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Archive for Juni 2007

Mischmasch 8 – sinnlos GEZahlt und INTELligent ausspioniert

2007-06-26 1 Kommentar

Viele regen sich über die GEZ auf. Viele regen sich noch mehr darüber auf, dass man jetzt auch auf Internetgeräte GEZ-Gebühren zahlt, obwohl kein Content geboten wird. Und statt den Unsinn sein zu lassen und sich auf die Grundversorgung zu beschränken und diese sinnfreien Gebühren nicht abzuzocken, wird lieber unsinniger Content geboten. Handy-Nachrichten. Bereits mehrfach hat sich gezeigt, dass kaum jemand Interesse daran hat. Wenn dies anders wäre, könnte man dafür auch Geld nehmen und damit vieleicht sogar den normalen Rundfunk querfinanzieren. Da kommt leicht der Verdacht auf, dass das nur passiert, um die unsinnigen Rundfunkgebühren zu rechtfertigen. Zur Grundversorgung kann man Handy-TV ja wohl nicht mehr zählen.

Intel hat eine neue Lösung gegen Cheater entwickelt. So weit, so schön, Cheater mag keiner. Aber die Technologie arbeitet auf Hardwarebasis. Damit handelt es sich um die Einführung von TPM-Hardware über die Hintertür. Mehr nocht, eine vollständige Überwachung von Benutzern wird dadurch möglich, und da der Chip offenbar gegen Klickbetrug eingesetzt werden soll, ist dies sogar das erklärte Ziel. Denn niemand wird den Chip freiwillig aktivieren, um seine Werbeklicks überwachen zu lassen, denn wer hat schon ein Interesse daran, dass jemand, der ihn mit Werbung nervt, dafür bezahlt wird? Der Chip müsste also standardmäßig aktiv sein und Daten zur Auswertung übermitteln, um Klickbetrüger zu erkennen. Da auch das TPM inzwischen ohne große mediale Aufregung offenbar den Weg in viele Computer fand, ist zu befürchten, dass auch so eine Technologie sich ausbreitet – und ob man eine wirkliche Wahl haben wird, wenn erst einmal der Großteil der PCs sowas hat? Es wundert mich, dass Heise nicht etwas kritischer mit dieser neuen, genialen Entwicklung umgeht.

Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Ich habe die Liste der Nachrichtenquellen, von denen ich ausgehe das jeder interessierte Blogleser sie liest und deren Nachrichten ich daher nicht wiederhole, ergänzt, die STOP1984 News (Feed) sind jetzt auch dabei. 

Ein Computer ist nicht öffentlich

2007-06-23 7 Kommentare

Viele Menschen haben keine Ahnung von zahlreichen modernen Technologien. Dagegen ist auch eigentlich nichts einzuwenden. Allerdings haben auch viele Politiker und Richter in diesem Bereich keine Ahnung. Auch das wäre nicht schlimm, wenn diese ahnungslosen Politiker nicht gerne völlig unpassende Dinge miteinander vergleichen , diese Vergleiche einfach so schlucken, realitätsfremde Gesetze oder Urteile beschließen oder auf ähnliche Art und Weise Schaden anrichten würden. Um dies zu vermeiden, möchte ich hier eine Liste von Vergleichen aufstellen, wie bestimmte neue Technologien einzuordnen sind. Sie sollen helfen zu erklären, wie neue Technologien behandelt werden sollen oder mit was man sie gleichsetzen sollte oder könnte. Dafür bitte ich meine Leser um Hilfe: Wer Ideen hat, was in die Liste rein soll, einen Kommentar, Verbesserungsvorschlag, eine Einschränkung, eine Ergänzung oder sonst etwas zur Liste zu sagen hat, möge bitte die Kommentarfunktion nutzen. Insbesondere Kommentare, ob die Vergleiche passend sind, sind sehr willkommen! (Ebenfalls wäre ich dankbar für den Link zu der Webseite, die diverse Unsinnsurteile sammelt, wie z. B. das, in dem ein Richter allen Ernstes behauptet, dass FTP-Server grundsätzlich dem illegalen Datenaustausch dienen würden.)

