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Bestandsdatenauskunft – neues Überwachungsgesetz und Demos dagegen

2013-04-10 3 Kommentare

Die Bundesregierung hat sich mal wieder ein neues Überwachungsgesetz ausgedacht: Die Bestandsdatenauskunft. Nachdem das BVerfG (mal wieder) ausufernde und schwammig formulierte Überwachungsbefugnisse kassiert hatte, musste „natürlich“ gleich ein neues Gesetz her, um die kassierten Befugnisse wieder einzuführen und noch weiter auszuweiten.

Worum geht es dabei? Eine Kurzzusammenfassung gibt es bei bestandsdatenauskunft.de, wo auch noch weitere Probleme aufgezeigt werden. Etwas ausführlicher:

Ermittlungsbehörden und Geheimdienste werden ermächtigt, auf sogenannte „Bestandsdaten“ zuzugreifen. Was das ist, ist zwar schwammig formuliert, aber sicherheitshalber wird sehr deutlich erwähnt, dass dazu auch Passwörter zählen, und die Abfrage auch anhand von IP-Adressen möglich sein soll. Ein Richtervorbehalt ist nur beim Zugriff auf Passwörter vorgesehen. Die anderen Abfragen, insbesondere also die Identifizierung von Internetnutzern anhand der IP-Adresse, sollen bei größeren Providern sogar über eine automatisierte Schnittstelle ablaufen. Hierfür reicht es, wenn die abfragende Stelle der Meinung ist, „für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben“ diese Daten zu benötigen, und eine Rechtsgrundlage dafür vorweisen kann.

Die Rechtsgrundlage wird gleich mitgeschaffen, indem z. B. das BKA-Gesetz geändert wird (Art. 3 des Entwurfs). Danach darf das BKA Daten erheben, wenn es sie für seine Aufgaben gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKAG braucht. Dort steht „genau“, welche Daten das BKA braucht: „alle hierfür [gemeint: für Verfolgung und Prävention bestimmter Straftaten] erforderlichen Informationen“ – auf gut Deutsch: Alle Daten, auf die es gerade Lust hat und sie für „erforderlich“ hält.

Das ist nur ein Beispiel, es werden auch noch die Befugnisse anderer Behörden auf ähnliche Art und Weise ausgeweitet. Auf Grundrechte wurde nicht im Geringsten Rücksicht genommen. Die Verhältnismäßigkeit wird nirgendwo geprüft, in den meisten Fällen ist nicht einmal ein Richtervorbehalt gefordert (nicht dass der viel bringen würde).

Mit den Passwörtern z. B. für Facebook, Google- und E-Mail-Accounts können die Behörden dann weitere Überwachungsmaßnahmen durchführen, z. B. über Facebook den Freundeskreis ausforschen, E-Mails mitlesen, eine Onlinedurchsuchung bei Online-Speicherdiensten machen,  über den Play-Store Schadsoftware auf Android-Geräte installieren, mit der PUK die auf einer SIM-Karte hinterlegten Kontakte und SMSen lesen, mit dem Google-Accountpasswort die Bildschirmsperre eines Android-Handies aufheben. Ob sie das dürfen, dürfte die Behörden nicht interessieren. (Siehe z. B. illegaler Einsatz des Bayerntrojaners). Die strengeren rechtlichen Anforderungen für Überwachungsmaßnahmen wie die TKÜ werden somit komplett unterlaufen.

Durch die Massenabfrage von IP-Adressen können Massen-Überwachungsaktionen durchgeführt werden. Die rechtswidrige, aber trotzdem regelmäßig durchgeführte Überwachung und Zurückverfolgung von Internetnutzern, die Behördenseiten besuchen, wird damit viel einfacher und dürfte massenhaft eingesetzt werden. Bei solchen Aktionen gilt für viele Behörden sowieso das Motto „Legal, illegal, scheißegal“ – die Überwachung in NRW fand auch statt, nachdem das ausdrücklich für rechtswidrig erklärt worden war. Dank automatischer Schnittstelle wird massenhafter Missbrauch ala Dresdner Handydatenskandal viel leichter und unauffälliger.

Wer es selbst nachlesen will: Das Gesetz wurde nach anfänglicher Kritik geändert, sodass jetzt ein Originalentwurf und ein Änderungstext existiert, falls ich eine zusammengefasste Version finde, werde ich den Link hier nachtragen. (Edit: hier findet sich eine von Freiwilligen erstellte Version – Danke!)

Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz (das erkennt man übrigens an der Formulierung „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates…“ im Gesetzesentwurf). Ohne die Zustimmung im Bundesrat kann die Bundesregierung das Gesetz also nicht beschließen, und dort hat sie keine Mehrheit. Leider hat die SPD bereits versprochen, das Gesetz und damit diesen eklatanten Grundrechteabbau zu unterstützen, und verkauft das als „wichtigen Kompromiss„, weil sie es geschafft haben, einige kleine Verbesserungen einzubringen. Das ändert aber nichts daran, dass die Bestandsdatenauskunft inakzeptabel ist, und die SPD diesen Grundrechteabbau ohne Not und freiwillig mitträgt. Vielleicht überlegen sich einige Landes-SPDs ja noch, ob sie da mitmachen wollen, wenn sie merken, dass die Öffentlichkeit zuschaut.

Deswegen finden bundesweit friedliche Demos in über 25 Städten statt. Los geht es bereits dieses Wochenende (bundesweiter Aktionstag ist der 14.4., einige Städte fangen schon früher an), die zweite Runde gibt es am 27.4. (auch hier machen einige Städte die Demos schon früher). Die genauen Orte finden sich z. B. im Protestwiki. In Frankfurt am Main fängt die Demo am 14.4. um 13:00 Uhr am Römer an. (Nazis sind bei den Demos übrigens ausdrücklich nicht willkommen.)

Kommt nicht nur zu den Demos, sondern weist auch andere Leute auf die Bestandsdatenauskunft und die Demos hin, und fordert sie auf, ebenfalls Leute mitzubringen und auf die BDA hinzuweisen! Aktuell ist das Thema selbst unter politisch aktiven Informatikern viel zu wenig bekannt, da die Medien bisher kaum darüber berichtet haben.

Bestandsdatenauskunft ist Scheiße – und nun?

Es gibt einige Leute, die der Meinung sind, wir müssten Alternativen zur BDA aufzeigen, um sie kritisieren zu dürfen, und die Ermittlungsbehörden würden solche Befugnisse brauchen, um uns vor Kriminalität zu schützen. Das ist im Fall der Bestandsdatenauskunft reiner Unsinn. Die Bestandsdatenauskunft in der jetztigen Form missachtet sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze, pfeift auf Verhältnismäßigkeit, und erlaubt nahezu beliebigen Behörden, nahezu beliebige Bestandsdaten inkl. Passwörtern abzugreifen – außer bei den Passwörtern sogar ohne jegliche richterliche Kontrolle!

Als Piraten und Bürgerrechtsaktivisten ist es nicht unsere Aufgabe oder Pflicht, Vorschläge für „bessere“ Überwachungsgesetze zu schreiben, und ich bin maßlos enttäuscht von jedem, der ohne das Problem wirklich verstanden zu haben, die darin enthaltenen Überwachungsbefugnisse kleinredet und das Gesetz verharmlost (ja, tarzun, das gilt insbesondere für Leute die im Piratenvorstand sitzen) und so die Salamitaktik des stetigen Grundrechteabbaus unterstützt.

Wir brauchen aktuell keine weiteren Erweiterung der Rechte der Ermittlungsbehörden, sondern erstmal ein Freiheitspaket, was die katastrophalen Änderungen der letzten 20 Jahre rückgängig macht. Weiterhin brauchen wir Ermittlungsbehörden, die Befugnisse und Möglichkeiten nicht missbrauchen, und bei denen Missbrauch ernsthaft geahndet wird. Wenn wir Ermittlungsbehörden haben, die sich zuverlässig an geltendes Recht halten, dann und erst dann können wir darüber nachdenken, ihnen die und nur die Befugnisse zu geben, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwingend benötigen, unter Einhaltung aller machbaren Vorsichtsmaßnahmen. Eine automatische Identifizierung von Internetnutzern ist unnötig, und es gibt keine Rechtfertigung dafür, irgendeine derartige Maßnahme ohne wirksamen Richtervorbehalt einzuführen.

Die BDA wäre auch dann abzulehnen, wenn Passwörter nur bei Verdacht auf bestimmte Straftaten abgefragt werden dürften, denn wer verdächtig ist, ist noch nicht schuldig. Ein Verdacht hebt das Grundrecht auf Privatsphäre nicht auf. Natürlich wäre es für die Behörden hilfreich, wenn sie alles dürften. Das darf in einem Rechtsstaat aber nicht das Kriterium sein.

Selbst wenn eine Erweiterung der Befugnisse der Behörden für sinnvoll erachten würde, kann die Diskussion darüber nicht auf Basis eines völlig überzogenen, verfassungswidrigen Gesetzes geschehen. Denn das ist die übliche Taktik „das zehnfache des Sinnvollen fordern, um am Ende das doppelte zu bekommen“. Das kann man sich etwa so vorstellen:

Regierung: „Hey, ich werde dir zehn Backsteine in den Arsch schieben“
Bürger: „WTF? NEIN! WAS FÄLLT DIR EIN!“
Regierung: „Ok, du hast gewonnen. Zwei sind ein fairer Kompromiss!“
Bürger: „Hm, immer noch scheiße, aber naja…“ *bück*

Deswegen kann es über die Bestandsdatenauskunft keinerlei Debatte geben, außer die Forderung nach kompletter Ablehnung. Wir müssen auch keinen „Gegenvorschlag“ für weitere Überwachungsgesetze machen. Unser Gegenvorschlag lautet: Die Grundrechte achten und bewahren!

Wenn wir nicht für unsere Grundrechte kämpfen, wenn wir dieses Gesetz ohne massiven Widerstand durchgehen lassen, dann war das nur der Anfang – dann folgen noch dreistere Gesetze, bis „Privatsphäre“ nur noch in Geschichtsbüchern zu finden ist.

Schlechte Nachrichten für Bürgerrechte

2011-11-07 5 Kommentare

Leider bin ich nicht direkt dazu gekommen, diese Zusammenfassung zu schreiben, aber vielleicht ist es ja auch besser, diese „tollen“ Beschlüsse unserer Regierung mal gesammelt zu sehen, nachdem man sie schon vergessen wollte. Um den folgenden Mist zu beschließen, haben die Parlamente übrigens nur zwei Tage (27. und 28.10.) gebraucht.

Fangen wir an mit dem Beschluss, dass das Erststudium nicht als Werbungskosten absetzbar ist. Über den Sinn dieser Änderung kann man sich streiten, aber der wirkliche Hammer kommt zum Schluss: Um die armen Besserverdiener unter den Studierenden nicht zu überlasten, können z. B. teure Privatunis jetzt besser abgesetzt werden. Unsere Regierung kann wohl nichts beschließen, ohne der FDP-Klientel noch ein paar Geschenke mit einzupacken.

Weiter gehts mit dem „Schuldenschnitt“ für Griechenland. Statt einem wirklichen Schuldenschnitt (ein Teil der Schulden verfällt) sollen die (wertlosen) Griechenland-Anleihen zu 50% des Nennwerts (also deutlich über dem tatsächlichen Wert) in europäische oder von der EU garantierte Anleihen umgetauscht werden. Statt einem Schuldenschnitt gibt es also auch hier Geschenke, diesmal vor allem für die Banken.

Dafür wollte unsere Regierung auch mal was dem Volk schenken, zum Beispiel kostenlose Warteschleifen und ein Ende des Abofallenbetrugs im Internet. In der entsprechenden Reform des Telekommunikationsgesetzes hat sie leider „vergessen“, Breitband-Internet zum Universaldienst zu machen (womit die Anbieter wie bei Trinkwasser und Telefon verpflichtet wären, es überall bereit zu stellen). Auch die Netzneutralität, die eigentlich in die Reform rein sollte, ist wohl nicht so ganz verankert worden. Dafür wurde in dem netten Paket mal eben die Vorratsdatenspeicherung versteckt – und zwar in letzter Sekunde und dann schnell beschlossen, damit das Parlament ja nicht merkt, worüber es gerade abstimmt.Zwar ist die neue Vorratsdatenspeicherung nicht verpflichtend, aber dafür dürfen die Provider jetzt freiwillig speichern. Angesichts dessen, dass viele das schon bisher (illegal!) getan haben, dürfte sich ein großer Datenberg ansammeln, aus dem sich die Ermittlungsbehörden bedienen können. Somit hat die Regierung zwar mal wieder „Für unsere Bürger“ auf das Paket draufgeschrieben, mit dem Inhalt spielen werden aber vor allem die Ermittlungsbehörden. Einige populäre Verbesserungen beim Verbraucherschutz (die durchaus dringend nötig waren!) hat die Regierung aber doch reingepackt – vermutlich, um es dem Bundesrat schwerer zu machen, das Gesamtpaket abzulehnen. Der Bundesrat ist nämlich fest in der Hand der Opposition, und dort muss das Gesetz noch durch. Hier ist die Hoffnung also noch nicht ganz verloren – auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Verräterpartei ihrem Namen wieder gerecht wird, obwohl sie im Bundestag dagegen gestimmt hat.

