzung abraten. Diese Geräte in dieser Stückzahl unters Volk zu bringen war also nicht nur eine gigantische Geldverschwendung, sondern auch noch höchst gefährlich. Die Signaturfunktion („qualifizierte elektronische Signatur“) kann auch erst mit den Lesegeräten der höheren Sicherheitsstufe genutzt werden. Diese sogenannten „Komfortlesegeräte“, mit denen der Ausweis erst vollständig genutzt werden kann, haben eine unverbindliche Preisempfehlung von schlappen 159 EUR pro Stück. (Zum Vergleich: Lesegeräte der entsprechenden Sicherheitsklasse für klassische Kontakt-Chipkarten, die nicht per Funk arbeiten, gibt es schon für knapp 40 Euro.)

Apropos Signaturfunktion: Für diese benötigt man ein Signaturzertifikat, welches von einer vertrauenswürdigen Stelle ausgestellt werden muss. Technisch ist das ein relativ anspruchsloser Vorgang – man benötigt lediglich eine sichere Umgebung, in der die verwendeten digitalen Schlüssel nicht gestohlen werden können, und die Identität des Inhabers muss geprüft werden. Das könnte also alles mit minimalem Zusatzaufwand bei der Bundesdruckerei (Erstellung in sicherer Umgebung) und den Bürgerämtern (Identitätsprüfung und Aushändigung) gemacht werden. Könnte – die Ausweise werden ohne Signaturzertifikat ausgeliefert. Dieses kann sich der Bürger dann – für rund 20 Euro pro Jahr – bei einer privaten Zertifizierungsstelle ausstellen lassen. Wahlweise auch auf einer normalen Kontakt-Chipkarte, ein ePerso ist dafür nämlich eigentlich gar nicht nötig.

Eine der größten Hoffnungen im Bezug auf den ePerso ist es jedoch, einen neuen Standard international zu etablieren – in der Hoffnung, dass deutsche Unternehmen dann die entsprechenden Produkte im Ausland anbieten können. Es ist zu befürchten, dass einige Entscheidungen auch mit Blick auf diese Möglichkeit getroffen wurden – auf Kosten der Sicherheit und statt auf existierende und bewährte Lösungen zu setzen. Kontaktlose Chipkarten bieten zwar auch einige Vorteile, bringen dafür aber einiges an Risiken und Komplexität mit sich – und damit natürlich auch Forschung und wirtschaftliches Potential.

Fazit

Wie viele staatliche IT-Großprojekte ist auch der elektronische Personalausweis gescheitert. Die Sicherheit entspricht nicht den Anforderungen, die ein solches Projekt erfüllen müsste – was man auch an der erheblichen Sicherheitslücke in der AusweisApp sieht, die direkt nach der Veröffentlichung aufgedeckt wurde.

Der elektronische Ausweis bietet Lösungen, wo es keine Probleme gibt: Er soll die Fälschungssicherheit eines Dokuments erhöhen, was als eines der fälschungssichersten weltweit gilt. Er soll die elektronische Signatur ermöglichen, die längst möglich ist. Lediglich die Ausweisfunktion ist neu – und die Teile davon, die wirklich nötig wären, hätte man auch mit bestehender Technik einfacher haben können.

Der Nutzen für die Bürger hält sich in Grenzen: Behördengänge sind bei einigen wenigen Behörden online möglich, ansonsten kann der Ausweis kaum irgendwo genutzt werden. Die Akzeptanz ist gering, selbst wo der Ausweis genutzt werden kann, tun das nur sehr wenige Nutzer. Neben den bekannt gewordenen Sicherheitslücken verursacht der Ausweis neue Gefahren. Bei Onlineeinkäufen könnte er das Risiko vom Händler auf die Kunden verlagern, und er bietet gegenwärtigen und zukünftigen Regierungen ein mächtiges Instrument, um anonyme Meinungsäußerung im Internet zu unterdrücken – entsprechende Wünsche werden vor allem aus Reihen der Union auch regelmäßig geäußert.

Die Einführung des neuen elektronischen Personalausweises hat viel Geld gekostet. Angesichts der offensichtlichen Wünsche, ein exportierbares Produkt zu entwickeln, wird deutlich, dass Wirtschaftsförderung zumindest ein Grund für die Einführung war – wenn nicht sogar der Hauptgrund, hinter dem andere Aspekte zurücktreten mussten. Der Großteil der Kosten aber fällt ständig mit der Ausstellung neuer Ausweise an – und muss über die Ausstellungsgebühren direkt von den Bürgern getragen werden. Da die jährlichen Kosten die Einführungskosten massiv übersteigen, ist es nie zu spät, das Projekt einzustampfen, und wieder chipfreie Ausweise auszugeben. Den für die Bürger größten Vorteil des neuen Personalausweises kann man dabei sogar beibehalten: Das handliche Kreditkartenformat.

Für die Wirtschaft bleibt ja noch der ePass, die elektronische Gesundheitskarte, DE-Mail, ggf. eine Neuauflage von ELENA, und sicher noch andere „sinnvolle“ Projekte…

Schlechte Nachrichten für Bürgerrechte

2011-11-07 5 Kommentare

Leider bin ich nicht direkt dazu gekommen, diese Zusammenfassung zu schreiben, aber vielleicht ist es ja auch besser, diese „tollen“ Beschlüsse unserer Regierung mal gesammelt zu sehen, nachdem man sie schon vergessen wollte. Um den folgenden Mist zu beschließen, haben die Parlamente übrigens nur zwei Tage (27. und 28.10.) gebraucht.

Fangen wir an mit dem Beschluss, dass das Erststudium nicht als Werbungskosten absetzbar ist. Über den Sinn dieser Änderung kann man sich streiten, aber der wirkliche Hammer kommt zum Schluss: Um die armen Besserverdiener unter den Studierenden nicht zu überlasten, können z. B. teure Privatunis jetzt besser abgesetzt werden. Unsere Regierung kann wohl nichts beschließen, ohne der FDP-Klientel noch ein paar Geschenke mit einzupacken.

Weiter gehts mit dem „Schuldenschnitt“ für Griechenland. Statt einem wirklichen Schuldenschnitt (ein Teil der Schulden verfällt) sollen die (wertlosen) Griechenland-Anleihen zu 50% des Nennwerts (also deutlich über dem tatsächlichen Wert) in europäische oder von der EU garantierte Anleihen umgetauscht werden. Statt einem Schuldenschnitt gibt es also auch hier Geschenke, diesmal vor allem für die Banken.

Dafür wollte unsere Regierung auch mal was dem Volk schenken, zum Beispiel kostenlose Warteschleifen und ein Ende des Abofallenbetrugs im Internet. In der entsprechenden Reform des Telekommunikationsgesetzes hat sie leider „vergessen“, Breitband-Internet zum Universaldienst zu machen (womit die Anbieter wie bei Trinkwasser und Telefon verpflichtet wären, es überall bereit zu stellen). Auch die Netzneutralität, die eigentlich in die Reform rein sollte, ist wohl nicht so ganz verankert worden. Dafür wurde in dem netten Paket mal eben die Vorratsdatenspeicherung versteckt – und zwar in letzter Sekunde und dann schnell beschlossen, damit das Parlament ja nicht merkt, worüber es gerade abstimmt.Zwar ist die neue Vorratsdatenspeicherung nicht verpflichtend, aber dafür dürfen die Provider jetzt freiwillig speichern. Angesichts dessen, dass viele das schon bisher (illegal!) getan haben, dürfte sich ein großer Datenberg ansammeln, aus dem sich die Ermittlungsbehörden bedienen können. Somit hat die Regierung zwar mal wieder „Für unsere Bürger“ auf das Paket draufgeschrieben, mit dem Inhalt spielen werden aber vor allem die Ermittlungsbehörden. Einige populäre Verbesserungen beim Verbraucherschutz (die durchaus dringend nötig waren!) hat die Regierung aber doch reingepackt – vermutlich, um es dem Bundesrat schwerer zu machen, das Gesamtpaket abzulehnen. Der Bundesrat ist nämlich fest in der Hand der Opposition, und dort muss das Gesetz noch durch. Hier ist die Hoffnung also noch nicht ganz verloren – auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Verräterpartei ihrem Namen wieder gerecht wird, obwohl sie im Bundestag dagegen gestimmt hat.

Aber wo wir bei Überwachungsgeschenken sind: Die Linke hat beantragt, jemandem etwas wegzunehmen. Nämlich der Polizei das Recht, den Bundestrojaner zu nutzen, nachdem diese gezeigt hat, wie „verantwortungsvoll“ sie damit umgehen kann (zur Erinnerung). Dass der Antrag gegen die Stimmen von Union und FDP keine Chance hat, war klar. Dennoch konnte die SPD (als Oppositionspartei!) sich nicht nehmen lassen, gegen den Antrag und somit für den Bundestrojaner zu stimmen. Würde jeder Missbrauch eines Überwachungsrechts dazu führen, dass es eingeschränkt oder zurückgenommen wird, würden die Ermittlungsbehörden vielleicht lernen, damit verantwortungsvoller umzugehen. Schade, dass diese Chance, hier den Anfang zu machen, verpasst wurde.

Stattdessen hat die Bundesregierung lieber mal die Anti-Terror-Gesetze verlängert – und nebenbei noch ein wenig verschärft, indem sie z. B. Geheimdiensten die „Selbstbedienung“ an den Flugreisedaten erlaubt haben. Auch hier hat die SPD sich wieder einmal als Verräterpartei betätigt und trotz Oppositionsrolle gegen Bürgerrechte und für die Verlängerung gestimmt. Ach, und wo wir schon bei „Anti-Terror“ sind, hier noch ein alter, aber guter Artikel von heise/c’t zur Anti-Terror-Datenbank, wo man sieht, was da so alles gespeichert wird. Die Lobby, die dafür sorgt, dass solche „Sicherheits“gesetze produziert werden, hat übrigens Jörg Tauss für Gulli aufgedeckt.

Das Europäische Parlament hat sich natürlich nicht lumpen lassen und gleichzeitig ein Abkommen beschlossen, nach dem Australien die Flugreisedaten erhält und fünfeinhalb Jahre speichern darf. Mit 463 zu 96 Stimmen übrigens, falls noch irgendwelche Hoffnungen bestanden, das EU-Parlament würde sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzen. Die übermittelten Daten enthalten unter anderem Kreditkarten- und Telefonnummern, IP-Adressen und besondere Essenswünsche (aus denen vermutlich auf die Religion geschlossen werden soll, die nicht explizit übermittelt wird). Auch ein nettes Geschenkpaket, oder?

Das einzig halbwegs Erfreuliche waren die Nachrichten über den ePerso ein paar Tage später. Schade um die verschwendeten Steuergelder, aber gut für die Bürgerrechte – wie erwartet folgte der ePerso dem Schicksal der meisten IT-Großprojekte von Bundesregierungen und wurde ein grandioser Fehlschlag: Sicherheitslücken ohne Ende, kaum Angebote, kaum Nutzer bei bestehenden Angeboten, nicht einmal die Hälfte der Ausweise mit aktiver eID-Funktion – aber leider auch schon wieder Ideen, wie man den Perso z. B. mit einer DNA-Datenbank „verbessern“ könnte.