E-Mail

E-Mails könnten vergleichbar mit Briefen oder Postkarten oder aber Faxen sein: Während sie übertragen werden, dürften Faxe der passendste Vergleich sein, da es sich auch um ein elektronisches, ungesichertes Übertragungsmedium handelt, welches zweifellos dem Fernmeldegeheimnis unterliegt. Während die Mails beim Provider liegen, sollten sie wie Briefe oder Postkarten behandelt werden, die in einem Postfach bei der Post liegen (so sieht es technisch gesehen auch aus), sinnvoller wäre es allerdings eventuell, sie wie Sendungen im eigenen Briefkasten zu behandeln (sofern es überhaupt einen Unterschied macht.) Während Mails zwar gerne mit Postkarten verglichen werden, da sie quasi „offen“ sind, wäre eventuell der Vergleich mit Briefen sinnvoller: Postkarten gehen grundsätzlich durch Menschenhände und eine Möglichkeit zur Einsichtnahme ist üblich. Mails gehen hingegen ausschließlich durch Mailsysteme, und eine Einsichtnahme ist kaum möglich. Eine weitere Vergleichsmöglichkeit wären Telegramme: Sie ähneln E-Mail, da sie elektronisch und unsicher übertragen werden und mehrere Schritte gehen. Allerdings sind sie heute kaum noch bekannt, und im Gegensatz zu Mails wird davon ausgegangen, dass fremde Menschen (z. B. Annahmestelle/Boten) den Telegrammtext zur Kenntnis nehmen. E-Mails auf der Festplatte eines Computers sollten genauso behandelt werden wie Briefe oder Postkarten in einer Schublade.

Der Computer(inhalt) und Datenträger

Eigentlich ist es recht einfach, wie der Computerinhalt zu behandeln ist. Genauso wie das Vorhandensein eines Fensters die Wohnung nicht zum öffentlichen Raum macht, macht ein Internetanschluss den Computer nicht zum Teil des Internets in dem Sinn, wie Politiker das gerne verstehen würden. (Natürlich ist ein Computer technisch gesehen „Teil“ des Internets, da er eine IP-Adresse zugewiesen bekommt, um kommunizieren zu können.) Dennoch sind die auf dem Computer gespeicherten Daten und der Computer als solches nicht als Teil des Internets anzusehen, da die Daten normalerweise nicht aus dem Internet erreicht werden können. Ein Telefon/Handy ist auch Teil des Telefonnetzes, und dennoch würde wohl kaum jemand den Inhalt des Telefonspeichers zum Telefonnetz zählen, und dieser Vergleich ist ja wohl recht direkt und eindeutig passend. Der Computer steht in der Wohnung, und die Daten darauf stehen in der Wohnung, und nicht im Internet. Ein Computer und damit auch der gesamte Festplatteninhalt gehört somit zur Wohnung wie ein Aktenschrank mit Akten drin. Ein Laptop in einer Laptoptasche unterwegs ist wie ein Aktenkoffer. Die völlig absurde und lächerliche Idee, ein Internetanschluss mache einen Rechner zum Teil des Internet, zeigt, wie wenig Ahnung Politiker vom Internet haben und wie leicht sie auf falsche Behauptungen reinfallen (ersteres ist nicht zu beanstanden, letzteres schon). Datenträger sind ebenso zu behandeln wie Aktenordner.

„Online-Festplatten“

Online-Datenspeicher sind mit Schließfächern oder angemieteten Lagerräumen vergleichbar, der Transfer sollte bereits jetzt unter das Fernmeldegeheimnis fallen.

Verschlüsselung

Verschlüsselte Daten, egal ob bei der Lagerung oder Übertragung, sollten so behandelt werden, als ob sie sich in einem großen, festen Safe befänden. (Auch wenn die Post wohl ungern Briefe ausliefern würde, die von mehreren Zentimetern Stahl umgeben sind – das Internet machts möglich ;-) )

Schlussfolgerungen

Online-Durchsuchungen sind genauso „zulässig“ wie Hausdurchsuchungen. Somit ist sowohl das Wissen des Betroffenen nötig als auch ein Gerichtsbeschluss als auch die Anwesenheit von Zeugen. Da ersteres nicht geplant, zweiteres unerwünscht und letzteres unmöglich ist (eine Kontrolle ist in keiner Weise möglich), sind Online-Durchsuchungen verfassungswidriger Unfug.

ERGÄNZUNG zu Online-Durchsuchungen: Da die Online-Durchsuchungen im Verborgenen stattfinden würden, sind sie eher mit geheimen konspirativen Wohnungsdurchsuchungen zu vergleichen, wie sie die Stasi durchgeführt hat und wie sie aus gutem Grund in Deutschland verboten sind.

