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Steuerentlastungen für Kleinkinder?

2008-08-13 4 Kommentare

laut ZDFheute:

hat der Wirtschaftsweise Peter Bofinger vorgeschlagen, jedem Bürger 125 Euro Steuern zurückzuzahlen. Damit könne Geringverdienern gezielt und rasch geholfen werden.

„Das wären bei einer vierköpfigen Familie immerhin 500 Euro“, sagte Bofinger dem „Tagesspiegel„. Insgesamt koste dies den Staat zehn Milliarden Euro […]

Selbstverständlich könnte gemeint sein, dass aus den Steuern allen Bürgern dieser Betrag zur Verfügung gestellt werden soll (schließlich zahlen alle zumindest indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer), wofür die Zahlenbeispiele eigentlich sprächen. Die gewählten Worte „Steuerschecks“, „Steuerrückzahlung“, „Steuerentlastungen“, „Steuern zurückzahlen“ klingen für mich jedoch eher so, dass diese 125 EUR pro Person nur mit der Einkommensteuer verrechnet werden sollen, ebenso wie die Tatsache, dass die am wenigsten „verdienende“ Gruppe, nämlich die ALG2-Empfänger, in der Auflistung fehlen. Und da ich bei Politikern inzwischen leider nicht davon ausgehe, dass sie das tun, was gut ist, sondern das, was gut klingt aber wenig kostet, gehe ich stark davon aus, dass die zweite Variante zutrifft. (UPDATE: Und damit irrte ich mich wohl, s.u.)

Bisher hatte ich den Eindruck, dass „vierköpfige Familien“ typischerweise aus zwei Erwachsenen (die auch nicht unbedingt beide arbeiten, aber das ließe sich über das Ehegattensplitting regeln) und zwei üblicherweise nicht arbeitenden Kindern bestehen. Zudem zahlen gerade Geringverdiener nicht unbedingt mindestens 125 EUR an (Einkommen-)Steuern. Wie also derartige Steuerentlastungen gerade besonders Geringverdienern helfen sollen, ist mir ebenso unklar wie die Behauptung, dass eine vierköpfige Familie dadurch 500 EUR sparen soll.

Ich gehe daher davon aus, dass selbst wenn so etwas beschlossen würde, die wirklichen Geringverdiener nichts davon hätten, weil es dann über die (direkten, d.h. Einkommen-) Steuern geht und somit Nicht-Direktsteuerzahler nichts bzw. wenig-Steuerzahler wenig bekommen. Woduch auch die zehn Milliarden an Ausgaben rapide schrumpfen würden.

Etwas anderes wäre es natürlich, wirklich jedem Bürger 125 EUR zu spendieren, und zwar nicht mit Hilfe der Einkommensteuer. Das würde auch und vor allem denen zugute kommen, die es wirklich nötig haben (Arbeitslose, Familien mit kleinen Kindern) und wirklich den Geringverdienern helfen. Aber vor allem Erstere zählen ja heutzutage eh als wertlose, arbeitsscheue Asoziale die man möglichst schlecht behandeln muss, direkt danach kommen die, die nicht „einen angemessenen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands“ leisten, oder wie auch immer es der nächste Politiker gerne nennen würde.

Habe ich etwas übersehen oder wird da in den Medien gerade viel öffentlichkeitswirksamer verbaler Durchfall abgesondert, sei es in Form ungenauer Begriffswahl („Steuerrückzahlung“) oder mit den Behauptungen, dass es gerade Geringverdienern und vierköpfigen Familien helfen würde?

UPDATE: Mathias weist darauf hin (danke!), dass Bofinger als ein von den Gewerkschaften berufener Wirtschaftsweise vermutlich durchaus eine Rückerstattung an alle meinen könnte. Davon unabhängig ist natürlich, was die Politiker daraus machen. Das US-Konjunkturprogramm nennt das Geld auch „Steuervergünstigung“ und es richtet sich an nahezu alle Bürger (So wie ich es verstehe: Vereinfacht gesagt bekommt jeder der über 3000$ „qualifiziertes Einkommen“ im letzten Jahr hatte mindestens 300$, auch für jedes Kind gibt es je 300$, je nach Einkommenshöhe gibt es dann noch mehr oder bei hohen Einkommen weniger). Hoffen wir also, dass wenn die Politiker hierzulande so etwas beschließen, sie die vernünftige Variante bevorzugen, bei der dann die genannten Beträge doch stimmen würden.

UPDATE 2: Dieser Kommentar bei Welt.de spricht sehr eindeutig von 125 EUR für jeden Deutschen.