Oft übersehene Lügen zum Bundestrojaner

2011-10-11 16 Kommentare

In der derzeitigen Debatte zum Bundestrojaner werden ein paar Dinge oft von der Presse übersehen und von den Verantwortlichen falsch dargestellt. Die zwei Wichtigsten nehme ich hier mal auseinander (Liste wird ggf. noch ergänzt):

Behauptung:
„Beim Einsatz der Trojaner wurden alle rechtlichen Vorgaben eingehalten“

GELOGEN In Bayern hat einer der Trojaner Screenshots angefertigt. Das war nach rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts rechtswidrig. Illegal, verboten, gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßend. Unbestreitbar, ohne wenn und aber. Die (leider von der Presse oft übernommene) Behauptung, die rechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, ist also eine dreiste Lüge. Konkret hatte das Bayrische Innenministerium behauptet:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden.

Auf Unwissenheit wird man sich hier angesichts der Bekanntheit des Urteils kaum berufen können.

Behauptung:
„Trojaner werden nur zur Verfolgung schwerer Straftaten wie Terrorismus verwendet“

GELOGEN In den bekannten Fällen handelt es sich einmal um Drogenhandel, einmal um möglicherweise nach Betäubungsmittelgesetz illegale Ausfuhr von zugelassenen Medikamenten und einmal um Diebstahl, siehe Fefe.

Noch Ärgerlicher ist allerdings, dass die Gelegenheit genutzt wird, Forderungen nach mehr (!) Überwachungsbefugnissen zu stellen. Die GDP (Gewerkschaft der Polizei, nicht zu verwechseln mit der DPolG oder dem BDK) fordert einen „sauberen rechtlichen Rahmen“, will also ein Gesetz, was die Überwachung erlaubt.

Wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, dann ist die richtige Reaktion darauf in der Regel, ihn in den Knast zu stecken, und nicht, den Gesetzesbruch zu legalisieren! Wenn Vertrauen und bestehende Privilegien missbraucht werden, dann gehören diese Privilegien entzogen, nicht ausgeweitet.

Meiner Meinung nach müssten:

  • Sämtliche Verantwortlichen (und nicht nur ein paar Bauernopfer) zur Rechenschaft gezogen werden. Das beinhaltet insbesondere eine Entlassung und Strafverfahren, und wir reden hier sicher von Dutzenden von Verantwortlichen.
  • Die Überwachungsbefugnisse der Behörden massiv zusammengestrichen werden. Nicht nur muss die Verwendung von Spionagesoftware unmissverständlich untersagt werden, auch die sonstigen Befugnisse dürfen nicht unangetastet bleiben. Der Richtervorbehalt muss gestärkt werden, eine ausführliche Begründung sollte Pflicht werden. Wenn Richter pro Fall erstmal 1-2 Seiten individuelle, nicht aus Textbausteinen bestehende Begründung selbst abfassen müssten, wäre schon viel gegen ausufernde Überwachung ohne richtige Prüfung getan. Wenn der Richter überlastet ist, bleiben die Anträge halt so lange liegen, bis die Behörden gelernt haben, die Maßnahmen nur in Fällen anzuwenden, wo sie wirklich nötig sind.
  • Sämtliche Überwachungsmaßnahmen nachträglich geprüft und bei Verstößen sofort empfindliche Strafen verhängt werden.

Wird natürlich nicht passieren, solange die CDU an der Regierung ist. Vermutlich wird es vielmehr ein Alibi-Gesetz geben, was 1-2 Überwachungsbefugnisse reduziert und dafür an anderer Stelle zahlreiche andere ausweitet, und vielleicht müssen 1-2 Leute mit großzügigen Pensionen gehen, natürlich ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.

FDP-Stimme für den Gully

2011-09-18 2 Kommentare

Guido Westerwelle hatte im Bundestagswahlkampf 2009 Angst, dass seine FDP viele Wähler an die Piratenpartei verliert, weil diese im Bezug auf Bürgerrechte um einiges glaubwürdiger ist. Deswegen versuchte er, mit dem Hinweis auf die 5%-Hürde Wähler von der Piratenpartei abzuschrecken und brachte in einem Interview den Spruch: „Die Piratenpartei kann man ja wählen, aber die Stimme ist natürlich dann im Gully“

Die Zeiten ändern sich, und nun ist (nach aktuellen Hochrechnungen) in Berlin die FDP zu Recht mit unter 2% tief unter der 5%-Hürde versunken, während die Piraten mit ca. 9% ins Parlament einziehen. Neben dem selbstverständlichen Hinweis auf den Erfolg von Projekt 1,8 daher hier die wohlverdiente Häme für die FDP:

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Billigfachkräftemangel

2011-08-11 1 Kommentar

Bisher erhalten Menschen, die im Alter von mindestens 58 Jahren arbeitslos werden, zwei Jahre lang Arbeitslosengeld. Das will die FDP jetzt ändern, weil die älteren Arbeitskräfte ja wegen des schrecklichen Fachkräftemangels als Fachkräfte benötigt werden. Nur: Das Arbeitslosengeld liegt laut Wikipedia bei ca. 2/3 des alten Einkommens. Wenn die Firmen die ach so dringend benötigten Fachkräfte also tatsächlich haben wollten und auch angemessen bezahlen würden, dürfte sich durchaus der ein oder andere ältere Arbeitnehmer darüber freuen, doch noch einen Job zu bekommen.

Solange älteren „wertvollen Fachkräften“ für ihre oft jahrzentelange Berufserfahrung Gehälter geboten werden, die unter den Gehältern für junge Berufseinsteiger liegen, muss man sich nicht wundern, wenn manche lieber etwas länger nach einem angemessen bezahlten Job suchen, wenn sie es sich leisten können. Durch die Drohung mit der Hartz-4-Keule kann man diese Leute natürlich dazu bewegen, schnell einen Job anzunehmen, der – eben weil die Arbeitgeber wissen, dass ältere Arbeitssuchende kaum eine Wahl haben – nicht angemessen bezahlt wird.

Wenn die von der FDP vorgeschlagene Maßnahme also irgendetwas bekämpfen würde, dann eher nicht den Fachkräftemangel, sondern den Billigfachkräftemangel. Billige Fachkräfte kann die Wirtschaft nämlich nie genug kriegen…

Was die FDP gerne „übersieht“ ist natürlich auch, dass nicht alle älteren Arbeitnehmer dringend gesuchte Fachkräfte sind (und auch diese nicht unbedingt schnell einen Job finden). Neben der Ausweitung des Lohndumpings auf höher qualifizierte Arbeit wird damit natürlich auch das in den letzten Jahren immer erfolgreichere Lohndumping im Niedriglohnsektor weiter verschärft.

Bundes-un-freiwilligendienst

2011-07-01 9 Kommentare

Die Regierung ist überrascht – ohne Pflicht findet sich kaum noch jemand, der gerne Zivildienst machen möchte. Das hat sicher nichts damit zu tun, dass in der heutigen Gesellschaft alles schnell-schnell gehen muss, vor allem der Einstieg ins Berufsleben, nachdem man Turbo-Abi und Bologna-Studium in höchstens der vorgesehenen Zeit abgeschlossen zu haben hat.

Seltsam, dass der „Bundesfreiwilligendienst“ nicht genug Freiwillige findet, um Massen von zwangsweise verpflichteten Billigarbeitskräften zu ersetzen, oder? Sicherlich gab es Leute, die sich bewusst für den Zivildienst entschieden haben. Den Großteil dürften aber diejenigen bilden, die nicht durch den Schlamm robben und sich anbrüllen lassen wollen. Wer sich wirklich sozial engagieren möchte, dürfte das an anderer Stelle tun, statt freiwillig umsonst reguläre Arbeitsplätze zu ersetzen. Da hilft auch kein Gerede davon, wie wichtig (formal nachweisbares!) soziales Engagement im Lebenslauf ist.

Ich sehe drei Möglichkeiten, wozu das Ganze führen kann:

Im Idealfall würden die Zivi-Jobs durch reguläre, bezahlte Arbeitsplätze ersetzt. Das würde aber das Gesundheitswesen verteuern und das Geld müsste irgendwo herkommen. Da mal wieder Bundestagswahl ansteht und somit die FDP mal wieder Steuersenkungen braucht, ist das unwahrscheinlich.

Alternativ kann man natürlich das Gesundheits- und Pflegesystem noch weiter den Bach runtergehen lassen, indem die Stellen nicht ersetzt werden. Kranke und Pflegebedürftige bringen ja wirtschaftlich nichts, also kann man dort ja genausogut einfach sparen – so eine Denkweise würde zumindest zur Einstellung der schwarz-gelben Regierung passen. Aber die dritte Option ist viel verlockender:

Der Bundesfreiwilligendienst wird unfreiwillig. Diesmal nicht für Jugendliche, die man dringend über Turbo-Abi und Turbostudium schnellstmöglich zu wertvollen Arbeitskräften verarbeiten will, sondern für diejenigen, die gerade viele Anhänger der Regierungsparteien als wertlosen, asozialen, faulen Abschaum sehen: Arbeitslose. Diese Variante halte ich für sehr wahrscheinlich, denn die Regierung würde damit viele Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Die „faulen asozialen Schmarotzer“ bekommen unter allgemeinem Applaus der typischen Klientel von CDU/FDP endlich was zu tun, und können sich nicht in der „sozialen Hängematte ausruhen“. Indem ALG2-Empfänger zur Zwangsarbeit abkommandiert werden, gewinnen die Regierungsparteien unter ihrer Klientel deutlich an Zustimmung.

Wo der Staat ansonsten Geld für Arbeitskräfte ausgeben musste, kann künftig umso mehr gespart werden, während die „Freiwilligen“ diese Arbeiten übernehmen. Besser wird das Gesundheitswesen dadurch nicht (auch wenn man das natürlich gut behaupten kann, um Pluspunkte zu sammeln), aber vielleicht billiger. Die Mehrwertsteuern für Hoteliers sind ja immer noch viel zu hoch, oder?

Gleichzeitig „löst“ man das selbstgeschaffene Problem mit dem Mangel an Freiwilligen. Der Dienst wird weiter Bundesfreiwilligendienst heißen, aber er mehr zu einem Bundes(zwangs)arbeitsdienst verkommt. Verkauft wird das Ganze natürlich als Wiedereingliederungsmaßnahme o.ä., da mangelt es ja nicht an Kreativität. Vielleicht bleibt der Dienst auf dem Papier weiter freiwillig, aber die Teilnahme wird für viele Arbeitslose als Wiedereingliederungsmaßnahme angeordnet, oder als „freiwillige“ Möglichkeit angeboten, um ein niedriges Zusatzeinkommen zu erhalten und das ALG2 auf menschenwürdiges Niveau zu bringen. Alternativ wäre es auch denkbar, dass der Dienst das ALG2 weitgehend ersetzt, oder sich auch ohne direkte Intervention durch die ARGEn als schlecht, aber immerhin etwas bezahlte „Ersatzarbeit“ für Arbeitslose etabliert.