Aber wo wir bei Überwachungsgeschenken sind: Die Linke hat beantragt, jemandem etwas wegzunehmen. Nämlich der Polizei das Recht, den Bundestrojaner zu nutzen, nachdem diese gezeigt hat, wie „verantwortungsvoll“ sie damit umgehen kann (zur Erinnerung). Dass der Antrag gegen die Stimmen von Union und FDP keine Chance hat, war klar. Dennoch konnte die SPD (als Oppositionspartei!) sich nicht nehmen lassen, gegen den Antrag und somit für den Bundestrojaner zu stimmen. Würde jeder Missbrauch eines Überwachungsrechts dazu führen, dass es eingeschränkt oder zurückgenommen wird, würden die Ermittlungsbehörden vielleicht lernen, damit verantwortungsvoller umzugehen. Schade, dass diese Chance, hier den Anfang zu machen, verpasst wurde.

Stattdessen hat die Bundesregierung lieber mal die Anti-Terror-Gesetze verlängert – und nebenbei noch ein wenig verschärft, indem sie z. B. Geheimdiensten die „Selbstbedienung“ an den Flugreisedaten erlaubt haben. Auch hier hat die SPD sich wieder einmal als Verräterpartei betätigt und trotz Oppositionsrolle gegen Bürgerrechte und für die Verlängerung gestimmt. Ach, und wo wir schon bei „Anti-Terror“ sind, hier noch ein alter, aber guter Artikel von heise/c’t zur Anti-Terror-Datenbank, wo man sieht, was da so alles gespeichert wird. Die Lobby, die dafür sorgt, dass solche „Sicherheits“gesetze produziert werden, hat übrigens Jörg Tauss für Gulli aufgedeckt.

Das Europäische Parlament hat sich natürlich nicht lumpen lassen und gleichzeitig ein Abkommen beschlossen, nach dem Australien die Flugreisedaten erhält und fünfeinhalb Jahre speichern darf. Mit 463 zu 96 Stimmen übrigens, falls noch irgendwelche Hoffnungen bestanden, das EU-Parlament würde sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzen. Die übermittelten Daten enthalten unter anderem Kreditkarten- und Telefonnummern, IP-Adressen und besondere Essenswünsche (aus denen vermutlich auf die Religion geschlossen werden soll, die nicht explizit übermittelt wird). Auch ein nettes Geschenkpaket, oder?

Das einzig halbwegs Erfreuliche waren die Nachrichten über den ePerso ein paar Tage später. Schade um die verschwendeten Steuergelder, aber gut für die Bürgerrechte – wie erwartet folgte der ePerso dem Schicksal der meisten IT-Großprojekte von Bundesregierungen und wurde ein grandioser Fehlschlag: Sicherheitslücken ohne Ende, kaum Angebote, kaum Nutzer bei bestehenden Angeboten, nicht einmal die Hälfte der Ausweise mit aktiver eID-Funktion – aber leider auch schon wieder Ideen, wie man den Perso z. B. mit einer DNA-Datenbank „verbessern“ könnte.

Oft übersehene Lügen zum Bundestrojaner

2011-10-11 16 Kommentare

In der derzeitigen Debatte zum Bundestrojaner werden ein paar Dinge oft von der Presse übersehen und von den Verantwortlichen falsch dargestellt. Die zwei Wichtigsten nehme ich hier mal auseinander (Liste wird ggf. noch ergänzt):

Behauptung:
„Beim Einsatz der Trojaner wurden alle rechtlichen Vorgaben eingehalten“

GELOGEN In Bayern hat einer der Trojaner Screenshots angefertigt. Das war nach rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts rechtswidrig. Illegal, verboten, gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßend. Unbestreitbar, ohne wenn und aber. Die (leider von der Presse oft übernommene) Behauptung, die rechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, ist also eine dreiste Lüge. Konkret hatte das Bayrische Innenministerium behauptet:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden.

Auf Unwissenheit wird man sich hier angesichts der Bekanntheit des Urteils kaum berufen können.

Behauptung:
„Trojaner werden nur zur Verfolgung schwerer Straftaten wie Terrorismus verwendet“

GELOGEN In den bekannten Fällen handelt es sich einmal um Drogenhandel, einmal um möglicherweise nach Betäubungsmittelgesetz illegale Ausfuhr von zugelassenen Medikamenten und einmal um Diebstahl, siehe Fefe.

Noch Ärgerlicher ist allerdings, dass die Gelegenheit genutzt wird, Forderungen nach mehr (!) Überwachungsbefugnissen zu stellen. Die GDP (Gewerkschaft der Polizei, nicht zu verwechseln mit der DPolG oder dem BDK) fordert einen „sauberen rechtlichen Rahmen“, will also ein Gesetz, was die Überwachung erlaubt.

Wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, dann ist die richtige Reaktion darauf in der Regel, ihn in den Knast zu stecken, und nicht, den Gesetzesbruch zu legalisieren! Wenn Vertrauen und bestehende Privilegien missbraucht werden, dann gehören diese Privilegien entzogen, nicht ausgeweitet.

Meiner Meinung nach müssten:

  • Sämtliche Verantwortlichen (und nicht nur ein paar Bauernopfer) zur Rechenschaft gezogen werden. Das beinhaltet insbesondere eine Entlassung und Strafverfahren, und wir reden hier sicher von Dutzenden von Verantwortlichen.
  • Die Überwachungsbefugnisse der Behörden massiv zusammengestrichen werden. Nicht nur muss die Verwendung von Spionagesoftware unmissverständlich untersagt werden, auch die sonstigen Befugnisse dürfen nicht unangetastet bleiben. Der Richtervorbehalt muss gestärkt werden, eine ausführliche Begründung sollte Pflicht werden. Wenn Richter pro Fall erstmal 1-2 Seiten individuelle, nicht aus Textbausteinen bestehende Begründung selbst abfassen müssten, wäre schon viel gegen ausufernde Überwachung ohne richtige Prüfung getan. Wenn der Richter überlastet ist, bleiben die Anträge halt so lange liegen, bis die Behörden gelernt haben, die Maßnahmen nur in Fällen anzuwenden, wo sie wirklich nötig sind.
  • Sämtliche Überwachungsmaßnahmen nachträglich geprüft und bei Verstößen sofort empfindliche Strafen verhängt werden.

Wird natürlich nicht passieren, solange die CDU an der Regierung ist. Vermutlich wird es vielmehr ein Alibi-Gesetz geben, was 1-2 Überwachungsbefugnisse reduziert und dafür an anderer Stelle zahlreiche andere ausweitet, und vielleicht müssen 1-2 Leute mit großzügigen Pensionen gehen, natürlich ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.

Beschäftigug für lästige Bürger

2011-10-04 1 Kommentar

Die Online-Petitionsplattform des Bundestages klang nach einer tollen Idee für mehr Bürgerbeteiligung. Nach einer Weile wurde sie aber bekannt und beliebt, und es kamen die ersten Mega-Petitionen – und mit ihnen die Abstürze, wenn zu viele Bürger mitzeichnen wollten. Eine neue Software wurde beschafft, womit man sich umständlich registrieren musste, um mitzeichnen zu können. Als sich auch davon nicht genug Bürger abschrecken ließen, brach das System wieder zusammen. Dennoch kamen immer wieder große Petitionen zustande – und wurden, egal wie viele mitzeichneten, vom Bundestag kaum beachtet.

Um dafür zu sorgen, dass das Portal nicht durch Massen von Unfug unbenutzbar wird, gibt es dort eigentlich Richtlinien. Diese besagen unter anderem:

Voraussetzung für eine öffentliche Petition ist, dass die Bitte oder Beschwerde inhaltlich ein Anliegen von allgemeinem Interesse zum Gegenstand hat und das Anliegen und dessen Darstellung für eine sachliche öffentliche Diskussion geeignet sind. […] Eine öffentliche Petition einschließlich ihrer Begründung wird nicht zugelassen, wenn sie […] offensichtlich unsachlich ist oder der Verfasser offensichtlich von falschen Voraussetzungen ausgeht […]

Trotzdem kamen immer mehr Petitionen durch, wo das „allgemeine Interesse“ sehr fragwürdig war. Ärgerlicher als das waren allerdings die völlig unsinnigen Petitionen, die bereits existierende Dinge forderten – also nach den Richtlinien hätten ausgeschlossen werden müssen. Auch diese häuften sich. Wenn mehrere Petitionen zum gleichen Thema eintrafen, wurde ein Text ausgewählt (was ja auch sinnvoll ist) und nur dieser als öffentliche Petition behandelt. Da die Texte jedoch oft auffallend schlecht waren, drängte sich der Verdacht auf, dass hier absichtlich eine der schlechtesten Petitionen als „Muster“ gewählt wurde, um die Zustimmung und Beteiligung zu senken.

Viel schlimmer aber ist, dass gleichzeitig gut ausgearbeitete Petitionen zu tatsächlich relevanten Themen nicht als öffentliche Petition behandelt wurden – wodurch das Sammeln von Unterschriften massiv erschwert wurde. Im Fall der „108e-Petition“ gegen Abgeordnetenbestechung habe ich davon erfahren: Diese wurde (auch auf Nachfrage)ohne nähere Begründung abgelehnt. Wie viele sinnvolle Petitionen so unter den Teppich gekehrt worden sind, weiß man nicht.

Man könnte jetzt schon Absicht unterstellen, aber dazu gibt es einen schönen Grundsatz: „Never attribute to malice that which is adequately explained by stupidity.“ (Gehe nicht von Vorsatz aus, wenn etwas durch Dummheit ausreichend erklärt werden kann). Gerade zu den Zeiten, wo das Portal sehr aktiv war, wäre die schlechte Sortierung der Petitionen durch Überlastung erklärbar. Auch schlichte Inkompetenz wäre eine denkbare Erklärung. Eine Absicht kann man also nicht direkt unterstellen. Oder?

Dieser Zustand hält jetzt schon seit Jahren an. Wenn die Arbeit des Petitionsausschusses ernst genommen würde, wäre es für den Bundestag ein leichtes, eine ausreichende Menge an kompetentem Personal dafür einzustellen. Da das nicht geschehen ist, ist klar, dass echte Bürgerbeteiligung nicht gewünscht ist. Entweder es werden bewusst gute Petitionen unterdrückt, oder es wird bewusst nichts getan, damit der Petitionsausschuss seine Arbeit ordentlich macht/machen kann. So oder so ist klar, dass diese Plattform nur dazu dient und dienen soll, Bürger ihre Wünsche irgendwo äußern zu lassen, wo man sie bequem ignorieren kann, und die Zeit von engagierten Bürgern zu verschwenden.

Das Fass zum Überlaufen brachte eine Petition, die die Wiedereinführung einer Regelung im Personalausweisgesetz forderte: Wer einen Pass besitzt, soll keinen zusätzlichen Perso brauchen. Dummerweise steht das immer noch genau so im Gesetz (§ 1 Abs. 2) und wäre dort auch einfach zu finden gewesen. Die Petition ist inzwischen nicht mehr verfügbar, nachdem es im Forum massiv Kritik hagelte. (Mein Beitrag, der auch die Arbeitsweise des Ausschusses kritisierte, wurde auch verschwunden).

Deswegen ist der Petitionsfeed aus meinem Newsreader geflogen, und von mir gibts auch keine Werbung oder Mitzeichnung für Petitionen, die über dieses Portal laufen, solange es sich nicht um eine der „großen“, hauptsächlich außerhalb des Portals ablaufenden Petitionen handelt – egal wie sinnvoll der Text aussehen mag. Ohne massiven Öffentlichkeitsdruck sind die Petitionen sowieso sinnlos – außer als Zeitbinder für politisch engagierte Bürger.

Wenn ihr das genauso seht, und es irgendwo erklären wollt – dafür ist dieser Text da, ein Link sagt mehr als tausend Worte und ist schneller gesetzt als eine langwierige Erklärung…

Billigfachkräftemangel

2011-08-11 1 Kommentar

Bisher erhalten Menschen, die im Alter von mindestens 58 Jahren arbeitslos werden, zwei Jahre lang Arbeitslosengeld. Das will die FDP jetzt ändern, weil die älteren Arbeitskräfte ja wegen des schrecklichen Fachkräftemangels als Fachkräfte benötigt werden. Nur: Das Arbeitslosengeld liegt laut Wikipedia bei ca. 2/3 des alten Einkommens. Wenn die Firmen die ach so dringend benötigten Fachkräfte also tatsächlich haben wollten und auch angemessen bezahlen würden, dürfte sich durchaus der ein oder andere ältere Arbeitnehmer darüber freuen, doch noch einen Job zu bekommen.