NEUE ERGÄNZUNG: Ich hab jetzt was zum NRW-Trojaner geschrieben.

Wie es bei anderen Dingen (Durchsuchen von Mails in Postfächern oder Daten in Onlinespeichern) aussieht, weiß ich nicht, da ich die Vorschriften für Postfächer und Mietlagerräume nicht kenne.

(Keine) Linksammlung

2007-06-19 2 Kommentare

Einigen ist sicher aufgefallen, dass auf diesem Blog in letzter Zeit nicht viel Neues auftaucht. Die Ursache dafür ist nicht, dass ich nach Guantanamo Bay umgezogen bin oder es keine Nachrichten gibt, die beachtenswert wären. Allerdings machen meiner Meinung nach die Massenmedien zur Zeit einen recht brauchbaren Job, und ich schreibe nur etwas, wenn ich etwas beizutragen habe. Wenn es zu einer Nachricht nix zu sagen gibt, taucht sie hier überhaupt nicht auf. Dieses Blog dient längeren Analysen, Newskommentaren, meinen Geschichten und sonstigen Äußerungen als Veröffentlichungsplattform, aber es handelt sich nicht um eine Linkliste von Nachrichten zu bestimmten Themen. Ich erwähne hier nur Sachen, die in den Massenmedien in Deutschland untergehen. Zu diesen Massenmedien zähle ich (und lese über RSS-Feeds regelmäßig):

Auch wenn die letzten beiden Nachrichtenquellen keine wirklichen Massenmedien sind, gehe ich davon aus, dass interessierte regelmäßige Blogleser diese auch lesen. Alles, was auf obigen Nachrichtenquellen erwähnt wird und zu dem ich nichts zu ergänzen habe, kommt normalerweise nicht ins Blog. Weitere Nachrichtenquellen, die ich lese und empfehle, aber nicht quasi vorraussetze (EDIT – Bis auf die erste!):

  • STOP1984 News (Feed) – eine Linkliste mit Links zu Nachrichten über überwachungsstaatliche Tendenzen. Diese setze ich zusätzlich zu den Massenmedien voraus, da zahlreiche datenschutzrelevante Nachrichten dort verlinkt werden. Wer immer Up-to-date bleiben will, möge den dortigen Feed abonnieren.
  • Law Blog (Feed) – Blog eines sehr engagierten Anwaltes, in dem oft Überwachungsgesetze und ähnliche Unsinnigkeiten auseinandergenommen werden und welches auch gute Einblicke in die Realität, wie diverse Gesetze in der Praxis gehandhabt werden, bietet.
  • Schneier on Security (Feed) – Blog eines der bekanntesten Sicherheitsexperten, zeigt oft den Unsinn im Überwachungsbereich auf. Englischsprachig.
  • CCC (Feed) – Seltene Nachrichten (das stört im Feedreader kaum), engagiert sich gegen Überwachungswahn. Oft interessante Aktionen und Ankündigungen.
  • Der Große Bruder – Times (Feed) und Miniwahr (Feed) – Überwachungsnachrichten
  • Blue Archive (Feed) – politisches Blog
  • Der Morgen (Feed) – politisches Blog
  • de.internet.com (Feed) – IT-Nachrichten, erst vor kurzem in meine Liste aufgenommen
  • Gulli.com News (Feed) – „Underground-Nachrichten“ – Nachrichten aus der Warez-Szene, sind aber auch viele politische News dabei. Neu aufgenommen.

Andere, thematisch nicht ganz passende aber teils auch interessante Nachrichtenquellen:

  • teltarif.de (Feed) – Nachrichten über die Telekommunikationsbranche, ab und zu etwas zu Überwachung, warnt vor einigen Abzocken mit Sparvorwahlen
  • indymedia (Feed 1 Feed 2) – linkes bis linksradikales, offenes Nachrichtenportal. Berichte meist aus der Sicht von Linksradikalen, mit Vorsicht zu genießen, kann Anstöße für weitere Recherchen geben und ist teilweise lustig.
  • Gamestar (Feed) – Spiele-News

Und wo wir schon dabei sind – folgende zwei Feeds dienen meiner Belustigung, etwas Spaß muss auch sein:

Dadurch, dass ich diese Nachrichtenquellen per RSS-Feed lese, habe ich ein einheitliches und sehr übersichtliches Design und bin in der Lage, sie recht zügig abzuarbeiten (ja, es kostet immer noch recht viel Zeit, aber weit weniger, als die einzelnen Websites zu nutzen oder gar die Papierausgaben von Zeitungen). Als Feedreader empfehle ich übrigens den freien „Feedreader 2.90“ (für Windows). Wer einen besseren Feedreader kennt, der das gleiche Layout besitzt (also links die Feeds, rechts oben die Schlagzeilen und rechts unten die Nachricht – bei Einzelklick nur den im Feed enthaltenen Vorschautext, bei Doppelklick die Website), möge mir bitte den Namen und die Download-URL mitteilen. Auch Linux-Varianten sind für mich interessant, da ich bald umsteigen möchte.

Falls der dringende Wunsch besteht, bin ich gerne bereit, ein System von Feeds einzurichten, welches Nachrichten aus obigen Quellen thematisch geordnet liefert (wer Interesse hat, bitte einfach Bescheid sagen). Aber dieses Blog ist eben keine Linkliste.

Atombombe in Tschechien

Die meisten dürften diese Fernsehsendungen kennen, die täglich eine Stunde lang nur Bilder von irgendwelchen Ski- und Bergregionen zeigen, inklusive Wetterdaten. Langweilig? Normalerweise schon. Hier mal ein Beispiel einer solchen Sendung in der nicht langweiligen Variante. Das Video hat zwar eine miese Bildquali, dafür ist die „passende“ Musik gut zu hören. Diese Sendung ist wirklich so ausgestrahlt worden.

Ein paar Hacker hatten sich offenbar einen „Spaß“ erlaubt, sie sind wohl ins Gebäude mit der Kamera eingebrochen, haben etwas Videomaterial mitgeschnitten, bearbeitet und wieder eingespeist. Und da die ganze Sendung vollautomatisch und live ist, lief es dann auch so im Fernsehen. Der Fernsehsender war not amused über eine zwar etwas kleine, ansonsten aber recht realistische Atombombenexplosion mitten im Skigebiet, inklusive Atomblitz, -pilz und EMP-Störungen. Mehr Details gibt es bei Heise und Heise Security.

Die Hacker haben auf ihrer Myspace-Seite ein Bekennerschreiben veröffentlicht, welches ich übersetzt habe, da wohl nur wenige Menschen Tschechisch können:

Wir sind keine terroristische oder politische Gruppe, der Zweck ist es nicht irgendwie der Gesellschaft Angst zu machen oder sie zu manipulieren, wie wir dies tagtäglich sowohl in der realen als auch in der medialen Welt erleben. Ob es nun politische Interessen, oder die Interessen des Marktes, von Firmen, überstaatlichen Organizationen sind, sie Manipulieren die Gesellschaft, drücken ihre Produkte und Ideen auf allen möglichen Wegen in das Bewusstsein des Bürgers. Eine feine Störung dieses Systems, ein Appell an den reinen Verstand des Menschen, seine Unbeeinflussbarket, schadet unserer Meinung nach nie, auch nicht in einem demokratischen Land. Daher hackte die Künstlergruppe Ztohoven vor einigen Jahren den öffentlichen Raum der Hauptstadt Prag, stellte sowohl den Raum der Werbung im Prinzip als auch den Raum konkreter Werbung als solcher in Frage. Am 17.06.2007 griff sie den Raum der Medien an, den Raum des Fernsehens. Sie störte ihn, stellte seine Wahrheit, Glaubwürdigkeit in Frage. Sie machte auf die mögliche Verwechselung des medialen Bildes der Welt mit der Welt an sich, der realen Welt, aufmerksam. Ist alles, was wir täglich auf den Bildschirmen der Fernseher sehen, die Wahrheit, die Realität? Ist alles, was uns von den Medien, Zeitungen, dem Fernsehen, dem Internet als Wahrheit vorgelegt wird wirklich die Wahrheit? Diesen Gedanken soll unser Projekt einführen, daran erinnern. Wir glauben, dass auch der freie Raum des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eine solche Aktion und damit auch seine eigene Infragestellung erträgt, ein Appell für die Zukunft und eine Erinnerung an die Medien, weiterhin die Wahrheit zu präsentieren, sein wird. Vielen Dank für die freien Medien, freien Raum für die Gesellschaft.