Das mag zwar alles nach einer guten Idee klingen. Die immer stärkere Einführung von Billigarbeit über 1-EUR-Jobs, Aufstocker, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und ähnliche Geschichten hat aber eher zu mehr Lohndumping und größerer Armut denn zu besseren Lebensbedingungen geführt. Für Menschen, die z. B. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, dürfte das eine weitere Verschlechterung der Situation darstellen. Darunter fallen auch die, die durch die immer stärkere Beschleunigung (Turbo-Abi, Turbo-Studium) oder ihre Arbeit psychisch krank gemacht wurden (z. B. Burnout). Zudem dürften die Betroffenen kaum mit angemessenen Arbeitsbedingungen rechnen – schließlich hätten die un-freiwilligen Arbeiter keine Wahl und auch keine Mittel, sich gegen unmenschliche Behandlung zu wehren.

Der freiwillige Bundesfreiwilligendienst dürfte keine Chance haben. Das unausweichliche Scheitern, vielleicht von vorne herein einkalkuliert, wird hingegen eine willkommene Gelegenheit darstellen, Zwangsarbeit zu schaffen und den Sozialstaat weiter auszuhöhlen.

Probleme bei BitCoin – gesellschaftstheoretisch und technisch

2011-06-16 10 Kommentare

Das komplett dezentrale auf kryptographie basierende Zahlungssystem BitCoin hat es in letzter Zeit zu einiger Berühmtheit gebracht. Das Konzept werde ich hier nicht nochmal erklären, das ist z. B. in der Wikipedia nachzulesen.

Die für diese Betrachtung relevanten Haupteigenschaften von Bitcoin sind:

  • Das System ist dezentral und völlig unkontrollierbar
  • Zahlungen sind nicht umkehrbar
  • Neues Geld wird (beschränkt) ständig erstellt und anteilig nach beteiligter Rechenleistung an die aktiven Teilnehmer verteilt

Die Unkontrollierbarkeit wird als Vorteil gesehen – kein Staat kann willkürlich Konten oder Guthaben einfrieren, auch kann kein Staat einfach so Geld drucken. Bitcoins verhalten sich in einigen Aspekten wie Bargeld – insbesondere sind sie weg, wenn sie mal gestohlen werden.

Gesellschaftstheoretisch

Die Unkontrollierbarkeit kann gesellschaftstheoretisch aber auch als Problem gesehen werden: Anonymität und Unkontrollierbarkeit für Kommunikation und Meinungsäußerung finde ich generell gut, auch wenn sie missbraucht werden kann, einfach weil der Nutzen überwiegt und die Gefahren nicht soo groß sind. Bei der Aufklärung von Straftaten sehe ich „follow the money“ statt Kommunikationsüberwachung als guten Ansatz an. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass der Staat möglichst wenig Macht haben soll, und es daher gut ist, wenn seine Macht beschränkt wird. Hier wird aber eine sehr wichtige Aufgabe des Staates übersehen: Er soll eine demokratische Kontrolle von Macht sicherstellen und wo nötig „schwache“ vor „starken“ schützen. Verurteilt ein Gericht jemanden, einem anderen z. B. eine Entschädigung für etwas zu zahlen, kann dieser es entweder tun, oder der Gerichtsvollzieher kommt und pfändet. Das – und damit die Durchsetzung des Rechts! – würde deutlich schwieriger, wenn Geld nicht mehr auf Bankkonten sondern auf verschlüsselten und redundanten USB-Sticks liegen würde.

Nimmt man dem Staat jede Macht, hat man zunächst eine Anarchie, letztlich herrschen diejenigen, die Ressourcen kontrollieren oder die Macht haben, andere Menschen unter Druck zu setzen. Mit anderen Worten: Warlords, die in der Lage sind, sich genug Söldner zu mieten und/oder genug Waffen haben. Irgendwo habe ich ein „interessantes“ Szenario gelesen – was, wenn jemand eine Plattform anbietet, wo man per Bitcoin Kopfgelder auf Personen ausschreiben kann? Oder Belohnungen für terroristische Anschläge? Das geht mit „normalem“ Geld nur sehr eingeschränkt, wäre mit Bitcoin aber anonym umsetzbar. Auch wenn reiche Menschen auch in westlichen Demokratien deutlich mehr Macht haben, bietet ein demokratischer Staat eine gewisse Kontrolle. Gibt man diese auf, hat man eine reine Plutokratie – das will man eigentlich nicht.

Die Einführung von Bitcoin als Zahlungsmittel würde den Staat nicht abschaffen, aber seine Position schwächen. Das hat auch Vorteile, man kann es befürworten, und eine abschließende Meinung dazu habe ich nicht – aber es hat eben auch Nachteile, die oft vergessen werden, und die ich daher hier nennen wollte.

Technisch

Die weiteren Probleme sind technischer Art. Das Gesamtkonzept sieht solide aus und da bisher noch keiner einen Fehler darin gefunden hat, dürfte es auch relativ solide sein. Das Geld, was einem gehört, ist über private Schlüssel gesichert – wer diese Schlüssel hat, kann es ausgeben. IT-Kriminalität wird dadurch ein ganz neues Tor geöffnet: Bisher mussten Kriminelle eine Online-Überweisung manipulieren, um ein Bankkonto leerzuräumen. Bei Bitcoin reicht ein simpler Trojaner auf dem Rechner des Opfers. Experten haben gewisse Chancen, ihre Maschinen sicher zu halten – 95% der Computernutzer dürften aber mit IT-Sicherheit hoffnungslos überfordert sein und viele handeln sich regelmäßig Schadsoftware ein. Ergänzung: Dieser Fall, wo genau das mit Bitcoins im Wert von 500.000 USD passiert sein soll, war Anlass für diesen Artikel. Ich gehe davon aus, dass der (Ex-)Besitzer in Sachen Computersicherheit noch auf jeden Fall zu den Top 10% zählt, auch wenn er sehr sehr viel falsch gemacht hat. Update: Heise über Bitcoin-Trojaner.

BitCoin basiert auf einem P2P-Netzwerk. Sollte es jemand schaffen, eine Sicherheitslücke, welche Code Execution (d.h. das Einschleusen von Malware) erlaubt, im Bitcoin-Client zu finden, kann er einen Wurm schreiben, der sich über das Bitcoin-Netz selbst verbreitet und so innerhalb kürzester Zeit alle zu dem Zeitpunkt aktiven Bitcoin-Teilnehmer gleichzeitig hacken und ihre Konten leerräumen. Aber auch wenn die Software selbst sicher sein sollte, kann ein Angreifer über das P2P-Netz herausfinden, wer alles an Bitcoin teilnimmt, inklusive deren IP-Adressen. Sollten die Systeme andere, von außen erreichbare Schwachstellen haben, kann er diese nutzen, um in die Systeme einzubrechen und die privaten Schlüssel zu stehlen – mit denen er dann die Bitcoins an sich überweisen kann.

Ein weiteres Problem ist, dass der Besitz von Bitcoins durch den (alleinigen) Besitz des privaten Schlüssels gekennzeichnet ist. Das Verfahren gilt als sicher, d.h. es ist nicht möglich diese Schlüssel zu knacken – noch. Was aber, wenn in 20 Jahren Quantencomputer existieren oder das Verfahren auf andere Art und Weise geknackt wird? Man kann Bitcoin mit ein paar Schwierigkeiten auf ein neues Verfahren migrieren, aber das muss passieren bevor das alte Verfahren angegriffen wird. Wird das Verschlüsselungsverfahren was in Bitcoin eingesetzt wird geknackt, hat der Angreifer, dem das gelungen ist, die Möglichkeit, Geld aus beliebigen Bitcoin-Konten zu überweisen, und es gibt keine Möglichkeit, Angreifer und legitimen Besitzer mehr zu unterscheiden (wie auch in anderen Fällen, wo der Angreifer den private key gestohlen hat).

Durch das Investieren von Rechenzeit („Mining“) kann man Bitcoins generieren, allerdings ist das ein Zufallsprozess – ein normaler Mensch mit einer einzelnen normalen Grafikkarte (Grafikprozessoren können die nötigen Operationen schneller ausführen als CPUs, mit CPUs rechnen ist nahezu sinnlos) dürfte sehr lange rechnen, bis er Bitcoins sieht. Daher gibt es sogenannte Mining-Pools, bei denen mehrere Menschen zugleich minen und im Erfolgsfall der Gewinn dann auf die Beteiligten aufgeteilt wird. Diese Mining-Pools konzentrieren große Mengen an Rechenleistung. Das ist insofern ein Problem, als dass die Sicherheit des Netzes darauf basiert, dass die Mehrheit der beteiligten Rechenleistung von ehrlichen Teilnehmern kontrolliert wird. Die Pools kontrollieren jeweils über ihre Teilnehmer sehr viel Rechenleistung, und die einzelnen Teilnehmer können nicht (direkt) prüfen, ob der Pool „ehrlich“ arbeitet. Falls einer der großen Pools die Mehrheit der Rechenleistung kontrolliert, könnte er diese missbrauchen. Soweit ich sehe ermöglicht das jedoch „nur“ das doppelte ausgeben von Bitcoins, und es dürfte laut dem Konzept von Bitcoin lohnenswerter sein, die Leistung wie vorgesehen für die Unterstützung des Netzes zu nutzen statt sie zu missbrauchen. Dieses Problem dürfte also nicht allzu groß sein. Sollte allerdings eine Lücke in den Mining-Clients gefunden werden, könnte einer der Pool-Betreiber (oder jemand, der ihn hackt!) die Kontrolle über zahlreiche beteiligte Rechner übernehmen und deren Bitcoin-Börsen plündern.

Da es Geld für Rechenleistung gibt, wird es sicherlich früher oder später Schadsoftware geben, die fremde (übernommene) Rechner benutzt, um Bitcoins zu erzeugen (falls es das nicht schon längst gibt). Wenn Firmen mit großen Rechenzentren wie Amazon, Google oder Facebook sich entscheiden würden, bei Bitcoin einzusteigen, könnten sie wohl allein mit unbenutzten Servern in kürzester Zeit (bevor der Algorithmus die Erzeugung bremst) riesige Mengen an Bitcoins erzeugen (oder das Netzwerk zerstören, wovon sie aber nichts hätten). Diese Möglichkeit könnte gerade in einem Krisenfall die Stabilität der Währung massiv gefährden.

In den Zeiten, wo das Bitcoin-Netz noch klein war, konnten einzelne Personen große Mengen an Bitcoins erzeugen – dadurch haben einige „early adopter“ unglaublich große Geldmengen, und könnten dadurch vermutlich den Kurs massiv beeinflussen. Außerdem ist Bitcoin Ziel von zahlreichen Spekulanten. Der aktuelle Wert der Bitcoins, meist definiert über den Umtauschkurs in USD bei MtGox, kann sich also sehr schnell ändern und ist soweit ich weiß vor einiger Zeit innerhalb eines Tages von 30 USD auf 15 USD gefallen.