Solange älteren „wertvollen Fachkräften“ für ihre oft jahrzentelange Berufserfahrung Gehälter geboten werden, die unter den Gehältern für junge Berufseinsteiger liegen, muss man sich nicht wundern, wenn manche lieber etwas länger nach einem angemessen bezahlten Job suchen, wenn sie es sich leisten können. Durch die Drohung mit der Hartz-4-Keule kann man diese Leute natürlich dazu bewegen, schnell einen Job anzunehmen, der – eben weil die Arbeitgeber wissen, dass ältere Arbeitssuchende kaum eine Wahl haben – nicht angemessen bezahlt wird.

Wenn die von der FDP vorgeschlagene Maßnahme also irgendetwas bekämpfen würde, dann eher nicht den Fachkräftemangel, sondern den Billigfachkräftemangel. Billige Fachkräfte kann die Wirtschaft nämlich nie genug kriegen…

Was die FDP gerne „übersieht“ ist natürlich auch, dass nicht alle älteren Arbeitnehmer dringend gesuchte Fachkräfte sind (und auch diese nicht unbedingt schnell einen Job finden). Neben der Ausweitung des Lohndumpings auf höher qualifizierte Arbeit wird damit natürlich auch das in den letzten Jahren immer erfolgreichere Lohndumping im Niedriglohnsektor weiter verschärft.

Argumente gegen (Anti-)Terrorgesetze

2011-07-25 1 Kommentar

Auf einer Mailingliste innerhalb der Piratenpartei wurde vor kurzem über allgemeine Argumente gegen neue bürgerrechtsfeindliche (Anti-)Terrorgesetze diskutiert. Meinen Beitrag möchte ich auch hier etwas breiter publizieren:

Verhältnismäßigkeit

Auch wenn dies zweifelslos die Zahl der Verkehrstoten reduzieren würde, käme niemand auf die Idee, deutschlandweit eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h einzuführen – denn das wäre völlig überzogen, die Schäden, die daraus resultieren würden, stehen in keinem Verhältnis.

Bei Anti-Terror-Maßnahmen, deren Wirkung im Vergleich zum Tempolimit überdies zweifelhaft ist, wird diese Abwägung leider gerne übersehen. Selbst wenn diese Maßnahmen tatsächlich Terroranschläge verhindern könnten, stehen die damit verbundenen Schäden, die an unserer Freiheit, an unseren Grundwerten entstehen, in keinem Verhältnis dazu.

Leider sind Einschränkungen der Bürgerrechte nicht so direkt spürbar, wie ein Tempolimit – doch wenn wir nach und nach unsere Bürgerrechte aufgeben, zerstören wir unsere freiheitliche Gesellschaft. Wir würden genau das tun, was die Terroristen möchten, aber mit ihren Bombenanschlägen ohne unsere ‚Hilfe‘ nie erreichen würden.

Zum Vergleich sollte man sich vor Augen führen, dass wir trotz 50.000 Toten im deutschen Straßenverkehr von 2001 bis 2010 nicht in blinden Aktionismus verfallen. Genau wie wir uns im Straßenverkehr auf sinnvolle und zurückhaltende Sicherheitsmaßnahmen beschränken, müssen wir dies auch bei der Bekämpfung von Terrorismus tun.

Genausowenig, wie wir auch auf diese riesige Anzahl Verkehrstoter mit einem Verbot des Straßenverkehrs oder einer bundesweiten Tempo-30-Zone reagieren, dürfen wir auf die bloße Gefahr von Terroranschlägen mit überzogenen Maßnahmen wie der Überwachung aller Bürger reagieren.

Terroristen können bloß töten. Nur überreagierende Politiker können unsere Gesellschaft zerstören. Von ihnen geht die wirkliche Gefahr aus – und gegen diese Gefahr wenden wir uns.

(Siehe auch dieser Beitrag von „Nano“)

Ursachen

Wir könnten auch aufhören, uns in jeden internationalen Konflikt einzumischen. Damit dürfte die Terrorgefahr deutlich stärker sinken, als durch die Einführung irgendwelcher Terrorgesetze. Ganz verschwinden wird sie jedoch nie – genauso, wie man selbst mit den strengsten Gesetzen nie alle Anschläge verhindern können wird.

Selbstverständlich ist es wünschenswert, die Freiheit von Menschen in anderen Ländern zu schützen und zu fördern. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass die Folgen dieser Einsätze unsere eigene Freiheit gefährden. Solange die einzige Antwort, die wir auf eine leicht gesteigerte, abstrakte Terrorgefahr kennen, ein drastischer Abbau unserer Bürgerrechte ist, können wir uns solche Einsätze einfach nicht leisten.

Wirkungen und Nebenwirkungen

„Herr Nachbar, was machen Sie da in ihrem Garten?“
„Ich streue Pulver gegen Elefanten.“
„Aber hier gibt es doch gar keine Elefanten!“
„Na dann sehen Sie mal, wie das Pulver wirkt!“

Genauso wie der Nachbar sein Elefantenpulver streuen Innenminister gerne (Anti-)Terrorgesetze, deren Wirkung recht zweifelhaft ist. Wenn es dann gar keine Terroranschläge gibt, wird das als Zeichen gewertet, dass die Gesetze wirken, und man ganz dringend noch mehr davon braucht. Über Nebenwirkungen, wie den Abbau unserer Freiheitsrechte, macht man sich hierbei keine Gedanken.

Die wenigen versuchten Terroranschläge, die es in Deutschland gab, hatten meist von vorne herein wenig Aussicht auf Erfolg – und wurden meist nicht mit Hilfe der neuen Befugnisse aus den Terrorgesetzen aufgedeckt, sondern durch andere Mittel.

Die Mittel aus den Terrorgesetzen hingegen werden immer wieder eingesetzt, um unschuldige Bürger auszuspähen – wie man am zum Beispiel Handydatenskandal in Dresden sehen konnte.


Der Begriff „Antiterrorgesetze“ wurde in den Medien ab und zu als „Terrorgesetze“ abgekürzt. Eines Tages fiel jemandem auf, dass diese Bezeichnung eigentlich viel passender ist, weil erst diese Gesetze die eigentliche Wirkung des Terrors entfalten und sie durch die Einschränkungen der Bürgerrechte die Bevölkerung terrorisieren. Daher steht auch bei mir das „Anti“ in Klammern (und manchmal gar nicht) da.

Plagiatsdoktor-Count: Neun

2011-05-15 5 Kommentare

Langsam wirds zu viel für mein Linkblog, deswegen habe ich die Sammlung hierher verschoben. Das wären schon vier fünf neun Doktortitel, die wegen Plagiaten weg (aberkannt, zurückgegeben, …) oder in Gefahr sind:

Mehr Infos gibts übrigens beim VroniPlag Wiki.

UPDATE:Die ganzen Fälle inkl. der vier Neuen habe ich mal im Piratenwiki in eine schicke Liste eingepflegt. Man könnte fast sagen, dass die Parteien- und Fachbereichstendenz sich bestätigt.

Der Fall von Matthias Pröfrock war mir neu, als ich die Liste erstellt hab. Kurz darauf gabs schon den Fall von Jorgo Chatzimarkakis – und der ärgert mich besonders ob der Dreistigkeit, mit der das Plagiieren verteidigt wird: Auf seiner Website weist er darauf hin, dass er verschiedene „Zitierweisen“ benutzt habe, unter anderem „Zitate im Fließtext, nicht eingerückt und ohne Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote“. Um sicherzugehen, dass ich ihm kein Unrecht tue, habe ich mir die „Zitate“ mal angeschaut, die Arbeit ist online verfügbar, die Plagiateliste auch. Und da werden ganze Seiten en bloc „zitiert“, mit einer Fußnote am Ende (Beispiel: Seite 55-56, Fußnote 115), ohne dass zu erkennen wäre wo das „Zitat“ anfängt (böse Zungen würden sagen: Dort, wo das Ende des vorherigen durch die Fußnote erkennbar ist). Besonders schön ist, dass eines der „Zitate“ wiederum einen (gekennzeichnet) zitierten Satz enthält, und die Fußnote dann passend bei diesem steht (Seite 54, Fußnote 113).

Interessant vielleicht auch die beteiligten Unis und Fachbereiche:

  • Guttenberg: Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
  • Koch-Mehrin: Heidelberg, Philosophie
  • Pröfrock: Tübingen, Juristische Fakultät
  • Saß: Konstanz, Rechtswissenschaft
  • Chatzimarkakis: Bonn, Philosophische Fakultät

Ob der große Anteil der Jura-Fachbereiche (+ Rest Philosophie) damit zusammenhängt, dass Politiker oft Jura studieren, oder damit, dass im Jura- und Philo-Bereich überdurchschnittlich viele Studenten unterwegs sind die es mit ehrlicher Arbeit nicht so haben, weiß ich nicht.
Für eine statistisch fundierte Aussage reicht es ja (noch) nicht aus. Vielleicht ja beides und ggf. ist ja das eine auch die Ursache für das andere ;-)

Für die auffällige Häufung bestimmter Parteien könnte man das mit dem überduchschnittlichen Anteil natürlich auch…

Asse – Mathematik der Lügen

2010-12-06 3 Kommentare

In „Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors“ hatte ich vor Jahren mathematisch erklärt, warum vermeintlich sichere Verfahren zum Erkennen von Terroristen (oder sonstigen Tätern) dazu führen würden, dass ziemlich viele Unschuldige eingelocht würden. Die Grundidee dabei ist: Wenn man mit einem Verfahren, was sich nur selten irrt, sehr sehr viele Menschen testet, wird es in einigen Fällen danebenliegen. Gibt es nun nur wenige Terroristen in der Gesamtmenge, meldet das Verfahren eventuell mehr Unschuldige als es Terroristen erkennt.

Mit der Asse (dem löchrigen einsturzgefährdeten Atommülllager) gibt es nun ein anderes mathematisches Problem. Da ich hier ZDF-Quellen habe, muss ich recht großzügig zitieren, weil das ZDF die Originalquellen depublizieren wird. Um die Asse wurde eine deutlich erhöhte Krebsrate beobachtet. Laut diesem ZDF-Beitrag schließt die Regierung einen Zusammenhang aber aus:

Die Anzahl der Krebsfälle rund um das marode Atomlager Asse liegen über dem Durchschnitt – einen Zusammenhang hat die Bundesregierung nun einem Bericht zufolge ausgeschlossen. Sie erklärte demnach die Erkrankungsrate mit „statistischen Zufällen“.

Ob es einen Zusammenhang besteht zwischen „erhöhter Krebsrate“ und „Da ist ein Berg in der Nähe den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader abgekippt haben. Danach ist da Salzlake durchgeflossen bis sie radioaktiv verseucht im Grundwasser gelandet ausgetreten ist“. – das kann man mathematisch nicht beweisen. Um zu beurteilen, ob es „statistische Zufälle“ sind, gibt es aber ein Verfahren. Das nennt sich Hypothesentest und klingt böser als es ist. Wir können damit keine Sachen beweisen, aber wir können damit Sachen wiederlegen. Beispielsweise die Behauptung, das Auftreten sei reiner Zufall und die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, sei nicht erhöht. Diese Behauptung nennt sich „Nullhypothese“. Die Gegenhypothese ist „ist doch kein Zufall, die Wahrscheinlichkeit ist erhöht“. (Wohlgemerkt: Die Ursache für die Erhöhung können wir nicht feststellen!)

Zunächst einmal zu den Parametern. Im Videobeitrag wird gesagt: „Die Fälle von Blutkrebs [haben sich] verdoppelt. Es sind 18 Neuerkrankungen an Leukämie bei 10000 Einwohnern.“ (Blutkrebs = Leukämie) Damit haben wir alle Werte die wir für die Berechnung brauchen: 18 Betroffene, 10000 Einwohner, normale Fallzahl wäre 9, d.h. eine Wahrscheinlichkeit von 9/10000. Welcher Zeitraum betrachtet wird wissen wir nicht, aber aufgrund der „verdoppelt“-Aussage können wir uns sicher sein, dass die Wahrscheinlichkeit sich auf den gleichen Zeitraum bezieht wie die Anzahl der Betroffenen.

Wir brauchen also eine Binomialverteilungstabelle. Das ist mit OpenOffice Calc (oder Excel) schnell erledigt, in Spalten B und C wird jeweils eingetragen:

=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;FALSCH)
bzw.
=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;WAHR)

(In Spalte A sind fortlaufende Zahlen von 0 bis 100 – weiter brauchen wir die Tabelle nicht, da die Wahrscheinlichkeiten im Bereich über 100 verschwindend gering sind)

Diese Tabelle gibt an, wie wahrschenlich es ist, dass genau eine bestimmte Anzahl Krebsfälle auftritt, wenn die Wahrscheinlichkeit tatsächlich 9/10000 ist. (Spalte B gibt diese Wahrscheinlichkeit an, Spalte C die aufsummierte Wahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit für „bis zu x Fälle“.)