Die obige Übersetzung ist möglichst wörtlich. Das „erleben“ im ersten Satz würde genauer übersetzt werden mit „Wie wir Zeuge dessen werden“, das hat aber im Deutschen nicht gepasst. In Satz zwei wäre statt „sie manipulieren die Gesellschaft“ genauer „sie manipulieren mit der Gesellschaft“, doch die erste Übersetzung trifft den Sinn und ist im Deutschen richtiger. Das „stören“ in Satz 3 müsste wörtlich als „anstören“ übersetzt werden, aber dem entsprechenden tschechischen Wort entspricht das Wort „stören“ noch am Besten von allen existierenden Worten. Die Übersetzung „hacken“ ist eine direkte Übersetzung eines leicht umgangssprachlichen Wortes. Die genaue Übersetzung wäre „rammen“. Der „Raum“ könnte auch mit „Bereich“ oder noch besser „Sphäre“ übersetzt werden. „In Frage stellen“ ist die beste Übersetzung die mir einfiel, das Wort bedeutet eigentlich „in Zweifel ziehen“, „Zweifelhaft machen“. „Frei“ ist im Sinne von Freiheit zu verstehen. Die teils unübliche Ausdrucksweise (fehlendes „und“ etc.) ist im Originaltext vorhanden, wurde durch die Übersetzung aber eventuell leicht verstärkt.

Der Name der Gruppe „ztohoven“ dürfte sich von den Worten „z toho ven“ (raus daraus) ableiten, theoretisch wäre allerdings, wenn man einen Buchstaben verändert, auch „sto hoven“ (100 Stück Scheiße) denkbar. Die Website ztohoven.com lenkt zur Zeit auf ein Myspace-Profil der Gruppe um, welches auch obige Ankündigung enthält, die alte Website ist leider nicht bei Archive.org oder Google Cache gespeichert.

Überwachung und Grundrechte in den Unterhaltungsmedien

2007-06-03 11 Kommentare

Eine Sache, die mir in letzter Zeit sehr auf den Keks geht, ist, dass die Unterhaltungsmedien die Bevölkerung immer mehr an die Überwachung gewöhnen, statt vor den Gefahren zu warnen. Hier mal ein Beispiel:

30.5. 20:15 Sat1 Es kommt die Folge „Paradies“ der Serie „GSG9“. Ein Menschenhändlerring wird verfolgt. Um die Täter zu stellen werden einfach so (!) die Mautdaten genutzt. (In der Realität ist das klar gesetzeswidrig) Dabei wird es auch noch dargestellt, als ob es sich um einen Routinefall handelt. Bei dieser Darstellung handelt es sich um keinen Einzelfall, im Gegenteil, Überwachungsmaßnahmen werden immer häufiger gezeigt. Durch diese dauernde Berieselung wird die Bevölkerung langsam aber sehr zuverlässig daran gewöhnt, dass Überwachung ganz normal ist und nicht kritisiert werden muss. Ein weiterer Punkt ist, dass die dargestellten Fälle so gut wie immer erfolgreich verlaufen und grundsätzlich positiv dargestellt werden – die Gefahren und Nachteile von Überwachung werden gezielt verschwiegen. (Auch wenn lobenswerte Ausnahmen zeigen, dass es auch anders geht.) Interessant wäre es, festzustellen, ob diese Darstellungen „von selbst“ entstehen oder vieleicht sogar von irgendwem gezielt gefördert werden.

Ein weiterer Fall, ebenfalls aus der oben genannten Folge: Einige GSG9-Leute beschweren sich (Zitat eventuell nicht wörtlich): „Dem Täter können wir nichts tun, aber abwarten, dass die Opfer sterben, können wir“ (nachdem ein Täter sich weigert, über den Verbleib der Opfer auszusagen). Diese Aussage hat zwar nichts mit Überwachung zu tun, sondern mit sonstigen Grundrechten. Und in diesem Fall gibt es sogar ein reales Vorbild, welches der dargestellten Situation sehr nahe kommt: Den Fall Daschner. Daschner hat angeordnet, einen Täter zu foltern, um so an Informationen über den Aufenthaltsort des Opfers zu bekommen. Dieses Verhalten wurde später für eindeutig rechtswidrig erklärt. Beim Zitat aus der Serie handelt es sich um einen Fall, der dem Fall Daschner ziemlich entspricht. Dadurch, dass die Äußerung von einem der „Helden“ der Serie kommt und sie einfach so im Raum stehengelassen wird, wird der normale Zuschauer dazu animiert, ihr ohne Nachzudenken zuzustimmen. Dies führt im Endeffekt dazu, dass derartige Grundrechtsverletzungen auch in der Realität leichter akzeptiert oder sogar gefordert werden.