Auch die vielgerühmte Anonymität bei Bitcoin ist keineswegs so toll, wie viele glauben – im Gegenteil: Bedingt durch die Dezentralität des Netzes sind alle Transaktionen komplett öffentlich, mit Sender, Betrag und Empfänger. Sender und Empfänger sind jedoch keine Personen, sondern Bitcoin-Konten, und es wird empfohlen, für jede Transaktion ein neues Konto anzulegen. Selbst wenn jemand dieser Empfehlung folgt – wenn ich jemandem Geld schicke, sehe ich, was er damit weiter macht und kann der Spur weiter folgen. Er kann das Geld natürlich an ein weiteres Konto überweisen, und ich weiß nicht, ob es noch ihm oder jemandem anderen gehört. Aber angenommen ich führe meine Überweisung an einen mir bekannten Empfänger X auf Konto 1 durch, und sehe, dass innerhalb von Minuten mein ganzes überwiesenes Geld auf Konto 2 geht, dort drei Tage liegen bleibt, dann ein bestimmter Betrag auf Konto 3 geht und von dort auf ein Sammelkonto 4, was wie bekannt ist einem Pornohändler gehört: Dann kann ich davon ausgehen, dass in einem Versuch, das Geld zu anonymisieren, der Empfänger X sein Geld auf ein zweites Konto (Konto 2) von sich verschoben hat, und sich später davon bei besagtem Pornohändler Pornos zu kaufen, indem er das Geld an die für ihn erstellte Bezahladresse des Händlers (Konto 3) überweist – bevor der Händler es auf sein bekanntes Hauptkonto (Konto 4) zieht. Anhand des Betrages und der Preisliste des Händlers kann ich vielleicht ja sogar sehen, was genau der Kunde gekauft hat. Anonymisierungsdienste (bzw. Geldwäschedienste) sind möglich und existieren, man kann also mit etwas Aufwand Bitcoin anonym nutzen. Bitcoin als „anonym“ zu bezeichnen ist jedoch schlicht falsch. Um die Anonymität muss man sich selbst kümmern, und dafür dürften 95% der Nutzer zu unerfahren sein, viele wissen nicht einmal, dass es eigentlich nötig ist, geschweige denn, wie es geht.

Zusammenfassung

Bitcoin ist also sowohl extrem anfällig für IT-Kriminalität und kann vor allem schlagartig zusammenbrechen, plötzlicher und heftiger als die „schlechten, instabilen, altmodischen“ Währungen und Geldsysteme. Die Halbwertszeit dürfte sogar darunter liegen. Als Zahlungssystem könnte Bitcoin, sobald sich der Wert etwas stabilisiert hat, sogar taugen, als alternatives Weltwährungssystem eher nicht. Bei einem Zusammenbruch westlicher Währungen könnte es natürlich sein, dass Menschen anfangen, es als Ersatz zu nutzen, weil man außer Naturalien nichts anderes hat (und darauf dürften auch einige der Bitcoin-Spekulanten spekulieren). Eine langfristige Lösung ist das aber nicht.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich Bitcoin unter theoretischen Gesichtspunkten extrem gut finde: Technisch ist es eine bemerkenswerte Leistung – in einem dezentralen Netzwerk ohne zentrale vertrauenswürdige Stelle ein System mit solchen Sicherheitseigenschaften und darauf basierend ein Zahlungssystem aufzubauen, was das doppelte Ausgeben von Geld verhindert, kontrollierte Inflation beinhaltet, einen gewissen Grad an Anonymität bietet und zumindest vom Konzept her sicher ist, ist schlicht und einfach eine reife Leistung. Das Konzept ist solide und hat sogar praktische Anwendungen. Nur der darin gesetzte Hype ist übertrieben und man sollte sich davor hüten, die Probleme auszublenden und ein solches System als die ultimative Lösung für die Geldsystemproblematik anzusehen.

Einschätzung des SCHUFA-Hacks

2011-06-13 10 Kommentare

Wie Gulli berichtet und die Piratenpartei kommentiert hat, wurde die SCHUFA gehackt (in den Kommentaren bei Gulli gibts/gab es Details). Zunächst betraf das „nur“ den Webserver. Die Lücke bestand laut Beschreibung im Gulli-Forum darin, dass das Skript, was Dateien wie Formulare zum Download ausgeliefert hat, den Download beliebiger Dateien von der Platte des Servers erlaubte. Da die eigentliche SCHUFA-Datenbank natürlich hoffentlich nicht auf diesem Webserver liegen dürfte, ist in der Theorie erstmal keine unmittelbare Gefahr gegeben, weil man über die Lücke ja „nur“ Dateien auf diesem Server herunterladen kann. Diese Position vertritt natürlich auch die SCHUFA, ein Datenleck zuzugeben wäre für ihr Geschäft nicht gerade förderlich.

Der Angreifer konnte also mehr oder weniger beliebige Dateien vom Server herunterladen. So ein Fehler in einer Webanwendung ist ein ziemlicher Anfängerfehler, der auf so einem kritischen Server eigentlich nicht passieren darf. (Das sieht der Experte der Tagesschau übrigens genauso.) Wie schon bei der kaputten SSL-Implementierung bei der AusweisApp sieht man, dass die Annahme „so doof können die nicht sein“ keine Garantie dafür ist, dass in einer kritischen Anwendung solche dummen Fehler wirklich nicht vorhanden sind. Dass es dem kaputten Skript wohl auch möglich war, auf Dateien außerhalb des eigentlichen Websiteverzeichnisses zuzugreifen, deutet außerdem darauf hin, dass mit der Rechte- und Benutzerkontenverwaltung auf dem Server auch eher „locker“ (lies: schlampig und ohne wirklich auf Sicherheit Wert zu legen) umgegangen wurde. Daran, dass für die Schufa Datenschutz und Datensicherheit „seit jeher eine hohe Priorität“ hätten, lässt es genauso zweifeln wie am Sicherheitszustand des restlichen Netzes bei der SCHUFA.

Das wird in dem Moment wichtig, wenn man sich klar macht, auf was für Daten mit der Lücke Zugriff möglich war: Der Server muss irgendwie auf die SCHUFA-Datenbank im Hintergrund zugreifen können. Natürlich wäre es möglich, dass hier irgendein ausgeklügeltes Verfahren genutzt wird, bei dem der Zugriff erst freigegeben wird, wenn der sichere Server am anderen Ende das Login des Kunden geprüft hat. Angesichts der oben genannten Punkte halte ich es jedoch für sehr unwahrscheinlich. Am Wahrscheinlichsten ist es, dass irgendwo auf dem gehackten Webserver die Zugangsdaten für die Datenbank im Klartext herumlagen und darüber die Datenbank ausgelesen werden kann. Ein Angreifer konnte diese Zugangsdaten höchstwahrscheinlich mit vertretbarem Aufwand (configdatei finden) bekommen.

Wenn die Schufa schlau genug war, den Datenbankserver hinter eine Firewall zu stellen (so blöd, es nicht zu tun, kann man eigentlich nicht sein, aber siehe oben), bringen diese Zugangsdaten dem Angreifer aber zunächst nichts, weil er sich zu dem Server gar nicht verbinden kann – das ist dann aber die letzte verbleibende Hürde. Gelingt es ihm, z. B. über vom Webserver geklaute Passwörter in den Webserver einzudringen, oder in einen beliebigen anderen Rechner im Netz der SCHUFA, der auch Zugriff auf den Datenbankserver hat (das könnte eingeschränkt sein – könnte…), kann er sich an der Datenbank bedienen. Vielleicht stehen da „nur“ die Daten der Leute an, die meineschufa.de nutzen, es ist aber mindestens genauso wahrscheinlich, dass der Angreifer sich dann beliebige SCHUFA-Datensätze anschauen und herunterladen kann. Solche Angriffe auf weniger gesicherte „unwichtige“ Rechner, um sie als Brücke ins Netz zu benutzen, sind üblich und bei vielen Angriffen wie z. B. dem auf Google beobachtet worden. Über weitere Angriffe mit dieser Lücke als Einstiegspunkt dürfte also vieles möglich sein.

Selbst wenn mehr Schutzmaßnahmen getroffen würden – wenn es einem Angreifer gelingen würde, den offensichtlich mies gesicherten Webserver komplett zu übernehmen, könnte er zumindest die darüber laufenden Daten abfangen, also die Daten derjenigen, die meineschufa.de nutzen, während der Angreifer Zugriff hat. Die Lücke wurde zwar als „Local file inclusion“ bezeichnet, da die Dateien aber scheinbar so wie sie auf der Platte lagen ausgeliefert wurden und PHP-Skripte nicht geparst wurden, würde ich eher von „Local file disclosure“ sprechen. Das ist insofern etwas weniger gefährlich, als über diese Lücke vermutlich wenigstens „nur“ Daten ausgelesen, aber keine Programme auf den Server geschleust werden können. Andere Lücken, die das (und damit die Übernahme des Servers) erlauben, könnten jedoch durchaus existieren.

Meiner Meinung nach kann man die Situation also folgendermaßen zusammenfassen:

  • Der Server wurde gehackt, das hat die SCHUFA bestätigt
  • Die Sicherheit lässt sehr zu wünschen übrig
  • Die SCHUFA-Daten konnten vermutlich nicht direkt ausgelesen werden, aber
  • ich halte es für wahrscheinlich, dass ein Angreifer mit etwas Mühe gute Chancen gehabt hat, auch an die SCHUFA-Daten selbst zu kommen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was nun? Zunächst muss natürlich die Lücke selbst geschlossen werden. Indem die SCHUFA das kaputte Download-Skript gelöscht hat, ist diese Gefahr vorerst gebannt. Dann müssen auch alle potentiell betroffenen Zugangsdaten für die Datenbank und sonstige Server geändert werden – denn sonst könne ein Angreifer die vor kurzem gestohlenen Daten in ein paar Wochen, nachdem die eigentliche Lücke schon geschlossen ist, nutzen, um die Datenbank auszulesen. Hier müssen wir hoffen, dass die SCHUFA sich nicht die Mühe spart und darauf verzichtet, „weil man ja von außen eh nicht an die Datenbank drankommt“. Schließlich – und das ist der schwierigste Teil – muss anhand von Logs geprüft werden, ob die Lücke bereits missbraucht wurde, und wenn z. B. Zugangsdaten gestohlen wurden, ob diese missbraucht wurden. Ich bezweifle, dass es ausreichend weit zurückreichende Logs geben wird, um das für die Zeit seit Bestehen der Lücke ausschließen zu können. Somit dürfte nicht eindeutig zu klären sein, ob Daten geklaut wurden oder nicht. Ganz abgesehen davon muss die SCHUFA natürlich massiv an der Sicherheit ihrer Server arbeiten.