Nun entscheiden wir uns, wie genau wir es haben möchten. Ich wähle einen maximalen Fehler von 1% (hätte meine Aussage also gerne mit 99%-iger Sicherheit). Wäre ja schlimm, wenn wir unsere Politiker zu Unrecht der Lüge bezichtigen würden. Nun sind alle Vorbereitungen getroffen und wir können unseren einfachen einseitigen Hypothesentest durchführen: Wir schauen in Spalte C (der summierten Wahrscheinlichkeit) und suchen den ersten Wert >= 99%. Dann lesen wir ab: links steht zu diesem Wert 17. Das bedeutet: Wenn die Krebsrate in der Asse-Umgebung nicht erhöht wäre, würden mit mindestens 99% Wahrscheinlichkeit höchstens 17 Leukämiefälle auftreten.

Die Behauptung, die Krebsrate sei nicht erhöht und die Häufigkeit vor Ort sei reiner Zufall, ist somit widerlegt. (Es ist damit allerdings nicht bewiesen, dass das auch tatsächlich etwas damit zu tun hat, dass direkt daneben ein Berg steht, den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader… ich glaub ich wiederhole mich.)

Nun kommen wir aber zur Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors zurück: Würde man einen Test mit einer Zuverlässigkeit von 99% auf tausend Orte anwenden, würde man selbst wenn alles normal wäre 1%, also 10 Orte, als Betroffen ansehen. Darüber versucht die Regierung sich auch rauszureden. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass hier 1000 Orte untersucht wurden, und einer betroffen war, sondern es wurde die Umgebung eines Bergs (den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll …) untersucht.

Um einen Zusammenhang mathematisch auszuschließen, müsste man den Test übrigens umgekehrt machen: Die Nullhypothese (das was zu widerlegen ist) wäre also „die Krebsrate ist erhöht“ und das würde man dann versuchen zu widerlegen. Wenn die Anzahl der Fälle über dem Mittelwert liegt, wird das allerdings nicht gelingen.

Was wären also mögliche Ursachen? Die Regierung stellt die Behauptung auf:

Um den beobachteten Anstieg mit Strahlung erklären zu können, müsste nach den vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnissen über die Entstehung entsprechender Krebserkrankungen die Dosis etwa 10.000 mal höher sein als beobachtet.

Wenn man fies und unsachlich wäre, könnte man diese Steilvorlage jetzt nutzen und Spekulationen über die Strahlendosis anstellen. Die kann man schließlich auch (absichtlich) falsch/an „passenden “ Orten messen. Das halte ich jedoch für unnötig: Radioaktivität die man von außen abbekommt ist eine Sache. Nicht gerade gesund, aber nicht allzu gefährlich, wenn man es mit einem anderen Problem vergleicht: In den Körper aufgenommene radioaktive Stoffe. Da kann die Strahlendosis in der Umgebung noch so gering und unter allen gefährlichen Werten sein, wenn man strahlende Partikel im Körper hat, hat man ein Problem. Alphastrahlung kann, wenn sie von außen kommt, keinen Schaden anrichten, da sie in den oberen (toten) Hautschichten abgefangen wird. Gelangt allerdings ein Alphastrahler in den Körper, können seine Strahlen verheerende Schäden anrichten (ungefähr 20x so viel wie Gammastrahlen!). Angesichts der Lecks ist das leider zumindest kein unrealistisches Szenario.

UPDATE: Das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen ist auch der Meinung, dass das kein Zufall ist. (Danke für den Link, Felix!) Welch Überraschung. Wohlgemerkt: damit ist immer noch nicht bewiesen, dass es auch tatsächlich an der Asse liegt – allerdings ist damit geklärt, dass die Behauptung der Bundesregierung („statistische Zufälle“) eine Lüge ist.

Wie man Leute zum Gegner des ePerso macht

2010-11-14 7 Kommentare

Eigentlich habe ich die Idee eines ePerso an sich nicht generell abgelehnt. Man achte auf die Wortwahl: Nicht wirklich befürwortet, aber sowas hat auch einige Vorteile und ich war nicht wirklich überzeugt, dass die Gefahren durch politischen Missbrauch tatsächlich so groß sind, wie einige behauptet haben. (Das hat natürlich nichts mit der technischen Sicherheit zu tun, die konkrete Implementierung halte ich für, … suboptimal.)

Die Argumentation der strikten Gegner online nutzbarer Ausweisdokumente ist folgende: Sobald es eine leichte Möglichkeit gibt, die Identität des Gegenübers im Netz zu prüfen, könnte sich schleichend zur Selbstverständlichkeit entwickeln (oder politisch durchgesetzt werden), im Netz immer den Ausweis vorzuzeigen, was die Anonymität im Netz zerstören würde. Damit wären Privatsphäre und vor allem freie Meinungsäußerung mehr oder weniger tot.

Ich habe diese Gefahr bisher als eher nicht so groß gesehen, zumal der Einsatz des Personalausweises für die Seitenbetreiber teuer und bürokratisch sein soll, und war vorsichtig optimistisch – mit einer vernünftigen Technik, die nicht auf Wirtschaftsförderung sondern auf vernünftiges Funktionieren optimiert ist, hätte so eine sichere Ausweismöglichkeit durchaus auch Vorteile – sichere Logins, Bankkonten online eröffnen, Onlineshops die Ware vielleicht eher mal auf Rechnung/Bankeinzug rausrücken statt auf Vorkasse zu warten, und vieles mehr. Daher auch mein Standpunkt, die Idee eines ePerso an sich nicht generell abzulehnen.

Herr Axel Fischer, natürlich von der CDU, hat es aber geschafft, mich mit einem Schlag zu einem überzeugten Gegner des Konzepts zu machen. Er konnte einfach nicht anders, als genau den befürchteten Missbrauch unverzüglich zu fordern. Danke, Herr Fischer, dass Sie mir die Augen geöffnet haben. Ach, das ist übrigens nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, also quasi der Internetexperte der CDU.

Das meiste ist bei Netzpolitik schon gesagt worden. (Update: Dieser Heiseforumskommentar bringts auch auf den Punkt.) Die Möglichkeit, sich anonym und somit sicher vor Repressalien zu äußern, ist eine Voraussetzung für eine freie Meinungsäußerung. Diesen Grundpfeiler der Freiheit abschaffen zu wollen passt in meinen Augen zu totalitären Zensurstaaten – die Forderung kommt für mich der Forderung gleich, hier einen solchen Staat zu errichten. (Mir ist sooo klar was jetzt für ein Kommentar kommt. Er ist langweilig und weder lustig noch interessant noch nötig. Der erste der ihn postet bekommt nen Fisch in seinen Kommentar geklebt.) Jede Meinungsäußerung zuordnen zu können ist nämlich besonders dann wichtig, wenn man unliebsame Äußerungen zügig bestrafen will.

Nur eines finde ich an dieser Forderung wirklich schade: Dass sie nicht rechtzeitig vor meinen ganzen Interviews rauskam.

AusweisApp gehackt (Malware über Autoupdate)

2010-11-09 195 Kommentare

Gestern Abend wurde die AusweisApp freigegeben, und damit stand fest: Das wird für mich eine lange Nacht. Ich habe mir eine schöne Liste möglicher Angriffe zurechtgelegt. Wenn die einzelnen Angriffe klappen, werden sie einige hässliche Dinge ermöglichen. Ich bin mir recht sicher, dass einer der Angriffe in der Lage sein wird, die PIN und evtl. die aufgedruckte Kartenzugangsnummer zu klauen, ohne dass (wie beim CCC-Angriff) der Rechner des Nutzers verseucht werden muss. Ein anderer Angriff erlaubt es eventuell, dem Nutzer vorzutäuschen, dass er sich für etwas harmloses ausweist, während der Angreifer mit dessen Identität einkaufen geht. Eventuell kann man so auch ein Signaturzertifikat für die qualifizierten elektronischen Signaturen mit dem Namen des Opfers bekommen.

Da ich allerdings weder Lesegerät noch ePerso habe, konnte ich die Angriffe nicht ausprobieren. Also habe ich mir stattdessen die AusweisApp selbst vorgenommen. Von besonderem Interesse war dabei die Updatefunktion. Kann ein Angreifer diese kontrollieren, könnte es ihm gelingen, Malware auf dem Rechner des Users einzuspielen. Das wissen natürlich auch die Entwickler, und deswegen ist die Updatefunktion ordentlich gesichert: Zunächst wird vom Updateserver über eine HTTPS-geschützte Verbindung eine Versionsdatei geholt. Dort wäre für einen Angreifer normalerweise Schluss, denn HTTPS ist (halbwegs) sicher. Der Client überprüft auch, ob das Zertifikat gültig ist – da hört es aber auch schon auf. Der Client prüft nicht, ob das Zertifikat auch zum Servernamen passt! Somit braucht der Angreifer nicht ein gültiges Zertifikat für den Updateserver (welches er hoffentlich nicht bekommen sollte), sondern ein beliebiges gültiges Zertifikat (z. B. für seine eigene Website, welches er selbstverständlich bekommt – Nachtrag: Wir reden hier über gewöhnliche SSL-Zertifikate die es an jeder Ecke gibt, nicht über irgendwelche eID-Berechtigungszertifikate!). Das ist übrigens ein Fehler den man in Java leicht machen kann: Die eingebauten Libraries prüfen soweit ich weiß das Zertifikat, aber den Hostnamen muss man ausdrücklich selbst prüfen.

Mittels einer DNS-Manipulation (für die es im praktischen Einsatz zahlreiche Wege gibt, DNS ist ein völlig unverschlüsseltes Protokoll – zur einfachen Demonstration kann man die Hostsdatei manipulieren) können wir nun den Client überreden, sich zu unserem falschen Update-Server zu verbinden und dessen Zertifikat akzeptieren. Da ich kein eigenes SSL-Zertifikat habe, habe ich einfach das genommen, dessen Key Akamai vor ein paar Jahren freundlicherweise (unfreiwillig) öffentlich gemacht hat. Damit dieses Zertifikat als gültig angesehen wird, muss die Uhr auf dem Client verstellt werden – mit einem aktuellen Zertifikat würde das anders aussehen. (Ich hab auch noch andere, ebenfalls leider abgelaufene, Zertifikate getestet.)

Der Updatefunktion kann nun eine manipulierte Antwort untergeschoben werden, welche sie anweist, eine Datei von einer beliebigen URL herunterzuladen und zu installieren. Der Updater erwartet hierbei eine ZIP-Datei. Diese wird entpackt und dann sollte eigentlich eine bestimmte .msi-Datei darin ausgeführt werden. Hier waren die Entwickler allerdings schlau genug, noch eine Signatur einzubauen, die vor dem Ausführen geprüft wird. Hier ist also eigentlich wieder einmal Schluss. Allerdings wird die ZIP-Datei vor der Signaturprüfung bereits entpackt, und ZIP-Dateien können relative Pfadangaben enthalten. Mit einem (per Hexeditor) in der ZIP-Datei eingebauten „../../“ kann man aus dem temporären Verzeichnis ausbrechen und somit beliebige Dateien ins Dateisystem schreiben (directory traversal). Beispielsweise eine Schadsoftware ins Autostartverzeichnis. Vorhandene Dateien werden übrigens gnadenlos überschrieben.

Ein Dolev-Yao-Angreifer, d.h. ein Angreifer, welcher den Netzwerkverkehr beliebig manipulieren kann, jedoch nicht in der Lage ist als sicher geltende Verschlüsselung zu brechen oder den Client des Opfers vorher zu manipulieren, kann somit aufgrund zweier Implementierungsfehler in der AusweisApp über die Auto-Update-Funktion Schadsoftware einspielen.

Der Angriff ist gegen die aktuelle AusweisApp getestet, die sich bei der Installation als 1.0.1, beim Update als 1.0.0 identifiziert.

Diese Lücke können die Entwickler natürlich relativ einfach schließen. Aber was ist mit den anderen, sicherlich noch vorhandenen, unentdeckten Lücken? Mitgeliefert wird beispielsweise eine Java-VM der Version 6 Update 18 – aktuell ist Update 22. Die Kryptographie des Personalausweises selbst mag bewiesen sicher sein. In den umliegenden Protokollen jedoch erwarte ich die ein oder andere Lücke, von denen sich einige leicht, andere vielleicht gar nicht nachträglich stopfen lassen. Der Panzerschrank mag absolut unknackbar sein – was aber, wenn der Angreifer einfach den Besitzer unter falschem Vorwand bittet, ihn aufzuschließen, und/oder den ganzen Schrank mitnimmt?

Ich bedanke mich jedenfalls für diese nette Herausforderung der heutigen Nacht. Gute Sicherheitsmaßnahmen mit kleinen unscheinbaren Löchern, die kreative Kombinationen von Angriffen erfordern, nicht trivial, aber machbar. Genau nach meinem Geschmack. Hat Spaß gemacht! Den Preis, den diese Wirtschaftsförderungsmaßnahme gekostet hat, ist das allerdings nicht wert.