Selbstverständlich ist es das Recht eines jeden Drehbuchautors, derartige Dinge in sein Drehbuch zu schreiben. Selbstverständlich darf ein Fernsehsender so etwas senden. Aber dennoch halte ich es für unverantwortlich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegenüber, derartige „Ideale“ zu verbreiten.

Interessant finde ich auch, dass gewisse Politiker zwar das gutheißen oder nichtbestrafen von Straftaten in Computerspielen unter Strafe stellen wollen – wenn man diesen Maßstab an die obige Sendung anlegen würde, wäre sie verboten. Seltsamerweise kommen diese Forderungen gerade von den Politikern, die sich für die Abschaffung von Grundrechten einsetzen…

UPDATE: Es geht auch anders und besser. NUMB3RS vom Donnerstag, dem 14.6.2007, 22:15o, 2007-06-14 22:15 hat z. B. viele umstrittene Technologien erwähnt (z. B. RFID-Tags für Schüler), aber gleich kritisiert (Es fielen unter anderem die Worte „Big Brother“ und „1984“ und die Figuren äußerten klar ihre Zweifel), und es wurden sogar sehr konkrete Gefahren aufgezeigt – ein Amokläufer hat das zur Anwesenheitskontrolle gedachte System der Schule gehackt und dazu benutzt, um schnell und gezielt herauszufinden, wo seine Ziele waren.

UPDATE 2:: Für ein weiteres noch deutlich besseres Positivbeispiel siehe den Nachfolgeartikel über Threat Matrix.

Mischmasch 7 – Gespaltene Zungen, Begehrlichkeiten, Gewöhnung und Lügen

2007-06-03 1 Kommentar

Die Vorratsdatenspeicherung ist noch nicht in Kraft, und schon versuchen Politiker, die Speicherdauer von 6 auf 12 Monate zu erhöhen – nachdem sie eben mit der Speicherdauer von „nur“ 6 Monaten behauptet haben, ihre Ideen seien ganz super und datenschutzfreundlich, da sie ja nur das Mindestmaß umsetzen würden. Ein besseres Beispiel für Salamitaktik gibt es wohl kaum. Hoffentlich toben sich die Politiker richtig an der Vorratsdatenspeicherung aus, dehnen sie auf 15 Jahre aus, beschließen die Speicherung aller Daten inkl. Kommunikationsinhalten, politischer Gesinnung und Bewegunsprofilen – und ärgern sich dann, dass der ganze Müll auf einmal vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird. Dann können sie in der Zeit, wo sie diesen Schrott ausdenken, keinen anderen Schaden anrichten. Hoffentlich gibt es bald so extreme Forderungen, dass wirklich jeder kapiert, dass ein Eingriff in die Privatsphäre nicht wünschenswert ist.

Auf der anderen Seite fordern CSU-Politiker, die sich ansonsten eher für eine vollständige Abschaffung der Privatsphäre und eine Totalüberwachung einsetzen, jetzt auf einmal den Rücktritt Seehofers. Grund: Er hat ihre Privatsphäre verletzt. Tja, wenn es um ihre eigene Privatsphäre geht, sind sie empfindlich, wenn es primär um die Privatsphäre derjenigen geht, die sie vertreten sollen, ist sie ihnen wurscht. Das einzige, was ich diesen Leuten zu sagen habe: „Wieso regen Sie sich auf? HABEN SIE DENN ETWAS ZU VERBERGEN?“ Hoffentlich kapieren diese Leute auch, dass Privatsphäre einen Wert hat, aber ich bezweifle es sehr.

Spiegel online berichtet darüber, wie durch Schlamperei die Arbeitslosenzahlen um 40.000 Personen zu niedrig angesetzt wurden. Auch wenn dieser Fehler peinlich ist: Er spielt keine wirkliche Rolle – die Arbeitslosenquote wurde dadurch um sagenhafte 0,1 Prozentpunkte beeinflusst. Worüber sich aber offenbar keiner aufregt, sind die Arbeitslosen, die in (teilweise äußerst sinnbefreiten) Fortbildungsmaßnahmen, 1-Euro-Jobs, ABMs etc stecken – die sind nämlich auch aus der Statistik raus, ohne wirklich zu arbeiten. Und die machen mehr als 0,1 Prozentpunkte aus.