Eines muss man der SCHUFA (bisher) jedoch zugute halten: Sie hat soweit ich weiß nicht versucht oder gedroht, dem ehrlichen Hacker, der die Lücke gemeldet hat, irgendeine Form von Ärger zu machen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und liegt im Interesse der betroffenen Firma – ehrliche Hacker, die Lücken melden, helfen die Sicherheit zu verbessern. Würde eine Firma einen solchen Hacker bedrohen, werden andere dadurch a) wütend b) angesport weitere Lücken zu finden vor allem c) auf gefundene Lücken nicht hinweisen, sondern sie veröffentlichen oder nutzen um Schaden anzurichten – und das ganze natürlich so, dass sie nicht zurückverfolgt werden können. Leider kommen solche Drohungen immer noch viel zu oft vor.

Der Vorfall zeigt auch einige interessante Probleme auf:

Sicherheit kann nicht nachgerüstet werden. Die Sicherheit muss bereits bei der Entwicklung von Software bedacht werden – nachträgliche Tests und Überprüfungen sind sinnvoll, können das aber nicht ersetzen. Irgendwas wird immer übersehen. Hier haben die Entwickler offenbar nicht ausreichend über Sicherheit nachgedacht, als sie das Downloadsystem entwickelt haben. Das ist gerade in einem solchen sicherheitskritischen Bereich eigentlich völlig inakzeptabel.

Datenschutz lohnt sich nicht. Es gibt keine empfindlichen Strafen, wenn jemand Daten nicht ausreichend schützt. Natürlich ist es nicht gut für den Ruf und fürs Geschäft, wenn solche Lecks passieren, aber das scheint als Motivation nicht auszureichen. Würden für Datenlecks Strafen von ein paar Euro pro Datensatz drohen, wäre gerade bei große Datenbanken die Absicherung plötzlich finanziell sehr attraktiv.

In kritischen Bereichen wird massiv geschlampt. Selbst bei so kritischen Servern wie in diesem Fall bei der SCHUFA wird an der Sicherheit gespart und es werden grobe Fehler gemacht. Wie viele andere wichtige Systeme genauso schlecht gesichert sind? Hier sei exemplarisch nur auf SCADA verwiesen, die Industriesteueranlagen, die von der Chemiefabrik bis zum Atomkraftwerk alles Mögliche kontrollieren und meist auf völlig veralteter Software laufen, mit kaum vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen (siehe Vortrag auf einem CCC-Kongress).

Wie Sofortüberweisung.de funktioniert

2011-06-04 16 Kommentare

Scheinbar wissen viele nicht, wie der Dienst „Sofortüberweisung.de“ funktioniert – denn ich glaube kaum, dass so viele ihn sonst nutzen würden. Der Dienst verspricht, wie der Name schon sagt, sofortige Überweisungen, was beim Online-Shopping dem Händler die (vermeintliche – siehe unten) Garantie gibt, dass die Ware direkt bezahlt ist, und dem Kunden so unter Umständen zu einer kürzeren Lieferzeit verhilft. Im Gegensatz zum Lastschriftverfahren ist eine Überweisung auch nicht (zumindest nicht so leicht und nur innerhalb kurzer Zeit) zurückrufbar.

Wie aber schafft es der Dienst, Überweisungen durchzuführen? Ganz einfach – man gibt ihm seine Onlinebanking-Zugangsdaten. Nein, man loggt sich nicht bei seiner eigenen Bank ein und überweist, man gibt diesem Dienst seine Zugangsdaten für den Onlinebankingzugang. Damit loggt er sich dann bei der Bank ein und führt die Transaktionen durch. Mit Benutzername/Kontonummer und PIN hat der Dienst schonmal weitreichenden Lesezugriff aufs Konto – und wurde vor kurzem dabei erwischt, wie er diesen missbraucht, um die Umsätze der letzten 30 Tage, den Dispokredit, Vorhandensein und Kontostände anderer Konten bei der gleichen Bank und/oder vorgemerkte und ausgeführte Auslandsüberweisungen abzufragen. Das soll nur der Absicherung der Überweisung dienen, was aber nichts daran ändert, dass Sofortüberweisung.de die entsprechenden Informationen abfragt. Mit der eingegebenen TAN wird dann die Überweisung durchgeführt. Technisch läuft die Kommunikation mit der Bank über das HBCI-Protokoll, worüber auch Onlinebanking-Software wie Hibiscus, WISO etc. mit der Bank kommuniziert.

Rein technisch gesehen ist das ganze Verfahren exakt das gleiche, was die ganzen Phishingseiten machen – es werden Zugangsdaten des Nutzers abgefragt und dann verwendet, um eine Transaktion durchzuführen. Bei iTAN wird die Transaktion eben der Bank gegenüber eingeleitet, die Bank sagt, welche iTAN sie möchte, und dann wird diese iTAN abgefragt. Der Nutzer muss darauf vertrauen, dass Sofortüberweisung.de mit der TAN keinen Missbrauch anstellt. Das soll durch ein TÜV-Zertifikat bestätigt werden – es gab allerdings schon zahlreiche Fälle (hier ein anderer TÜV-Verein), wo TÜV-geprüfte Webseiten völliger Murks waren. Diese Zertifikate sind also meiner Meinung nach nicht die Bytes wert, die die PDF-Dateien belegen.

Wenn ein Händler also nur eine Zahlung über Sofortüberweisung anbietet, oder bei anderen Zahlungsmethoden miese Konditionen bietet, kaufe ich eben woanders. Sofortüberweisung ist genauso (un)sicher wie Vorkasse per Überweisung, bietet aus Kundensicht in dem Punkt also keinen Vorteil. Wenn ein Händler Lastschrift anbietet, bevorzuge ich das – kaum Arbeit, sollte es große Probleme mit dem Händler geben (was mir bisher nie passiert ist) kann die Lastschrift zurückgebucht werden und die Missbrauchsgefahr ist nahe Null. Klar kann unberechtigt abgebucht werden, dann wird es eben zurückgebucht – dazu ist die eigene Bank grundsätzlich verpflichtet, egal ob sie sich das Geld vom Händler zurückholen kann oder nicht!

Bei mTAN und chipTAN dürfte das Verfahren ähnlich laufen – die Überweisung wird eingeleitet, bei der chipTAN leitet Sofortüberweisung.de die Challenge weiter, der Nutzer gibt die TAN vom Handy/Generator an Sofortüberweisung. Hier ist wenigstens sichergestellt, dass keine falsche Überweisung aufgegeben werden kann – die PIN kann allerdings immer noch benutzt werden, um – wie im oben genannten Fall geschehen – das Konto auszuspähen!

Diese Funktionsweise hängt Sofortüberweisung natürlich nicht an die große Glocke (natürlich steht das alles irgendwo – aber irgendwo wo es keiner liest), und setzt darauf, dass Nutzer sich schon nicht so recht informieren oder es ihnen egal ist. Die Weitergabe von Logindaten an fremde Webseiten verstößt in der Regel gegen Banken-AGB. Diesen Punkt hat das Kartellamt übrigens in einer grandiosen Fehlentscheidung bemängelt, denn viele Banken bieten einen ähnlichen Dienst selbst unter dem Namen GiroPay an. Dieser hat höhere Transaktionsgebühren, wird jedoch von den Banken selbst betrieben und unterscheidet sich in einem „klitzekleinen“ Detail: Der Kunde loggt sich bei seiner eigenen Bank in sein Onlinebanking ein, und die Bank bestätigt dann die Überweisung. Die Logindaten gehen also nicht an eine dritte Partei, in deren Hände sie nicht gehören.

Die Banken hätten also einerseits ein wirtschaftliches Interesse, Sofortüberweisung zu behindern, riskieren dabei allerdings juristische Probleme – weswegen z. B. die Postbank den Laden auch nicht technisch aussperrt. Wäre ich zuständiger für die Online-Sicherheit einer Bank und hätte das unabhängig von den wirtschaftlichen/rechtlichen Sachen zu entscheiden, würde ich die IPs von Sofortüberweisung regelmäßig in die Firewalls stopfen, und die bis zur Erkennung als IP von Sofortüberweisung eingereichten, aber noch nicht durchgeführten Überweisungsaufträge stornieren (mit Benachrichtigung des Kunden, aber ohne Benachrichtigung von Sofortüberweisung) – der Laden müsste dann zusehen, wie er sein Geld vom Kunden bekommt, vor allem, nachdem dieser einen bösen Brief von seiner Bank erhalten hat. Es wäre natürlich auch denkbar, dem Kunden einfach den Onlinezugang wegen Missbrauch zu sperren. Ehrlich gesagt überrascht es mich massiv, dass das nicht durch irgendwelche automatischen Systeme, denen das hohe Transaktionsvolumen auffällt, geschehen ist. Die vereinzelten Posts in Foren, wo behauptet wird, dass Leuten wegen der Nutzung von Sofortüberweisung.de (d.h. unberechtigter Weitergabe von Zugangsdaten) die Onlinebankingzugänge oder gar Konten gekündigt werden, sind bisher (leider, muss man sagen) vermutlich eher Falschmeldungen, das kann sich aber natürlich noch ändern. In Foren als Möglichkeit erwähnt und durchaus denkbar ist es, dass die Banken protokollieren, wer derart gegen AGB verstößt, und im Falle eines Schadens (z. B. durch Phishing) das Verhalten des Kunden als Argument benutzen, um den Schaden nicht auszugleichen. Sofortüberweisung.de „empfiehlt“ den Shopbetreibern, um Abmahnungen durch Verbraucherzentralen zu vermeiden, zu Erklärungen von Sofortüberweisung einen Text hinzuzufügen, in dem zwischen viel wiederholendem Geschwurbel steht:

Vorsorglich weisen wir dennoch darauf hin, dass es in Deutschland Banken und Sparkassen gibt, die davon ausgehen, dass die Nutzung von sofortüberweisung.de wegen der Verwendung von PIN und TAN außerhalb der eigenen Online-Banking-Systeme bei etwaigen Missbrauchsfällen zu einer Haftungsverlagerung führen kann. Dies kann bedeuten, dass im Missbrauchsfall die Bank sich weigert, den Schaden für den Endkunden zu übernehmen und der Endverbraucher den Schaden zu tragen hat.

Für Händler hat das Verfahren neben der Abmahngefahr außerdem noch das Problem, dass die Überweisung keineswegs so garantiert ist wie angedeutet wird – Sofortüberweisung bestätigt nur, dass die Überweisung abgeschickt wurde. Wenn der Kunde die Überweisung direkt danach bei der Bank widerruft, oder die Bank sich einfach entscheidet, die Überweisungen zu stornieren, dürfte der Händler seinem Geld wohl hinterherlaufen.