Die Dateien zum Demonstrieren des Angriffs gibts hier als base64-encodetes ZIP-File:


_=_ 
_=_ Part 001 of 001 of file ausweisapp-updatehack.zip
_=_ 

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ZXlQSwECFAAUAAIACABgIGk9ajmUCw4CAABsAwAACgAAAAAAAAABACAgAACUDAAAUkVBRE1FLnR4
dFBLBQYAAAAACAAIAOoBAADKDgAAAAA=

(SHA1: 22b96851042bfece3c641851eaa6e890a7b28bff)

Kontakt/Fragen bitte über die Kommentarfunktion wenn es Zeit hat oder per Jabber (XMPP, Google Talk) an janschejbal at jabber.ccc.de (das ist keine Mailadresse!) wenn es dringend ist. Telefon ist ungünstig. Notfalls geht auch Mail an janhomepage [at] gmx punkt net.

CDU-Beschluss zur Netzpolitik, übersetzt

2010-10-26 8 Kommentare

Netzpolitik weist auf einen CDU-Vorstandsbeschluss hin, welcher (als letzten Punkt) auch die Netzpolitik erwähnt. Mit ein wenig Übung kann man aus solchen Beschlüssen durchaus Absichten herauslesen. Für die weniger erfahrenen, hier eine Übersetzung. Zitate sind gekennzeichnet und stammen aus dem verlinkten Dokument. Hervorhebungen von mir.

Sollte sich jetzt irgendwer von der CDU gekränkt fühlen und/oder der Meinung sein, dass die Übersetzung ungenau ist: Ihr habt die nächsten Jahre Zeit, das unter Beweis zu stellen. Aber bitte insgesamt und nicht in irgendwelchen Details. Viel Glück.

 

Die Übersetzung

 

Es ist unser Ziel, die Möglichkeiten des Internets in allen Lebensbereichen optimal nutzbar zu machen und den Standort Deutschland als moderne Informations- und Kommunikationsgesellschaft weiter zu entwickeln.

 

Wir wollen das Internet kommerzialisieren wo auch immer das möglich ist und die kommerzielle (Aus)nutzung des Internets fördern. Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang vor allem anderen.

 

Ein Netz ohne staatliche Mindestregulierung entspricht nicht unserer Vorstellung von politischer Verantwortung.

 

Wir wollen das Internet regulieren.

 

Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass zentrale und rein nationale Regelungen nur bedingt wirksam sind, gerade auch wenn es um Kriminalität im Internet geht. Fragen der Netzpolitik sind daher im europäischen und internationalen Dialog zu beantworten, Netzaktive und Branchenverbände werden wir dabei einbeziehen.

 

Wir wissen, dass wir unseren Überwachungswahn hier nicht durchgesetzt kriegen, weil uns die Bürger zu sehr auf die Finger schauen. Deswegen werden wir den Weg über die EU-Ebene und internationale Abkommen gehen. Lobbyisten werden dabei die Gesetzesentwürfe schreiben, während wir ein paar „Netzaktive“ ihre Meinung sagen lassen (die wir natürlich ignorieren), um die Massen ruhig zu stellen.

 

Dabei wird in der CDU die Abwägung zwischen „Freiheit“ und „Sicherheit“ stets eine wichtige Rolle spielen.

 

Die Freiheit darf die Sicherheit dabei nie einschränken. Wir fordern die totale Kontrolle.

 

So halten wir das Urheberrecht und das geistige Eigentum für schützenswerte Grundlagen von Innovation und Wirtschaftswachstum in unserer Gesellschaft.

 

Das Urheberrecht wird weiter nach Wünschen der Verwerterindustrie verschärft.

 

Auch ist es unserer Ansicht nach Aufgabe des Staates, etwa im Bereich des Daten-, Kinder-, Jugend- und Verbraucherschutzes, verbindliche Rahmenbedingungen für das Netz zu schaffen.

 

Unter dem Vorwand des Daten-, Kinder- und Jugendschutzes werden wir die Überwachung und Zensur des Internets vorantreiben und in Gesetzesform gießen. Mit ein paar wirkungslosen Verbraucherschutzregeln zünden wir eine Nebelkerze um ein – wenn auch irrelevantes – Gegenbeispiel zu haben, wenn man uns daran erinnert, dass wir eigentlich fast immer für die Lobbyisten und gegen die Verbraucher arbeiten. Falls wir am Datenschutz was ändern, werden wir „klare“ und einfache Rahmenbedingungen schaffen – „einfach“ dadurch, dass wir die Einschränkungen bei der Datennutzung reduzieren.

 

Die CDU hat eine Arbeitsgruppe „Netzpolitik“ eingerichtet, die für den Bundesparteitag 2011 programmatische Positionen erarbeiten wird, mit denen wir diese Entwicklung fördern, den Herausforderungen begegnen und die Bürger über die Chancen und Risiken der digitalen Welt informieren können.

 

Wir haben eine ganze Arbeitsgruppe eingerichtet, um so zu tun, als ob wir Ahnung vom Thema haben. Gleichzeitig werden wir uns intensiv bemühen, die Freiheit im Netz weiter einzuschränken und Propaganda über das große böse Internet zu verbreiten.

Stuttgart 21: Gezielte Kopfschüsse mit Wasserwerfern

2010-10-07 6 Kommentare

Zu den Wasserwerfereinsätzen der Polizei in Stuttgart habe ich ein Video gefunden, wo ein Wasserwerfer bei einzeln stehenden Personen aus relativ geringer Entfernung gezielt auf den Kopf zielt, und zwar mit einem ziemlich kräftigen Strahl. Wozu das führen kann, hat man ja leider gesehen. Auf diesem Video bei 2:47 (direkt nach dem kleinen Schnitt) sieht man einen solchen Vorfall – da scheint es übrigens so, als würde gezielt ein Fotograf/Kameraman aufs Korn genommen, was ich besonders abartig finde.

Damit man besser sieht was passiert, habe ich hier mal die relevanten Frames extrahiert und ein langsam abgespieltes animiertes GIF daraus gemacht. Man sieht eindeutig, wie der Strahl genau den Kopf trifft, und man sieht auch die Wucht, mit welcher der Strahl auftrifft. Die ersten Bilder sind vom Einschlag des Strahls, die letzten zwei (in etwas größeren Abständen) zeigen die Situation direkt danach. Im letzten Bild (etwa eine Sekunde nach dem Einschlag des Strahls) sieht man dann, dass vor dem Fotografen mehrere Meter frei waren und der Strahl deutlich über die Plane hinwegging, die ein paar Leute in der Nähe des Wasserwerfers gespannt hatten. „Versehentlich zu hoch geschossen“ dürfte (auch angesichts des Volltreffers) also keine Ausrede sein. Links, rechts und hinter dem Fotografen waren übrigens auch Köpfe – anders als mit Absicht ist das meiner Meinung nach kaum zu erklären.

Das Bild gibts wegen der Größe erst nach dem Klick: Hier klicken zum Weiterlesen

Stuttgart 21: Entgegenkommen, Baustopp oder Verarsche?

2010-10-07 1 Kommentar

Derzeit wird desöfteren betont, dass in naher Zukunft wegen Stuttgart 21 weder Bäume gefällt werden noch der Südflügel abgerissen wird. Das wird dann als Entgegenkommen verkauft, oder gar als der von den Gegnern des Projekts geforderte Baustopp.

Der SWR schreibt dazu:

Mappus (CDU) bekräftigte, dass es bis zur Landtagswahl am 27. März 2011 keine weiteren Abrissarbeiten mehr gebe. „Da ist in den nächsten Monaten nichts notwendig, was in irgendeiner Weise provozieren könnte.“ Außerdem fügte er hinzu, dass bis 2011 auch kein Baum im Schlossgarten mehr gefällt werde. […] Der Südflügel sei für den Baufortschritt nicht notwendig. „Wir werden ihn so bestehen lassen. Und ich glaube, das ist ein Signal“, sagte die Ministerin

Ich lese da keineswegs ein Entgegenkommen oder einen Baustopp. Ich lese da: „Die Bauarbeiten werden wie geplant fortgesetzt. Die Bäume, die gefällt werden müssen, haben wir in der (vermutlich illegalen) Hau-Ruck-Aktion schon gefällt, und alles was wir in nächster Zeit abreißen müssen ist schon abgerissen, den Rest machen wir nach der Wahl, wenn die anderen Tatsachen geschaffen sind, das hat ja eh Zeit.“ Tolles „Entgegenkommen“. Die Medien und die Bevölkerung so zu verarschen ist aber sowohl typisch für das ganze Projekt, als auch geschickt – denn leider werden wohl zumindest einige drauf reinfallen.

Genauso toll ist übrigens, wie ständig davon gesprochen wird, dass „die ersten“ Bäume schon gefällt wurden. Nach der obigen Aussage scheint es so zu sein, als ob alle relevanten Bäume in dem Teilstück gefällt wurden. Und zwar höchstwahrscheinlich rechtswidrig gegen den enstprechenden Beschluss des Eisenbahnbundesamtes. Das problematische daran: Würde noch mindestens ein Baum dort stehen und der Beschluss umgesetzt – wie man leicht vermuten könnte wenn die Medien von den ersten gefällten Bäumen sprechen – würde sich das Bauvorhaben verzögern. Ist aber erstmal abgeholzt, bleibt nur noch die langwierige Diskussion über mögliche (Geld-)Strafen – der Bau kann weitergehen. Ich wette, die Geldstrafe bzw. eventuelle Kosten für Ersatznaturschutzmaßnahmen werden nur einen Bruchteil dessen betragen, was eine Bauverzögerung gekostet hätte, sodass sich das rechtswidrige Verhalten für die Bahn unterm Strich richtig fett lohnt. Vor allem wenn man bedenkt, dass ein Monat Verzögerung plus Winter plus (evtl. sogar vorgezogene) Landtagswahlen ein Aus für das Projekt ergeben können, bevor die Bahn ausreichend viele Fakten schaffen kann. Meiner Meinung nach müsste sichergestellt werden, dass Geldstrafen in solchen Fällen den Gewinn durch das rechtswidrige Verhalten deutlich übersteigen, oder die verantwortlichen Personen Haftstrafen bekommen.

Sollte ich mich in irgendeinem Punkt irren, hinterlasst bitte einen Kommentar. Ich bin nicht vor Ort und kann daneben liegen. Wäre in diesem Fall schön, wenn es so wäre. Ansonsten ist nämlich das, was hier als „Geste des guten Willen“ verkauft wird, eine astreine Verarsche.

Schießsport erlauben, aber Spiele verbieten?

2010-09-24 2 Kommentare

Über Fefe bin ich darauf aufmerksam geworden, dass Wolfgang Bosbach (CDU) nach dem Amoklauf in Lörrach darauf hingewiesen hat, dass man wegen eines solchen Vorfalls nicht gleich das Sportschießen verbieten könne. Da stimme ich ihm übrigens zu. Interessant wird das erst, wenn man sich vor Augen führt, dass er ein Verfechter von Computerspielverboten ist.

Diesen Widerspruch kann ich irgendwie nicht verstehen – denn wegen einzelner solcher Vorfälle etwas verbieten zu wollen, was allerhöchstens sehr indirekt damit zu tun hat, scheint mir recht unlogisch. Eigentlich wollte ich Herrn Bosbach daher über Abgeordnetenwatch fragen, aber darüber will er nicht gefragt werden:

Da ich seit vielen, vielen Jahren völlig problemlos per Brief, per Fax oder per E-Mail erreichbar bin, darf ich Sie sehr herzlich darum bitten, etwaige Fragen an mich auch unmittelbar zu adressieren, ein Umweg über Abgeordnetenwatch.de ist wirklich nicht notwendig. Sodann werde ich Ihnen gern antworten. Selbstverständlich können Sie meine Antwort auch gern veröffentlichen.

Das ist natürlich schade, denn so kann man seine Antworten auf die Fragen anderer Leute nicht lesen, aber natürlich sein gutes Recht.

Daher habe ich folgenden Text eben direkt per Mail an ihn geschickt, und werde die Antwort dann hier veröffentlichen, sobald sie eintrifft (Links waren in der Mail als Fußnoten):

Sehr geehrter Herr Bosbach,
im Rahmen der Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechts, welche durch die Amoktat in Lörrach entfacht wurde, haben Sie laut Zeit gesagt:
„Wegen einer solchen Tat kann man nicht Millionen von Sportlern die Ausübung ihres Sports verbieten.“

In diesem Punkt stimme ich Ihnen völlig zu. Umso mehr überrascht war ich jedoch, als ich darauf hingewiesen wurde, dass Sie sich nach dem Amoklauf in Emsdetten in einem SPIEGEL-Interview vom 23.11.2006 dafür ausgesprochen haben, gewalthaltige Computerspiele zu verbieten.

Hat sich Ihre Meinung diesbezüglich seitdem geändert?

Falls nein, warum halten Sie es für richtig, Millionen von Spielern die Ausübung ihres Freizeitvergnügens zu verbieten, obwohl Sie dies bei Sportschützen (völlig zu Recht) ablehnen?

Computerspiele eignen sich (im Gegensatz zum Sportschießen) keineswegs dazu, den Umgang mit einer Waffe zu erlernen, und sie geben dem Spieler auch keine Möglichkeit, an echte Waffen zu gelangen. Selbst wenn die Spiele – was umstritten ist – bei manchen Personen bereits vorhandene Neigungen zur Gewalt verstärken würden, scheint mir dies eine deutlich geringere Gefahr zu sein als die, die Sie beim Sportschießen bereit sind, in Kauf zu nehmen. Ein Verbot aus rein subjektiven moralischen Gesichtspunkten wäre meiner Meinung nach einer freiheitlichen Gesellschaft unwürdig und schwer nachvollziehbar – bei Sportarten wie Boxen werden ja auch keine Verbote gefordert.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Schejbal

P.S.: Ich finde es schade, dass Sie keine Fragen über Abgeordnetenwatch entgegennehmen möchten. Das Portal erlaubt es anderen Besuchern schließlich, auch fremde Fragen und die Antworten darauf an einem Ort einzusehen und leicht zu finden.

Auf die Antwort bin ich jedenfalls gespannt.

Polizeigewerkschaftswahnsinn

2010-08-08 3 Kommentare

Wenn in den Medien wieder einmal berichtet wird, dass die/eine Polizeigewerkschaft irgendetwas fordert, muss man immer daran denken zu fragen, welche. Es gibt nämlich drei, die sich regelmäßig zu politischen Themen äußern:

  • DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft)
  • BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter)
  • GdP (Gewerkschaft der Polizei)

Hält man die nicht auseinander, macht man schnell eine halbwegs vernünftige Gewerkschaft für die Äußerungen einer anderen, weniger vernünftigen, verantwortlich.

Der BDK ist bekannt dafür, dass er gerade was der Internet betrifft, gerne viel und vor allem viel Unsinniges fordert, ohne wirklich Ahnung zu haben. Die aktuellste respektable Leistung hierbei ist die Forderung eines „Reset-Knopfs“ (gemeint ist ein Not-Aus), mit dem das Internet bei Angriffen abgeschaltet werden kann. Ich denke, die folgende Karikatur bringt die „Sinnhaftigkeit“ des Vorschlags auf den Punkt:

Die BDK-Meldungen zeichnen sich aus meiner Sicht meist mit recht starkem Populismus und Polemik aus, teilweise hat man den Eindruck, dass einfach irgendwo aufgeschnappte Ideen zur eigenen Forderung werden, um in die Presse zu kommen. (Mit dem Internet-Notaus-Knopf machen sich in Amerika seit längerem Leute lächerlich.)

Zumindest eine der anderen Polizeigewerkschaften hatte ich eigentlich als halbwegs vernünftig in Erinnerung und hatte den Eindruck, die Existenz von Bürgerrechten sei ihnen zumindest bekannt. Sicher bin ich mir nicht, ich glaube es war die DPolG, die auch das BKA-Gesetz wegen mangelndem Schutz von Bürgerrechten kritisierte. (UPDATE: Ich hab mir die alten Meldungen nochmal angeschaut, kann genausogut die GdP gewesen sein, ich weiß es nicht.)

Das hat sich geändert. Zum BDK muss ich ja nicht mehr viel sagen. Die GdP hat sich vor kurzem durch eine Aussage ihres Chefs hervorgetan, nach der er sich nicht vorstellen kann, dass die Sicherungsverwahrung Bürgerrechte verletzen könnte. Jetzt hat auch die DPolG nachgelegt, und gleich mal einen Pranger gefordert.

Derzeit kann man also von keiner der drei Gewerkschaften sagen, dass sie Bürgerrechte und die freiheitlichen Grundsätze unserer Gesellschaft auch nur ansatzweise verinnerlicht hätte. (Ergänzung:) Ab und zu schaffen sie es was überraschend positives zu veröffentlichen, aber kurz danach greifen sie wieder daneben. Dennoch sollte man bei Nachrichten unterscheiden, welche der Gewerkschaften was absondert, da es doch noch Unterschiede gibt. BDK-Äußerungen führen bei mir inzwischen nichtmal zu Kopfschütteln – von denen bin ich das gewohnt. Die anderen Gewerkschaften nehme ich zumindest noch etwas ernst. Schade, dass die Presse üblicherweise jede Äußerung einer dieser drei Gewerkschaften aufgreift und verbreitet, fast als wäre es eine offizielle Meldung einer Behörde. Bei vielen Bürgern kommt leider meist nur „Polizeigewerkschaft“ und somit „Polizei“ und somit „offiziell“ und somit „gut“ an…

UPDATE 2: Die FAZ hat es soeben geschafft, ein schönes Gegenbeispiel für den letzten Satz zu liefern. Leider dürfte das die Ausnahme sein, die die Regel bestätigt… UPDATE 3: Hrmpf. Die FAZ hat Constanze Kurz vom CCC für sich schreiben lassen, kein Wunder dass die Meldung was taugt. Immerhin gut, dass sie wenigstens auf Kompetenz setzen, aber lieber wäre mir, wenn die Medien von alleine mit ihren üblichen Autoren auf sowas kämen – so wird es viel zu selten was.

Geheimes Urheberrechtsabkommen ACTA – eine Übersicht

Auf internationaler Ebene verhandeln Regierungen derzeit an einem neuen, internationalen Urheberrechsabkommen namens ACTA. Die Verhandlungen werden nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor den Parlamenten geheimgehalten – diese haben nicht mitzureden. Lobbyisten von Urheberrechtsverbänden hingegen haben sehr wohl Zugang und werden auch angehört. Angebliche Offenlegungen im Namen der Transparenz und stellen sich als unvollständig, fehlerhaft oder völlig gefälscht heraus. Regelmäßige Leaks von Teilen des Abkommens zeigen, dass die Geheimhaltung einen guten Grund hat – es sollen wieder einmal die Interessen normaler Nutzer übergangen und die Interessen der Contentmafia durchgesetzt werden. Vorgeblich soll es nur um die Bekämfung kommerzieller Verletzungen von Schutzrechten wie z. B. Produktfälschungen gehen – in Wirklichkeit betreffen die Regelungen jeden.

Die Pläne übertreffen die bisherigen Gesetze bei Weitem, und auch die EU sorgt eher dafür, dass die Regelungen verschärft als gelockert werden. Der meines Wissens nach aktuellste Leak ist die EU-Version vom 1. Juli. Ich fasse hier mal ein paar Punkte zusammen, die deutlich machen, wie der Hase läuft. Das ist nur das, was ich dem Leak entnehmen konnte. Sicherlich habe ich einige gut in Juristensprache versteckte Punkte übersehen. Zudem ist zu befürchten, dass der Leak unvollständig sein könnte!

  • Richter sollen für Schutzrechtsverletzungen Entschädigungszahlungen nach jedem legitimen vom Rechteinhaber vorgeschlagenen Maßstab wie z. B. dem Verkaufspreis festzusetzen.
  • Geräte, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Schutzrechtsverletzungen verwendet werden, sollen auch in Zivilverfahren entschädigungslos beschlagnahmt werden dürfen. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf Urheberrechtsverletzungen, nicht nur auf Produktfälschungen.
  • „Grenzmaßnahmen“ wieder ausdrücklich auch gegen Urheberrechtsverletzungen (gemeint ist z. B. das Durchsuchen von Datenträgern) sind vorgesehen, die Mitgliedsstaaten des Abkommens können jedoch Ausnahmen für private Güter einführen – müssen es aber nicht! Würden die Verhandlungsteilnehmer ihre Versprechungen, dass das Abkommen eben nicht die Durchsuchung und Beschlagnahme privater MP3-Player umfassen soll, ernst meinen, hätten sie es reingeschrieben.
  • Ebenso können die Teilnehmerländer davon absehen, die strafrechtlichen Vorgaben des Abkommens auf Verletzungen durch Endkunden anzuwenden. Die beinhalten unter anderen, dass für das Abfilmen von Kinofilmen (auch nur für den Privatgebrauch gedachtes) ein eigener Straftatbestand eingeführt werden soll und bei Schutzrechtsverletzungen eine Beschlagnahme der verwendeten Ausrüstung vorgesehen ist.
  • Der interessanteste Teil ist jedoch der, der sich auf das Internet bezieht. (Die Behauptung, es ginge nur um kommerzielle Produktfälschungen und den Handel mit Raubkopien, wird schon durch die Existenz des Abschnitts, spätestens aber durch den Inhalt, widerlegt.)

  • Nicht näher spezifizierte beschleunigte Abhilfen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen und Mittel die eine Abschreckung gegenüber zukünftigen Verletzungen bieten werden gefordert. Three Strikes wird zwar nicht ausdrücklich genannt, es dürfte aber darauf hinauslaufen.
    Eine Regelung, nach der diese Maßnahmen gerecht und angemessen sein müssen, wird nur von drei Delegationen gefordert!
  • Die DMCA-Takedown-Notices, nach denen ein Internetanbieter auf Benachrichtigung durch einen (angeblichen) Rechteinhaber verpflichtet ist, Inhalte zu entfernen, sollen international verpflichtend werden (bzw. die Haftungsbefreiung für fremde Inhalte soll an die Umsetzung eines solchen Verfahrens gekoppelt werden). Immerhin darf die Haftungsbefreiung für die Provider nicht an eine Pflicht zur Vorabkontrolle durch den Provider gekoppelt werden.
  • Diensteanbieter und Rechteinhaber sollen zur Kooperation angehalten werden, um Rechteverletzungen zu vermeiden. Das ist schwammig formuliert, könnte aber dazu führen, dass von Rechteinhabern vorgegebene Richtlinien für Anbieter quasi-verbindlich werden könnten.
  • Das Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen und Tools dafür sollen international verboten werden. Eine Vorgabe, dass Kopierschutzmaßnahmen die rechtmäßige Nutzung nicht behindern dürfen, fehlt natürlich.
  • Fazit

    Wäre das Abkommen tatsächlich nur gegen kommerzielle Produktpiraterie gerichtet, hätte man es reingeschrieben. Auch wenn einige sinnvolle Dinge drin sind, würden viele der Punkte eine weitere, maßlose Verschärfung des Urheberrechts bewirken. Neue sowie bereits im deutschen Urheberrecht vorhandene katastrophale Regelungen würden durch ein internationales Abkommen zementiert, die dringend nötige Reform zur Lockerung und Anpassung des Urheberrechts an das 21. Jahrhundert würde massiv erschwert.

    Zudem kann man sich nie sicher sein, ob der Leak korrekt und vor allem vollständig ist, oder ob in Wirklichkeit noch weitere Maßnahmen hinter verschlossenen Türen behandelt werden.

    Die inhaltlichen Probleme sind nur eine Seite des Problems. Ein viel schwerwiegenderes Problem ist die Art und Weise, wie dieses Urheberrechtsabkommen zustande kommt – nämlich unter Ausschluss demokratischer Gremien, dafür mit Beteiligung von Lobbyisten. Es ist zu befürchten, dass so zahlreiche juristische Feinheiten darin versteckt wurden, die erst später ihre schädliche Wirkung auf die Rechte der Nutzer entfalten. Meiner Meinung nach muss daher der gesamte Entwurf verworfen werden und sofern ein solches Abkommen weiterhin gewünscht ist, muss es von Grund auf mit Personen die an den ACTA-Verhandlungen nicht beteiligt waren transparent und öffentlich neu erstellt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass beim Urheberrecht nicht nur die Interessen der Rechteinhaber berücksichtigt werden dürfen – auch die Allgemeinheit hat Interessen, nämlich die möglichst freie Nutzung von Werken. Leider hat sie keine so laute und penetrante Lobby. Dennoch muss hier eine gerechte Abwägung getroffen werden, was bisher nie gelungen ist – und dem Entwuf nach mit ACTA sicher nicht gelingen wird. Vielleicht wäre es bei einer Neuverhandlung sinnvoll, zur Abwechslung mal die Lobbyisten an die frische Luft zu setzen.

    Die Piratenpartei hat heute deswegen einen offenen Brief an die EU-Kommision und die Bundesregierung geschickt. Darin werden diese aufgefordert, die ACTA-Verhandlungen endlich offenzulegen, die Geheimhaltung zu begründen, auch die Interessen der Bürger zu berücksichtigen und den weiteren Prozess transparent zu gestalten. Ich erwarte nicht wirklich eine Antwort, aber es wäre schön, wenn auch du den Hinweis auf diesen offenen Brief weiterverbreiten würdest, damit der Druck erhöht wird!

    Es bleibt zu hoffen, dass genug Abgeordnete aufgrund dieser intransparenten Verhandlungen ACTA aus Prinzip ablehnen. Nachdem das SWIFT-Abkommen im zweiten Durchlauf mit einer deutlichen Mehrheit abgesegnet wurde, ohne dass die wichtigsten Kritikpunkte behoben wurden, habe ich aber leider wenig Vertrauen in das Europäische Parlament. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Eine Petition gegen ACTA gibt es unter stopp-acta.info.