Giropay hat übrigens auch ein Problem, ist nämlich bei unvorsichtigen Nutzern besonders anfällig gegen Phishing. Der Nutzer wird von einer Drittwebsite (Onlineshop) auf sein Onlinebanking umgeleitet und soll sich dort einloggen. Der Onlineshop könnte den Nutzer nun auf eine Phishingseite umleiten. Wenn der Nutzer weiß, wie Giropay zu funktionieren hat (d.h. Login erfolgt auf der eigenen Bankwebsite) und er (z. B. über das SSL-Zertifikat) prüft, dass er sich auf der richtigen Website befindet, würde er so etwas natürlich erkennen. Ich weiß das, weiß wie ich das prüfen kann, und tue es auch konsequent – ich bezweifle jedoch, dass das auf Otto Normalnutzer auch zutrifft. Das ließe sich mit ein wenig Aufklärung aber wahrscheinlich korrigieren, denn die Nutzer sind inzwischen für Sicherheitsthemen gerade beim Onlinebanking sensibilisiert. Das gleiche Problem (mit der gleichen Lösung) gibt es übrigens auch beim Verified-by-Visa-Programm für Kreditkarten (bei Online-Kreditkartenzahlungen muss man sich bei Visa einloggen, somit sind Zahlungen nur mit den Infos die der Händler klauen kann nicht mehr mögich) sowie beim Authentifizierungsverfahren OpenID – und natürlich bei Sofortüberweisung, wo ein „Phishing-Angriff“ sogar mehr oder weniger Teil des Verfahrens ist.

Und nein, ich bekomme für diesen Artikel weder Geld noch habe ich irgendwas mit Giropay oder sonstigen Online-Zahlungssystemen zu tun. Es regt mich „nur“ tierisch auf, wenn das Verletzen grundlegener Sicherheitskonzepte zum Geschäftsmodell gemacht wird. Wenn man sich die Kommentare im Heiseforum zur Entscheidung des Kartellamts anschaut, bin ich offensichtlich nicht der einzige.

Zusammenfassung:

Probleme für Kunden

  • Kontoumsätze wurden und werden abgefragt
  • Missbrauch möglich
  • Keine Rückbuchung bei Problemen mit Händler (wie bei normaler Vorkasse auch)
  • AGB-Verstoß gegen Bank-AGB
    • Bank könnte Haftung bei Missbrauch (auch in unabhängigen Fällen!) verweigern
    • Onlinebanking-Sperrung denkbar

Probleme für Händler

  • Verlust von Kunden die wissen wie das Verfahren funktioniert und es daher nicht nutzen wollen oder es gar als unseriös ansehen
  • Abmahngefahr durch Verbraucherzentralen
  • Zahlungen sind keineswegs garantiert!

Plagiatsdoktor-Count: Neun

2011-05-15 5 Kommentare

Langsam wirds zu viel für mein Linkblog, deswegen habe ich die Sammlung hierher verschoben. Das wären schon vier fünf neun Doktortitel, die wegen Plagiaten weg (aberkannt, zurückgegeben, …) oder in Gefahr sind:

Mehr Infos gibts übrigens beim VroniPlag Wiki.

UPDATE:Die ganzen Fälle inkl. der vier Neuen habe ich mal im Piratenwiki in eine schicke Liste eingepflegt. Man könnte fast sagen, dass die Parteien- und Fachbereichstendenz sich bestätigt.

Der Fall von Matthias Pröfrock war mir neu, als ich die Liste erstellt hab. Kurz darauf gabs schon den Fall von Jorgo Chatzimarkakis – und der ärgert mich besonders ob der Dreistigkeit, mit der das Plagiieren verteidigt wird: Auf seiner Website weist er darauf hin, dass er verschiedene „Zitierweisen“ benutzt habe, unter anderem „Zitate im Fließtext, nicht eingerückt und ohne Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote“. Um sicherzugehen, dass ich ihm kein Unrecht tue, habe ich mir die „Zitate“ mal angeschaut, die Arbeit ist online verfügbar, die Plagiateliste auch. Und da werden ganze Seiten en bloc „zitiert“, mit einer Fußnote am Ende (Beispiel: Seite 55-56, Fußnote 115), ohne dass zu erkennen wäre wo das „Zitat“ anfängt (böse Zungen würden sagen: Dort, wo das Ende des vorherigen durch die Fußnote erkennbar ist). Besonders schön ist, dass eines der „Zitate“ wiederum einen (gekennzeichnet) zitierten Satz enthält, und die Fußnote dann passend bei diesem steht (Seite 54, Fußnote 113).

Interessant vielleicht auch die beteiligten Unis und Fachbereiche:

  • Guttenberg: Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
  • Koch-Mehrin: Heidelberg, Philosophie
  • Pröfrock: Tübingen, Juristische Fakultät
  • Saß: Konstanz, Rechtswissenschaft
  • Chatzimarkakis: Bonn, Philosophische Fakultät

Ob der große Anteil der Jura-Fachbereiche (+ Rest Philosophie) damit zusammenhängt, dass Politiker oft Jura studieren, oder damit, dass im Jura- und Philo-Bereich überdurchschnittlich viele Studenten unterwegs sind die es mit ehrlicher Arbeit nicht so haben, weiß ich nicht.
Für eine statistisch fundierte Aussage reicht es ja (noch) nicht aus. Vielleicht ja beides und ggf. ist ja das eine auch die Ursache für das andere ;-)

Für die auffällige Häufung bestimmter Parteien könnte man das mit dem überduchschnittlichen Anteil natürlich auch…

Sicheres Onlinebanking? Kostet extra!

2011-01-19 28 Kommentare

Die Postbank schaltet das iTAN-Verfahren zugunsten „sichererer“ Verfahren ab. Das iTAN-Verfahren, also die Eingabe eines Einwegkennworts von einer gedruckten Liste, ist bei einem verseuchten Computer über einen Trojaner angreifbar, der die Überweisungsdaten verändert. Der Schritt ist also erstmal logisch, nachvollziehbar und scheint sinnvoll zu sein.

Als Ersatz werden zwei alternative Verfahren angeboten: Die mTAN, bei der eine TAN auf das Handy geschickt wird, und die chipTAN (auch smartTAN genannt), bei der die TAN von einem speziellen Gerät in Verbindung mit der Bankkarte erzeugt wird. Bei beiden Verfahren werden die Trasaktionsdetails (Betrag, Empfängerkonto, …) auf einem separaten Gerät (Handy bzw. TAN-Generator) angezeigt. Dadurch kann ein Trojaner nicht mehr die Überweisung unbemerkt ändern. Vor diesem Problem schützen beide neuen Verfahren. Alle drei Verfahren, also iTAN, mTAN und chipTAN, stellen zusammen mit der PIN des Nutzers eine Zwei-Faktor-Authentifizierung dar: der Nutzer muss geheimes Wissen (die PIN) beweisen, und den Besitz eines physikalischen Gegenstands (TAN-Liste, Handy, TAN-Generator+Karte).

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass es einem Angreifer irgendwie gelungen ist, an die PIN zu kommen – was ohne einen Trojaner auf dem Rechner schwierig ist und in dem Fall die Gefahr relativiert, mit einem Trojaner jedoch trivial ist. Aufgrund der Zwei-Faktor-Authentifizierung sollte der Angreifer alleine mit der PIN (ohne den Besitz des entsprechenden Gegenstandes) nichts anfangen könnten.

Solange kein Trojaner auf dem Rechner ist und die TAN-Liste geheim bleibt, ist das iTAN-Verfahren sicher. Beim mTAN-Verfahren hingegen sieht es bereits anders aus: Hier muss nicht der PC, sondern das Handy sicher sein. Mit steigender Verbreitung von Smartphones und eher mangelhafter Sicherheit derselbigen wird das immer schwieriger. Während es für gewöhnliche Nutzer schwieriger ist, den Computer statt das Handy sauberzuhalten, kann das bei „Powerusern“ genau umgekehrt aussehen. Gelangt ein Angreifer in den Besitz der PIN und kann gleichzeitig das Handy mit Malware verseuchen, kann er das Konto plündern. (Update: Kunden einer spanische Bank sollen auf diese Weise angegriffen worden sein, das ist also keineswegs graue Theorie. Danke an wopot für den Hinweis! Update 2: Jetzt warnt auch das BSI vor dieser Art von Angriff. Update 3: Und jetzt gibts schon gezielte Angriffe auf deutsche User, ausgehend von einem verseuchten Rechner. QED.)

Eine weitere Gefahr bei der mTAN entsteht durch das Mobilfunknetz: Die mTANs werden per SMS verschickt. Diese sind bei der Übertragung nur sehr schlecht geschützt, und es existieren Angriffe, die SMS-Nachrichten an eine bestimmte Nummer bereits im Handynetz umleiten können. Beispiele für Angriffsmöglichkeiten wären: Die Nummer des Opfers portieren lassen, Klonen der SIM-Karte/des Handies, Abhören der SMS-Übertragung irgendwo zwischen Bank und Handy, das Bestellen einer neuen SIM-Karte, und und und. Darüber hinaus ist das meist immer mitgenommene Handy einer höheren Diebstahlsgefahr ausgesetzt als die TAN-Liste, die sicher zu Hause verwahrt wird.

Die mTAN ist im Szenario „PIN dem Angreifer bekannt, Rechner sauber“ somit weniger sicher als die iTAN.

Auch im Szenario „Computer verseucht“ beitet die mTAN keinen vollständigen Schutz: Heutige Smartphones werden oft mit dem Rechner verbunden, und ein Virus, der vom Computer auf das Smartphone überspringt um die mTANs zu stehlen ist technisch möglich und höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. (In diesem Fall versagt jedoch das bisherige iTAN-Verfahren ebenfalls.)

Das andere Verfahren, die chipTAN, ist nahezu ideal: Ein separates Gerät, welches ausschließlich für die TAN-Erzeugung genutzt wird, zeigt die Überweisungsdaten an und generiert anhand der Bankkarte eine nur für diese Überweisung gültige TAN. Auch hier gibt es zwar Angriffe, diese nutzen jedoch ähnlich wie mein letzter ePerso-Angriff Fehler des Nutzers aus. Mit einer eindeutigen Bedienungsanleitung können diese weitgehend vermieden werden. Dieses Verfahren ist selbst dann sicher, wenn alles außer dem chipTAN-Generator virenverseucht ist, da die Prüfung der Überweisungsdaten auf dem Display des Generators stattfindet. Da dieses Gerät eine abgeschlossene Einheit mit minimalem Funktionsumfang (und somit kaum Angriffsfläche) darstellt, dürfte es vor Viren sicher sein.

Das Problem: Die iTAN wird bei der Postbank abgeschafft, Kunden haben also nur noch die Wahl zwischen mTAN und chipTAN. Nur die mTAN kann allerdings ohne weitere Kosten für den Nutzer genutzt werden. Das weitaus bessere chipTAN-Verfahren erfordert, dass der Nutzer 12-15 Euro für ein passendes Lesegerät ausgibt. Das wird die Akzeptanz dieses Verfahrens nicht gerade fördern. Das mTAN-Verfahren ist aber in bestimmten Fällen weniger sicher als die bisherigen iTANs. Durch das von den Banken behauptete hohe Sicherheitsniveau könnte das im Missbrauchsfall für den Kunden ein ziemliches Problem vor Gericht werden.

Gleichzeitig machen die Preise für die TAN-Generatoren übrigens deutlich, was für eine Gelddruckmaschine die ePerso-Kartenleser mit Verkaufspreisen im dreistelligen Bereich sind bzw. welche Preisklasse die ordentlichen Lesegeräte haben dürften, wenn man sie statt der unsicheren Basisleser in großen Mengen herstellen lässt.