Details zum Löschwahnsinn bei den Öffentlich-Rechtlichen

2010-07-14 20 Kommentare

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden vom 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag dazu gezwungen, ältere Inhalte von ihren Webseiten zu löschen. Da ich dazu ein paar Fragen hatte, habe ich einfach mal bei der ARD angerufen und möchte hier ein paar Details erläutern, die vielleicht nicht jeder kennt.

Zunächst aber für die, die noch nicht wissen, worum es geht, eine kurze Einführung ins Thema: Lobbyisten der Presse (und teilweise der Privatsender) befürchten, dass ihnen die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen, insbesondere im Internet, Konkurrenz machen. Bedenkt man die Qualität der „Qualitätspresse“, könnten sie damit sogar recht haben. Der Kritikpunkt ist hierbei, dass diese Konkurrenz von den GEZ-Gebührenzahlern durch die Zwangsabgaben eine gesicherte Finanzierung habe und somit den Wettbewerb verzerren würde, da die privaten Konkurrenten ihr Geld selbst reinholen müssen. Das wurde im bei der Reform des Rundfunkstaatsvertrags berücksichtigt: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen Inhalte nun nur noch für eine kurze Zeit online anbieten, und auch die Dinge, welche angeboten werden dürfen, wurden eingeschränkt.

Das betrifft jedoch nicht nur Dinge wie Texte oder Angebote, die speziell für das Internet erstellt werden müssten und somit Mehrkosten verursachen würden, sondern alle Inhalte – die der Gebührenzahler bezahlt hat. Während es sinnvoll erscheint zu verhindern, dass öffentlich-rechtliche Rundfunksender Flirtbörsen betreiben, werden gleichzeitig unter diesem häufig betonten Vorwand bereits erstellte Inhalte ohne wirklichen Grund unzugänglich gemacht. Das mag zwar die Interessen des Wettbewerbs bzw. der Lobbyisten schützen, was die Politik aber mal wieder vergessen hat, ist, dass es noch eine andere Interessengruppe gibt: Die Gebührenzahler. Diese haben den Inhalt bezahlt, und diesen wird genau der bezahlte Inhalt vorenthalten. Obwohl das Interesse der Öffentlichkeit eigentlich wichtiger sein sollte, wurde diese Seite der Medaille lieber nicht beachtet, denn da stecken keine Lobbyisten dahinter.

Die Folge ist nun, dass Inhalte je nach Art nur für einen bestimmten Zeitraum auf den Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender verfügbar sein dürfen. Dass es wohl kaum im Interesse der Gesellschaft liegen kann, Wissen und Inhalte zu verstecken und dadurch auch z. B. Blogbeiträgen die Quellenlinks zu entziehen, muss wohl kaum erwähnt werden. Eine Übersicht darüber gibt dieser tagesschau.de-Artikel. Ach, ich vergaß ja: Also zumindest für einige Zeit. Deswegen hier mal ein etwas längeres Zitat:

Alle tagessschau.de-Inhalte haben spätestens mit dem 1. September 2010 eine „Verweildauer“. Das heißt, sie dürfen nur noch für eine bestimmte Frist im Netz bleiben. Bei vielen Inhalten beträgt diese Verweildauer ein Jahr, zum Beispiel bei den meisten Meldungen und dafür ausgewählten einzelnen Tagesschau-Beiträgen. Viele Tagesschau-Sendungen und das Nachtmagazin bleiben als komplette Sendung dagegen nur sieben Tage on demand abrufbar. Eine Ausnahme bilden die Tagesschau-Sendungen um 20.00 Uhr und die Tagesthemen. Sie gelten als fortlaufende zeitgeschichtliche Archive und dürfen unbegrenzt angeboten werden. Gleiches gilt für Inhalte von zeitgeschichtlicher und kulturgeschichtlicher Bedeutung. Sie dürfen unbefristet in einem eigens auszuweisenden Archiv online bleiben. Eine weitere spezielle Regel gilt für Inhalte, die sich mit Wahlen befassen. Sie dürfen für die Dauer der Legislaturperiode angeboten werden.

Die Einzelheiten sind im so genannten Verweildauerkonzept geregelt – einem Teil des Telemedienkonzeptes.

Nun zu den Details, die ich erfragen konnte:
Beruhigend ist zunächst, dass die Inhalte zumindest bei Tagesschau.de, höchstwahrscheinlich aber auch bei der gesamten ARD und beim ZDF, nur „depubliziert“, also vom öffentlichen Auftritt gelöscht werden. Das bezieht sich auf sämtliche Inhalte, sowohl Texte als auch Videos. Die Rundfunkanstalten behalten Kopien im stillen Kämmerlein, sodass wenigstens kein irreparabler Schaden entsteht. Wenn wir es also in zehn, zwanzig Jahren schaffen, die Regelung wieder zu ändern, können die Inhalte hoffentlich wiederhergestellt werden.

Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Inhalte für die Öffentlichkeit nicht mehr verfügbar sind. Wer sich daher über diese Regelung beschweren will, sollte das bei denen tun, die das verursacht haben. Die richtige Adresse hierfür wären die Staatskanzleien – auch wenn zu bezweifeln ist, dass die Politiker etwas an diesem Punkt ändern, werden sie sich weitere sinnlose Änderungen vielleicht etwas mehr überlegen.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass die Löschverpflichtungen kein Geld sparen. Während das Verbot, „Offtopic“-Angebote zu betreiben, tatsächlich Geld sparen könnte, zwingen die Löschverpflichtungen nur, bereits bestehende Inhalte zu entfernen. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten um die Inhalte zu sortieren und zu entfernen. Auf Nachfrage habe ich erfahren, dass durch die Regelungen nicht einmal bei Sportinhalten etc. Geld gespart wird, z. B. weil Lizenzen dadurch günstiger würden. Kurzum, es handelt sich um eine völlig sinnlose Zerstörung von durch den Gebührenzahler bereits geschaffenen Möglichkeiten des Zugriffs, die – auch offziell! – nur dazu dient, den privaten Anbietern unliebsame (und angeblich ungerechte) Konkurrenz vom Leib zu halten.

Ein Beispiel, warum das ein Problem darstellt, sieht man wunderbar im oben zitierten Absatz: „Eine weitere spezielle Regel gilt für Inhalte, die sich mit Wahlen befassen. Sie dürfen für die Dauer der Legislaturperiode angeboten werden.“ (was eine „großzügige“ Verlängerung der üblichen Frist darstellt. Für normale Tagespolitik dürfte das also nicht gelten!)
Das bedeutet, dass nach einer Legislaturperiode die Berichte und Sendungen mit den Wahlllügen der Parteien deutlich schwerer aufzutreiben sein werden. Wenn also bei der nächsten Bundestagswahl schwarz-gelb abgewählt wird, wird es spätestens bei der übernächsten Bundestagswahl schwierig die heute aktuellen Berichte zu finden (und zu verlinken), die erklären, warum man die nicht wieder zurückwill. Für die meisten Dinge dürfte das jedoch schon bei der kommenden Bundestagswahl zutreffen!

Natürlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender von diesen Regelungen alles andere als begeistert, zumal sie die Kosten für diese sinnlose Kulturgutvernichtung aus ihrem Budget abzweigen müssen. Wenn jetzt jemand aber vorhat, die Inhalte von den Webseiten herunterzuladen und anzubieten, möge er folgende Dinge beachten:

1. Die technische Seite: Wenn genug Leute auf die gleiche Idee kommen, wird das eine unvorstellbar hohe Serverlast erzeugen. Sei ein Video einer Sendung 100 MB groß, erscheine die Sendung täglich, und möchte jemand 5 Jahre sichern, dann entsteht pro Person, die dies tut, eine Datenmenge von rund 180 GB. Diese Werte passen ziemlich genau z. B. für die Tagesthemen (die bleiben übrigens online). Machen das jetzt 100 Leute für 10 solcher Sendungen, reden wir von 180 TB, was einen vierstelligen Betrag an Kosten verursachen dürfte! Zusätzlich verursacht das „Abgrasen“ einer kompletten Website eine hohe Serverlast. Als Heise die Löschung des Heiseforums angekündigt hat, haben ein paar Leute versucht, das Forum zu sichern. Dadurch war es dann erstmal einige Zeit lang nicht erreichbar. Falls jemand also trotz der perversen Datenmengen, die auch gespeichert werden wollen, des Aufwand, der rechtlichen Probleme (siehe unten), der Tatsache, dass die Beiträge noch im Archiv aufgehoben werden sollen etc. das versuchen will, findet andere die das tun wollen sprecht euch ab! Wenn es viele alleine versuchen, scheitern alle und richten dabei einen massiven Schaden an.

2. Die rechtliche Seite: Die Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Obwohl sie mit Geldern der Allgemeinheit finanziert wurden, dürften sie (bis auf eventuell einzelne Ausnahmen) nicht „gemeinfrei“ (Public Domain) oder sonstwie für die allgemeine Nutzung freigegeben sein. Wie das Herunterladen für eine private Sammlung rechtlich aussieht weiß ich nicht, eine Veröffentlichung wäre jedoch ziemlich sicher eine grobe Urheberrechtsverletzung. Für manche Inhalte liegen Rechte bzw. Teile davon bei anderen Rechteinhabern, die darüber sicherlich nicht begeistert wären! (Oder schon, weil sich mit den Abmahngebühren gut verdienen lässt.)

Bei den Inhalten, deren Rechte vollständig bei den Öffentlich-Rechtlichen selbst liegen, könnte man natürlich denken, dass diese gerne ein Auge zudrücken würden – schließlich würden sie die Inhalte eigentlich gerne weiter anbieten, dürfen es nur nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre und sie ihr Recht nicht aus Prinzip durchsetzen würden, könnte es immer noch sein, dass sie durch wen auch immer gezwungen würden, auch gegen den eigentlichen Willen der Verantwortlichen rechtlich dagegen vorzugehen. Wer also auf die Idee kommt, so ein Archiv öffentlich anzubieten, riskiert (neben den großen Trafficmengen) Ärger – den man aber selbstverständlich auch nutzen könnte, um für mehr Öffentlichkeit für diese lächerliche, lobbyfreundliche Regelung zu sorgen.

Zu Urheberrechten und öffentlich-rechtlichen Sendern möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich im Rahmen eines Blogbeitrags mal ein (etwas polemisches) Video erstallt habe, welches (kurze) Ausschnitte aus einer Phoenix-Talkshow enthielt. Einige Zeit nach der Veröffentlichung sah man beim ZDF das alleinstehende Video nicht ausreichend vom Zitatrecht gedeckt, und seitdem sieht es so aus und meinem YouTube-Account fehlen ein paar Features. Wenigstens gabs keine Klage oder Abmahnung und ich durfte es im Blogbeitrag drinlassen (Zitatrecht).

3. Für einige Inhalte dürfte es schon zu spät sein, soweit ich weiß begann das große aus-dem-Netz-nehmen schon vor einiger Zeit.

Zum Abschluss bleibt nur noch die Frage: Was nun?
Neben der Tatsache, dass diese unsinnige Regelung umgehend abgeschafft gehört, sollten meiner Meinung nach selbstproduzierte Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender unter eine freie Lizenz gestellt werden. Dadurch könnte der Gebührenzahler seine bezahlten Inhalte nicht nur besser nutzen, sondern solche Zensurideen wären von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Außerdem sieht man hier ein hervorragendes Beispiel, warum das Urheberrecht auch eine Gefahr darstellt, und wie in unserer Gesellschaft aus wirtschaftlichen Interessen sinnlos Dinge vernichtet werden – zwei weitere Bereiche, in denen dringend etwas getan werden muss. Viel zu tun für die PIRATEN

Falls die Öffentlich-Rechtlichen der Regelung ein Schnippchen schlagen möchten, könnten sie prüfen, ob es möglich ist, die Inhalte kurz vor der Deadline doch noch unter eine freie Lizenz zu stellen und sie gesammelt z. B. als riesige .torrent-Datei zur Verfügung zu stellen oder engagierten Aktivisten zu überspielen (irgendjemand spendet sicher genug Festplatten). Das Netz kümmert sich dann um den Rest. Das wird wohl leider nicht passieren, siehe z. B. die Antwort, die Alios bekommen hat. Falls doch: Ich wäre immer noch mit 1 TB und technischer Unterstützung im Rahmen meiner Möglichkeiten dabei.

BKA bekommt Freibrief zum Datensammeln

2010-06-05 1 Kommentar

Das BKA hat einen Freibrief vom Bundesrat bekommen und darf jetzt munter alle möglichen Daten speichern.

Der Hintergrund: Bisher hat es das einfach ohne Rechtsgrundlage gemacht. Betroffen war z. B. die „Datei Gewalttäter Sport„, in der auf bloßen Verdacht Leute landen, die bei einem Fußballspiel in der Nähe einer Ausschreitung gesehen wurden. Die Aufnahme führt dann zu so Dingen wie Meldeauflagen und Ausreiseverboten. Die Justiz fand das eher weniger lustig und hat das untersagt, mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Würde es bestätigt werden, ohne dass eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, würde das höchstwahrscheinlich bedeuten, dass das BKA seine „schöne“ Datensammlung endlich löschen und künftig unterlassen muss. In ein paar Tagen findet die mündliche Verhandlung statt, in der das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheidet. (Den Hinweis auf diesen wichtigen Zusammenhang verdanken wir übrigens einem Beitrag im Heiseforum).

Mit dem Freibrief dürften jetzt noch ein paar neue Datenbanken entstehen. Was den Umfang der jetzt speicherbaren Daten angeht: „Alles“ ist eigentlich untertrieben – an das, was da zusammenkommt, denkt ein normaler Mensch nicht, siehe die Verordnung selbst. Besonders bemerkenswert finde ich darin die Aussage, dass das bisherige (nicht rechtsstaatliche) Verfahren ja super (aus Sicht der Polizei) funktioniert hätte.

Die FDP hätte die das selbstverständlich verhindern können, wenn sie denn tatsächlich für Bürgerrechte eintreten würde: Im Bundesrat muss jedes Bundesland mit einer Stimme sprechen, sind sich die dortigen Koalitionsparteien nicht einig, gibts eine Enthaltung, die wie ein Nein wirkt. Selbst wenn also außer der FDP alle Parteien für diese Verordnung wären, hätte sie es verhindern können. (Hätte die SPD sich rechtzeitig auf eine Koalition in NRW geeinigt, hätte sie übrigens die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat gekippt und es so vermutlich auch verhindern können.)

Köhlers Rücktritt riecht verdächtig

2010-05-31 4 Kommentare

Ich finde interessant, wie das Interview, was am Ende zu Köhlers Rücktritt geführt hat, erstmal rund eine Woche unbeobachtet liegenblieb, und zwar trotz Zensurdebatte, und dann so hochkochte. Soweit ich das nachvollziehen kann, hat das Deutschlandradio die kritischen Stellen irgendwie rausgekürzt. Die offizielle Begründung ist scheinbar gewesen, es seien zwei Fassungen erstellt worden und versehentlich sei Text (und evtl. auch Mitschnitt) der kürzeren Fassung auch da verlinkt worden, wo die vollständige Fassung hingehört hätte. Da zu spekulieren, ob es ein Versehen oder Absicht war, bringt wenig.

Die relevante Passage (Hervorhebung von mir):

Aus meiner Einschätzung ist es wirklich so: Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen. Alles das heißt, wir haben Verantwortung. Ich finde es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch mit Fragezeichen diskutiert wird. Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.

Die Aussage war meiner Meinung nach recht eindeutig. Freie Handelswege bezieht sich natürlich auf die Piraten vor Somalia. Aber das lässt die Behauptung über die regionalen Instabilitäten nicht verschwinden, und das klingt (zumal das Interview auf dem Rückweg aus Afghanistan stattfand und es um Afghanistan ging) ziemlich deutlich nach Afghanistan. So oder so ist auch der Zusammenhang zwischen militärischen Einsätzen und Außenhandelsabhängigkeit eindeutig. Ich maße mir hier kein Urteil an, was davon verfassungswidrig ist, bin aber fest davon überzeugt, dass Köhler in diesem Punkt endlich mal die Wahrheit auf den Tisch gepackt hat. (Ergänzung: Ist übrigens nichts neues.)

Der Rücktritt erscheint mir genauso seltsam wie der von Koch und ich befürchte, dass da im Hintergrund irgendwas sehr hässliches und gefährliches passiert. Ich glaube nicht, das Köhler nur geht, weil er ungeschickterweise die Wahrheit über den Afghanistankrieg gesagt hat und dafür heftig kritisiert wurde.

Im Gegensatz zu Koch hat Köhler meiner Meinung nach seine Arbeit sehr gut gemacht und im Gegensatz zu früheren Bundespräsidenten auch mal ein verfassungswidriges Gesetz gebremst oder gestoppt. Von daher bedaure ich den Rücktritt und hoffe, dass ich mit meinen Befürchtungen falsch liege. Mit einem drohenden Kollaps der Wirtschaft und zwei möglichen Kriegen in Nahost (Israel/Iran) und Korea (Nord/Süd) würden uns irgendwelche inneren Umsturzversuche noch fehlen – wobei die Umstände sowas natürlich gerade begünstigen würden.

Zum Urteil über Jörg Tauss

2010-05-28 6 Kommentare

Heute hat das Landgericht Karlsruhe Jörg Tauss wegen des Besitzes von Kinderpornographie zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Vor dem Prozess hat die Staatsanwaltschaft bereits mit ihrer offensiven Medienpolitik (viele Dinge über den Prozess erfuhr Tauss über die Presse) für eine soziale Hinrichtung von Tauss gesorgt, unabhängig vom Ausgang des Prozesses.

(Zum Vergleich mal ein anderer Fall: Ein hochrangiger CDU-Politiker ist mit 100 Tagessätzen davongekommen und es gab kein öffentliches Aufsehen. Bei Tauss hat die Staatsanwaltschaft hingegen ein Medienspektakel draus gemacht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…)

Da viele Gerüchte kursieren, möchte ich hier mal einige Fakten zusammenfassen. Ich bin kein ausgebildeter Jurist. Ich habe zwar mehr juristische Kenntnisse als viele andere Laien, bin aber kein Experte.

Grund für den Besitz

Tauss behauptet, er hätte das Material aus rein beruflichen Gründen besessen. Er will es sich deswegen beschafft haben, weil er als Abgeordneter über das Thema entscheiden muss und das BKA den Abgeordneten oft falsche Informationen liefert, um die Politik in die gewünschte Richtung (z. B. mehr Befugnisse) zu lenken. Die Staatsanwaltschaft behauptet, Tauss hätte das Material aus privatem Interesse besessen. Wer mehr Hintergründe aus der Sicht der Verteidiger lesen will, dem sei der Aufsatz „Die Wahrnehmung schlägt die Fakten“ sowie ein Blogbeitrag von mit einigen Hintergründen nahegelegt. Der Aufsatz räumt auch mit einigen falschen oder aus dem Kontext gerissenen Behauptungen auf (z. B. das Material sei versteckt gewesen), der Blogbeitrag zeigt, was für politische Interessen in den Fall verwickelt sein könnten.

Zahlreiche Medien berichten, dass das Gericht festgestellt hätte, dass Tauss das Material aus privatem Interesse daran beschafft hätte. Tauss schreibt aber auf Twitter, dass das Gericht ausdrücklich festgestellt hätte, dass er eben kein sexuelles Interesse am Material hatte. Näheres werden wir wohl erfahren, sobald die Urteilsbegründung öffentlich ist, dann dürfte es wenig Zweifel geben, wessen Position stimmt. Sollte Darstellung von Tauss stimmen, hoffe ich auf zahlreiche deutliche Gegendarstellungen in den Medien, auch wenn ich für unwahrscheinlich halte, dass die Medien das auch tatsächlich machen. UPDATE: In einer Stellungnahme von Tauss erläutert er diesen scheinbaren Widerspruch: Das Gericht sei davon ausgegangen, dass ein Abgeordneter selbst nicht recherchieren darf, und er somit als Privatperson gehandelt hat, aber nicht aus sexuellem Interesse. Schade, dass die Medien natürlich wieder mal nur den ersten Teil rausgreifen, und mal schauen, wie das nun genau in der Urteilsbegründung steht.
UPDATE 2: Das Gericht hat ein sexuelles Interesse zwar nicht festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen – es war ihm schlicht egal, ob Tauss sich das Material besorgt hat, um sich daran zu befriedigen, oder nur, um (aus privatem Interesse) näheres über die Kinderpornoszene zu erfahren. Formell wahr sind also beide Behauptungen, und beide sind verzerrend.

Weiterer Rechtsweg

Tauss kann (und wird vermutlich) gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Da das Urteil in der ersten Instanz vor dem Landgericht (und nicht vor dem Amtsgericht) verhandelt wurde, ist das einzige mögliche Rechtsmittel die Revision zum Bundesgerichtshof. Dabei werden laut Wikipedia keine Feststellungen zu Tatsachen gemacht. Eine Berufung gibt es nicht.

Zum Urteil an sich

Soweit ich das als Laie sehe, gab es für das Gericht folgende Möglichkeiten:

  1. Freispruch, weil er als Abgeordneter das Material besitzen durfte
  2. Freispruch, weil er es zwar nicht durfte, aber dachte, es zu dürfen (der Grundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ ist keineswegs so absolut, wie viele denken, siehe z. B. Verbotsirrtum)
  3. Schuldspruch, aber Absehen von Strafe nach § 60 StGB („weil schon genug gestraft“)
  4. Schuldspruch mit Strafe

Nach der sozialen Hinrichtung durch die Staatsanwaltschaft war ich mir vor dem Urteil relativ sicher, dass selbst im (aus meiner Sicht unwahrscheinlichen) Fall eines Schuldspruchs kein Weg am Absehen von Strafe nach §60 StGB vorbeiführt. Da dieser Paragraph allerdings auf Strafen höchstens 1 Jahr beschränkt ist, war er bei der Höhe des Urteils nicht anwendbar. (Ob die Strafe deswegen so hoch war?)

Die Höhe ist etwas, was mich völlig überrascht hat. Ein Artikel der Morgenpost berichtet über einen ähnlichen Fall, indem ein CDU-Landrat wegen Kinderpornographie verurteilt wurde (Link über Google, denn bei Direktlinks will die Morgenpost Geld für den Artikel). Der Landrat hatte ebenfalls eine relativ geringe Menge an Kinderpornos, über mehrere Jahre, gesammelt – und bekam eine Geldstrafe. Der Artikel listet noch weitere Fälle:

  • 8 Monate auf Bewährung gab es für „gut 3400 Bilder und mehr als 350 Videos mit Kinderpornos“.
  • Ein halbes Jahr ohne Bewährung für „zahlreiche eindeutige Dateien bewusst auf seinem Computer gesammelt“ bei einschlägiger Vorstrafe. (!)
  • 12 Monate auf Bewährung gab es „[w]egen des Besitzes von mehr als 200.000 kinderpornografischer Filme und Videos“ durch jemanden, der auch Nacktfotos seiner Tochter produziert haben soll (ob das im Urteil mitberücksichtigt wurde, steht da leider nicht).

Bei Tauss kam vermutlich dazu, dass er das Material auch weitergegeben hatte, um das Vertrauen der „Lieferanten“ zu gewinnen, allerdings hat er direkt am Anfang der Ermittlungen offen gesagt, dass er es besitzt und den Beamten gezeigt, wo das Material war. Die Höhe der Strafe hat mich somit ebenfalls überrascht.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Urteilsbegründung.

Folgen im Bezug auf die PIRATEN

Tauss ist (einfaches) Mitglied der Piratenpartei. (Er hat bei ihr keinerlei Ämter oder Funktionen.) Die Piratenpartei hat ihn aufgenommen, da es sich zum Zeitpunkt der Aufnahme nur einen Verdacht gegen Tauss gab und die Unschuldsvermutung gilt. Die Unschuldsvermutung (ein Mensch gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als Unschuldig) ist ein wichtiges Grundrecht, und die Piratenpartei setzt sich für den Erhalt dieser Grundrechte ein. Deswegen war die Aufnahme logisch. Die Staatsanwaltschaft hat übrigens dieses Grundrecht mit fragwürdigen Aussagen gegenüber der Presse ziemlich missachtet.

Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, gilt die Unschuldsvermutung weiterhin, auch wenn die Öffentlichkeit das anders sehen dürfte. Die Piratenpartei dürfte jedenfalls, selbst wenn sie es wollen würde, keine rechtliche Handhabe haben, um Tauss aus der Partei auszuschließen!

Die Mitgliedschaft endet laut Satzung und Parteiengesetz automatisch, wenn ein Mitglied die Wählbarkeit verliert. Dazu muss laut § 45 StGB das Mitglied aber wegen eines Verbrechens zu mindestens einem Jahr Haft verurteilt werden (auf Bewährung kommt es dabei soweit ich weiß nicht an). Der Besitz von Kinderpornographie ist laut § 184b StGB aber nicht mit einer Mindeststrafe von mindestens einem Jahr belegt und somit kein Verbrechen im Sinne des StGB (siehe § 12 StGB). Dieser Fall trifft hier also nicht zu, selbst wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte, verliert Tauss also nicht automatisch seine Mitgliedschaft.

Tauss kann aber jederzeit aus der Piratenpartei austreten. Diese Entscheidung hat allerdings er allein zu treffen, und soweit ich das sehe ist es der einzige Weg aus der Partei.

UPDATE: Tauss hat auf seiner Website bekanntgegeben, dass er bis auf weiteres auf seine Rechte aus der Mitgliedschaft in der Piratenpartei verzichtet und seinen möglichen Austritt aus der Piratenpartei zu ihrem Schutz von der Urteilsbegründung, den Revisionschancen und der weiteren Hetze der Medien abhängig macht.