Zusammenfassung:
– Die iTAN ist gegen verseuchte Computer anfällig. Dies ist derzeit das größte Problem beim Onlinebanking.
– Die Abschaffung der iTAN wird insgesamt betrachtet die Sicherheit erhöhen
– Die mTAN kann das Problem lindern, aber nicht lösen.
– Die mTAN bietet in bestimmten Szenarien einen geringeren Schutz als die iTAN
– Die chipTAN hat ein sehr hohes Sicherheitsniveau, kostet aber den Nutzer Geld
– Einige Nutzer werden durch diese Änderung ein niedrigeres Sicherheitsniveau als bisher haben. Sicheres Onlinebanking kostet extra.
Die Nutzung des chipTAN-Verfahrens kann ich nur empfehlen.

Meiner Meinung nach sollten die Banken die chipTAN als Standardverfahren verwenden und genauso wie sie den Kunden ec-Karten zur Verfügung stellen, kostenlose TAN-Generatoren anbieten.

Durch die Nutzung eines separaten Geräts für die Erzeugung der TANs dürfte das chipTAN-Verfahren übrigens deutlich sicherer sein als die eID-Anwendung des ePersos – obwohl die Hardware einen Bruchteil kostet. Mit einem ähnlichen Ansatz (sichere Eingabegeräte mit Display und Tastatur im Besitz des Nutzers) ließen sich auch EC-Kartenzahlungen deutlich sicherer gestalten – da gibt es nämlich auch schon Sicherheitslücken.

Auch bei digitalen Signaturen sollte ein sicheres Signiergerät den zu signierenden Inhalt in einem simplen Fomat (z. B. Plaintext oder Bitmap) nochmal auf einem eigenen Display anzeigen und nur genau das signieren, was angezeigt wurde. Aber bis sich so etwas etabliert, dürften Jahrzehnte vergehen.

Asse – Mathematik der Lügen

2010-12-06 3 Kommentare

In „Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors“ hatte ich vor Jahren mathematisch erklärt, warum vermeintlich sichere Verfahren zum Erkennen von Terroristen (oder sonstigen Tätern) dazu führen würden, dass ziemlich viele Unschuldige eingelocht würden. Die Grundidee dabei ist: Wenn man mit einem Verfahren, was sich nur selten irrt, sehr sehr viele Menschen testet, wird es in einigen Fällen danebenliegen. Gibt es nun nur wenige Terroristen in der Gesamtmenge, meldet das Verfahren eventuell mehr Unschuldige als es Terroristen erkennt.

Mit der Asse (dem löchrigen einsturzgefährdeten Atommülllager) gibt es nun ein anderes mathematisches Problem. Da ich hier ZDF-Quellen habe, muss ich recht großzügig zitieren, weil das ZDF die Originalquellen depublizieren wird. Um die Asse wurde eine deutlich erhöhte Krebsrate beobachtet. Laut diesem ZDF-Beitrag schließt die Regierung einen Zusammenhang aber aus:

Die Anzahl der Krebsfälle rund um das marode Atomlager Asse liegen über dem Durchschnitt – einen Zusammenhang hat die Bundesregierung nun einem Bericht zufolge ausgeschlossen. Sie erklärte demnach die Erkrankungsrate mit „statistischen Zufällen“.

Ob es einen Zusammenhang besteht zwischen „erhöhter Krebsrate“ und „Da ist ein Berg in der Nähe den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader abgekippt haben. Danach ist da Salzlake durchgeflossen bis sie radioaktiv verseucht im Grundwasser gelandet ausgetreten ist“. – das kann man mathematisch nicht beweisen. Um zu beurteilen, ob es „statistische Zufälle“ sind, gibt es aber ein Verfahren. Das nennt sich Hypothesentest und klingt böser als es ist. Wir können damit keine Sachen beweisen, aber wir können damit Sachen wiederlegen. Beispielsweise die Behauptung, das Auftreten sei reiner Zufall und die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, sei nicht erhöht. Diese Behauptung nennt sich „Nullhypothese“. Die Gegenhypothese ist „ist doch kein Zufall, die Wahrscheinlichkeit ist erhöht“. (Wohlgemerkt: Die Ursache für die Erhöhung können wir nicht feststellen!)

Zunächst einmal zu den Parametern. Im Videobeitrag wird gesagt: „Die Fälle von Blutkrebs [haben sich] verdoppelt. Es sind 18 Neuerkrankungen an Leukämie bei 10000 Einwohnern.“ (Blutkrebs = Leukämie) Damit haben wir alle Werte die wir für die Berechnung brauchen: 18 Betroffene, 10000 Einwohner, normale Fallzahl wäre 9, d.h. eine Wahrscheinlichkeit von 9/10000. Welcher Zeitraum betrachtet wird wissen wir nicht, aber aufgrund der „verdoppelt“-Aussage können wir uns sicher sein, dass die Wahrscheinlichkeit sich auf den gleichen Zeitraum bezieht wie die Anzahl der Betroffenen.

Wir brauchen also eine Binomialverteilungstabelle. Das ist mit OpenOffice Calc (oder Excel) schnell erledigt, in Spalten B und C wird jeweils eingetragen:

=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;FALSCH)
bzw.
=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;WAHR)

(In Spalte A sind fortlaufende Zahlen von 0 bis 100 – weiter brauchen wir die Tabelle nicht, da die Wahrscheinlichkeiten im Bereich über 100 verschwindend gering sind)

Diese Tabelle gibt an, wie wahrschenlich es ist, dass genau eine bestimmte Anzahl Krebsfälle auftritt, wenn die Wahrscheinlichkeit tatsächlich 9/10000 ist. (Spalte B gibt diese Wahrscheinlichkeit an, Spalte C die aufsummierte Wahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit für „bis zu x Fälle“.)

Nun entscheiden wir uns, wie genau wir es haben möchten. Ich wähle einen maximalen Fehler von 1% (hätte meine Aussage also gerne mit 99%-iger Sicherheit). Wäre ja schlimm, wenn wir unsere Politiker zu Unrecht der Lüge bezichtigen würden. Nun sind alle Vorbereitungen getroffen und wir können unseren einfachen einseitigen Hypothesentest durchführen: Wir schauen in Spalte C (der summierten Wahrscheinlichkeit) und suchen den ersten Wert >= 99%. Dann lesen wir ab: links steht zu diesem Wert 17. Das bedeutet: Wenn die Krebsrate in der Asse-Umgebung nicht erhöht wäre, würden mit mindestens 99% Wahrscheinlichkeit höchstens 17 Leukämiefälle auftreten.

Die Behauptung, die Krebsrate sei nicht erhöht und die Häufigkeit vor Ort sei reiner Zufall, ist somit widerlegt. (Es ist damit allerdings nicht bewiesen, dass das auch tatsächlich etwas damit zu tun hat, dass direkt daneben ein Berg steht, den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader… ich glaub ich wiederhole mich.)

Nun kommen wir aber zur Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors zurück: Würde man einen Test mit einer Zuverlässigkeit von 99% auf tausend Orte anwenden, würde man selbst wenn alles normal wäre 1%, also 10 Orte, als Betroffen ansehen. Darüber versucht die Regierung sich auch rauszureden. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass hier 1000 Orte untersucht wurden, und einer betroffen war, sondern es wurde die Umgebung eines Bergs (den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll …) untersucht.

Um einen Zusammenhang mathematisch auszuschließen, müsste man den Test übrigens umgekehrt machen: Die Nullhypothese (das was zu widerlegen ist) wäre also „die Krebsrate ist erhöht“ und das würde man dann versuchen zu widerlegen. Wenn die Anzahl der Fälle über dem Mittelwert liegt, wird das allerdings nicht gelingen.

Was wären also mögliche Ursachen? Die Regierung stellt die Behauptung auf:

Um den beobachteten Anstieg mit Strahlung erklären zu können, müsste nach den vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnissen über die Entstehung entsprechender Krebserkrankungen die Dosis etwa 10.000 mal höher sein als beobachtet.

Wenn man fies und unsachlich wäre, könnte man diese Steilvorlage jetzt nutzen und Spekulationen über die Strahlendosis anstellen. Die kann man schließlich auch (absichtlich) falsch/an „passenden “ Orten messen. Das halte ich jedoch für unnötig: Radioaktivität die man von außen abbekommt ist eine Sache. Nicht gerade gesund, aber nicht allzu gefährlich, wenn man es mit einem anderen Problem vergleicht: In den Körper aufgenommene radioaktive Stoffe. Da kann die Strahlendosis in der Umgebung noch so gering und unter allen gefährlichen Werten sein, wenn man strahlende Partikel im Körper hat, hat man ein Problem. Alphastrahlung kann, wenn sie von außen kommt, keinen Schaden anrichten, da sie in den oberen (toten) Hautschichten abgefangen wird. Gelangt allerdings ein Alphastrahler in den Körper, können seine Strahlen verheerende Schäden anrichten (ungefähr 20x so viel wie Gammastrahlen!). Angesichts der Lecks ist das leider zumindest kein unrealistisches Szenario.

UPDATE: Das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen ist auch der Meinung, dass das kein Zufall ist. (Danke für den Link, Felix!) Welch Überraschung. Wohlgemerkt: damit ist immer noch nicht bewiesen, dass es auch tatsächlich an der Asse liegt – allerdings ist damit geklärt, dass die Behauptung der Bundesregierung („statistische Zufälle“) eine Lüge ist.

Wie man Leute zum Gegner des ePerso macht

2010-11-14 7 Kommentare

Eigentlich habe ich die Idee eines ePerso an sich nicht generell abgelehnt. Man achte auf die Wortwahl: Nicht wirklich befürwortet, aber sowas hat auch einige Vorteile und ich war nicht wirklich überzeugt, dass die Gefahren durch politischen Missbrauch tatsächlich so groß sind, wie einige behauptet haben. (Das hat natürlich nichts mit der technischen Sicherheit zu tun, die konkrete Implementierung halte ich für, … suboptimal.)

Die Argumentation der strikten Gegner online nutzbarer Ausweisdokumente ist folgende: Sobald es eine leichte Möglichkeit gibt, die Identität des Gegenübers im Netz zu prüfen, könnte sich schleichend zur Selbstverständlichkeit entwickeln (oder politisch durchgesetzt werden), im Netz immer den Ausweis vorzuzeigen, was die Anonymität im Netz zerstören würde. Damit wären Privatsphäre und vor allem freie Meinungsäußerung mehr oder weniger tot.

Ich habe diese Gefahr bisher als eher nicht so groß gesehen, zumal der Einsatz des Personalausweises für die Seitenbetreiber teuer und bürokratisch sein soll, und war vorsichtig optimistisch – mit einer vernünftigen Technik, die nicht auf Wirtschaftsförderung sondern auf vernünftiges Funktionieren optimiert ist, hätte so eine sichere Ausweismöglichkeit durchaus auch Vorteile – sichere Logins, Bankkonten online eröffnen, Onlineshops die Ware vielleicht eher mal auf Rechnung/Bankeinzug rausrücken statt auf Vorkasse zu warten, und vieles mehr. Daher auch mein Standpunkt, die Idee eines ePerso an sich nicht generell abzulehnen.

Herr Axel Fischer, natürlich von der CDU, hat es aber geschafft, mich mit einem Schlag zu einem überzeugten Gegner des Konzepts zu machen. Er konnte einfach nicht anders, als genau den befürchteten Missbrauch unverzüglich zu fordern. Danke, Herr Fischer, dass Sie mir die Augen geöffnet haben. Ach, das ist übrigens nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, also quasi der Internetexperte der CDU.

Das meiste ist bei Netzpolitik schon gesagt worden. (Update: Dieser Heiseforumskommentar bringts auch auf den Punkt.) Die Möglichkeit, sich anonym und somit sicher vor Repressalien zu äußern, ist eine Voraussetzung für eine freie Meinungsäußerung. Diesen Grundpfeiler der Freiheit abschaffen zu wollen passt in meinen Augen zu totalitären Zensurstaaten – die Forderung kommt für mich der Forderung gleich, hier einen solchen Staat zu errichten. (Mir ist sooo klar was jetzt für ein Kommentar kommt. Er ist langweilig und weder lustig noch interessant noch nötig. Der erste der ihn postet bekommt nen Fisch in seinen Kommentar geklebt.) Jede Meinungsäußerung zuordnen zu können ist nämlich besonders dann wichtig, wenn man unliebsame Äußerungen zügig bestrafen will.

Nur eines finde ich an dieser Forderung wirklich schade: Dass sie nicht rechtzeitig vor meinen ganzen Interviews rauskam.

CDU-Beschluss zur Netzpolitik, übersetzt

2010-10-26 8 Kommentare

Netzpolitik weist auf einen CDU-Vorstandsbeschluss hin, welcher (als letzten Punkt) auch die Netzpolitik erwähnt. Mit ein wenig Übung kann man aus solchen Beschlüssen durchaus Absichten herauslesen. Für die weniger erfahrenen, hier eine Übersetzung. Zitate sind gekennzeichnet und stammen aus dem verlinkten Dokument. Hervorhebungen von mir.

Sollte sich jetzt irgendwer von der CDU gekränkt fühlen und/oder der Meinung sein, dass die Übersetzung ungenau ist: Ihr habt die nächsten Jahre Zeit, das unter Beweis zu stellen. Aber bitte insgesamt und nicht in irgendwelchen Details. Viel Glück.

 

Die Übersetzung

 

Es ist unser Ziel, die Möglichkeiten des Internets in allen Lebensbereichen optimal nutzbar zu machen und den Standort Deutschland als moderne Informations- und Kommunikationsgesellschaft weiter zu entwickeln.

 

Wir wollen das Internet kommerzialisieren wo auch immer das möglich ist und die kommerzielle (Aus)nutzung des Internets fördern. Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang vor allem anderen.

 

Ein Netz ohne staatliche Mindestregulierung entspricht nicht unserer Vorstellung von politischer Verantwortung.

 

Wir wollen das Internet regulieren.

 

Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass zentrale und rein nationale Regelungen nur bedingt wirksam sind, gerade auch wenn es um Kriminalität im Internet geht. Fragen der Netzpolitik sind daher im europäischen und internationalen Dialog zu beantworten, Netzaktive und Branchenverbände werden wir dabei einbeziehen.

 

Wir wissen, dass wir unseren Überwachungswahn hier nicht durchgesetzt kriegen, weil uns die Bürger zu sehr auf die Finger schauen. Deswegen werden wir den Weg über die EU-Ebene und internationale Abkommen gehen. Lobbyisten werden dabei die Gesetzesentwürfe schreiben, während wir ein paar „Netzaktive“ ihre Meinung sagen lassen (die wir natürlich ignorieren), um die Massen ruhig zu stellen.

 

Dabei wird in der CDU die Abwägung zwischen „Freiheit“ und „Sicherheit“ stets eine wichtige Rolle spielen.

 

Die Freiheit darf die Sicherheit dabei nie einschränken. Wir fordern die totale Kontrolle.

 

So halten wir das Urheberrecht und das geistige Eigentum für schützenswerte Grundlagen von Innovation und Wirtschaftswachstum in unserer Gesellschaft.

 

Das Urheberrecht wird weiter nach Wünschen der Verwerterindustrie verschärft.

 

Auch ist es unserer Ansicht nach Aufgabe des Staates, etwa im Bereich des Daten-, Kinder-, Jugend- und Verbraucherschutzes, verbindliche Rahmenbedingungen für das Netz zu schaffen.

 

Unter dem Vorwand des Daten-, Kinder- und Jugendschutzes werden wir die Überwachung und Zensur des Internets vorantreiben und in Gesetzesform gießen. Mit ein paar wirkungslosen Verbraucherschutzregeln zünden wir eine Nebelkerze um ein – wenn auch irrelevantes – Gegenbeispiel zu haben, wenn man uns daran erinnert, dass wir eigentlich fast immer für die Lobbyisten und gegen die Verbraucher arbeiten. Falls wir am Datenschutz was ändern, werden wir „klare“ und einfache Rahmenbedingungen schaffen – „einfach“ dadurch, dass wir die Einschränkungen bei der Datennutzung reduzieren.

 

Die CDU hat eine Arbeitsgruppe „Netzpolitik“ eingerichtet, die für den Bundesparteitag 2011 programmatische Positionen erarbeiten wird, mit denen wir diese Entwicklung fördern, den Herausforderungen begegnen und die Bürger über die Chancen und Risiken der digitalen Welt informieren können.

 

Wir haben eine ganze Arbeitsgruppe eingerichtet, um so zu tun, als ob wir Ahnung vom Thema haben. Gleichzeitig werden wir uns intensiv bemühen, die Freiheit im Netz weiter einzuschränken und Propaganda über das große böse Internet zu verbreiten.

Stuttgart 21: Gezielte Kopfschüsse mit Wasserwerfern

2010-10-07 6 Kommentare

Zu den Wasserwerfereinsätzen der Polizei in Stuttgart habe ich ein Video gefunden, wo ein Wasserwerfer bei einzeln stehenden Personen aus relativ geringer Entfernung gezielt auf den Kopf zielt, und zwar mit einem ziemlich kräftigen Strahl. Wozu das führen kann, hat man ja leider gesehen. Auf diesem Video bei 2:47 (direkt nach dem kleinen Schnitt) sieht man einen solchen Vorfall – da scheint es übrigens so, als würde gezielt ein Fotograf/Kameraman aufs Korn genommen, was ich besonders abartig finde.

Damit man besser sieht was passiert, habe ich hier mal die relevanten Frames extrahiert und ein langsam abgespieltes animiertes GIF daraus gemacht. Man sieht eindeutig, wie der Strahl genau den Kopf trifft, und man sieht auch die Wucht, mit welcher der Strahl auftrifft. Die ersten Bilder sind vom Einschlag des Strahls, die letzten zwei (in etwas größeren Abständen) zeigen die Situation direkt danach. Im letzten Bild (etwa eine Sekunde nach dem Einschlag des Strahls) sieht man dann, dass vor dem Fotografen mehrere Meter frei waren und der Strahl deutlich über die Plane hinwegging, die ein paar Leute in der Nähe des Wasserwerfers gespannt hatten. „Versehentlich zu hoch geschossen“ dürfte (auch angesichts des Volltreffers) also keine Ausrede sein. Links, rechts und hinter dem Fotografen waren übrigens auch Köpfe – anders als mit Absicht ist das meiner Meinung nach kaum zu erklären.

Das Bild gibts wegen der Größe erst nach dem Klick: Hier klicken zum Weiterlesen

Stuttgart 21: Entgegenkommen, Baustopp oder Verarsche?

2010-10-07 1 Kommentar

Derzeit wird desöfteren betont, dass in naher Zukunft wegen Stuttgart 21 weder Bäume gefällt werden noch der Südflügel abgerissen wird. Das wird dann als Entgegenkommen verkauft, oder gar als der von den Gegnern des Projekts geforderte Baustopp.

Der SWR schreibt dazu:

Mappus (CDU) bekräftigte, dass es bis zur Landtagswahl am 27. März 2011 keine weiteren Abrissarbeiten mehr gebe. „Da ist in den nächsten Monaten nichts notwendig, was in irgendeiner Weise provozieren könnte.“ Außerdem fügte er hinzu, dass bis 2011 auch kein Baum im Schlossgarten mehr gefällt werde. […] Der Südflügel sei für den Baufortschritt nicht notwendig. „Wir werden ihn so bestehen lassen. Und ich glaube, das ist ein Signal“, sagte die Ministerin

Ich lese da keineswegs ein Entgegenkommen oder einen Baustopp. Ich lese da: „Die Bauarbeiten werden wie geplant fortgesetzt. Die Bäume, die gefällt werden müssen, haben wir in der (vermutlich illegalen) Hau-Ruck-Aktion schon gefällt, und alles was wir in nächster Zeit abreißen müssen ist schon abgerissen, den Rest machen wir nach der Wahl, wenn die anderen Tatsachen geschaffen sind, das hat ja eh Zeit.“ Tolles „Entgegenkommen“. Die Medien und die Bevölkerung so zu verarschen ist aber sowohl typisch für das ganze Projekt, als auch geschickt – denn leider werden wohl zumindest einige drauf reinfallen.

Genauso toll ist übrigens, wie ständig davon gesprochen wird, dass „die ersten“ Bäume schon gefällt wurden. Nach der obigen Aussage scheint es so zu sein, als ob alle relevanten Bäume in dem Teilstück gefällt wurden. Und zwar höchstwahrscheinlich rechtswidrig gegen den enstprechenden Beschluss des Eisenbahnbundesamtes. Das problematische daran: Würde noch mindestens ein Baum dort stehen und der Beschluss umgesetzt – wie man leicht vermuten könnte wenn die Medien von den ersten gefällten Bäumen sprechen – würde sich das Bauvorhaben verzögern. Ist aber erstmal abgeholzt, bleibt nur noch die langwierige Diskussion über mögliche (Geld-)Strafen – der Bau kann weitergehen. Ich wette, die Geldstrafe bzw. eventuelle Kosten für Ersatznaturschutzmaßnahmen werden nur einen Bruchteil dessen betragen, was eine Bauverzögerung gekostet hätte, sodass sich das rechtswidrige Verhalten für die Bahn unterm Strich richtig fett lohnt. Vor allem wenn man bedenkt, dass ein Monat Verzögerung plus Winter plus (evtl. sogar vorgezogene) Landtagswahlen ein Aus für das Projekt ergeben können, bevor die Bahn ausreichend viele Fakten schaffen kann. Meiner Meinung nach müsste sichergestellt werden, dass Geldstrafen in solchen Fällen den Gewinn durch das rechtswidrige Verhalten deutlich übersteigen, oder die verantwortlichen Personen Haftstrafen bekommen.

Sollte ich mich in irgendeinem Punkt irren, hinterlasst bitte einen Kommentar. Ich bin nicht vor Ort und kann daneben liegen. Wäre in diesem Fall schön, wenn es so wäre. Ansonsten ist nämlich das, was hier als „Geste des guten Willen“ verkauft wird, eine astreine Verarsche.