Zwischenstand G8

Einige meiner Leser wundern sich wahrscheinlich, warum ich hier nix mit G8-Bezug schreibe. Der Grund ist einfach: Die Dinge ändern sich zu schnell, es stellt sich vieles rasch als ungenau oder falsch heraus, von einigen Dingen kann man sich erst später ein Bild machen und es ist einfach zu viel. Die meisten wirklich schlimmen Sachen werden außerdem wohl erst in den Wochen und Monaten nach dem Gipfel öffentlich werden. In meinem Artikel „Die Rechtsstaatsprüfung“ habe ich mich bereits ein wenig dazu geäußert. Dennoch wollte ich zumindest einen kurzen Zwischenstand aus meiner Sicht darstellen – und zwar anhand der Liste der Maßnahmen, die mir bisher bekannt sind (vermutlich habe ich einige vergessen, für Ergänzungen per Kommentarfunktion bin ich sehr dankbar):

  • Der Zaun – ist meiner Meinung nach zwar ein Zeichen, dass das Volk sich schön raushalten soll und der G8-Gipfel demokratiefrei und -feindlich ist, allerdings unter Umständen nötig, um zu verhindern, dass gewalttätige Autonome (damit meine ich insbesondere die, denen es mehr um Randale als um Politik geht) den G8-Gipfel niederbrennen.
  • Die Hausdurchsuchungen im Vorfeld könnten in Ordnung sein. Es gibt zahlreiche gewalttätige Gruppen, denen es offenbar nur um Randale geht, und da offenbar sogar Molotowcocktails auf Polizisten geworden wurden (!), ist klar, dass einige davon durchaus eher Terroristen als Demonstranten sind. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit a) auch Unschuldige durchsucht wurden b) die Durchsuchungen auch normale Demonstranten abschrecken sollten.
  • Die Demoverbote (z. B. teilweise im Umkreis von 10 km um den Zaun von Heiligendamm!) sind meiner Meinung nach klar undemokratisch. Klar helfen sie auch, Randale zu vermeiden. Aber hier macht es sich die Polizei bzw. die Politiker, die das angeordnet haben, zu einfach und handelt meiner Meinung nach verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat im sogenannten Brokdorf-Beschluss klar gemacht, dass die Gewaltbereitschaft von Teilen einer Demo kein Verbot rechtfertigt. Laut dem BKA selbst (!) sind aber nur 10% der erwarteten Teilnehmer gewaltbereit. Damit wäre das Verbot verfassungswidrig – ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht rechtzeitig entscheidet und die Verbote aufhebt. Interessant würde es werden, wenn dabei gleich angeordnet würde, dass Demonstranten auch hinter den Zaun dürfen (ich sage nicht, dass es zwangsläufig gut wäre!) Aber das wird schon aus rein praktischen Gründen wohl kaum geschehen – und leider wohl selbst dann nicht, wenn die Verbannung der Demo auf die andere Zaunseite verfassungswidrig wäre.
  • Über die Geruchsproben habe mich bereits geäußert.
  • Zum Thema Unterbindungsgewahrsam steht genug im ersten G8-Artikel „Die Rechtsstaatsprüfung
  • Die Postdurchsuchung ist eine heikle Sache – einige Dinge waren ziemlich seltsam (wie erkennt man ein Bekennerschreiben, ohne es zu öffnen?) und bedenklich, ein abschließendes Urteil werde ich darüber jedoch erst später fällen.
  • Die Tatsache, dass offenbar ziemlich viele Journalisten ausgesperrt wurden, und zwar anscheinend bevorzugt die, die sich kritisch geäußert haben, sehe ich als äußerst bedenklich. So etwas führt zu einer „Schere im Kopf“ und ist daher meiner Meinung nach mit Zensur gleichzusetzen. So könnten die Medien beeinflusst werden, was dazu führen würde, dass keine unparteiischen Informationen mehr zur Verfügung stehen würden. Da die Medien eine große Macht sind, wäre so die Demokratie ruck, zuck weg. Daher dürfen meiner Meinung nach solche Einschränkungen in einem Rechtsstaat ohne triftigen Grund (z. B. Beweise, dass der Journalist in Wirklichkeit ein Terrorist ist) auf keinen Fall passieren.
  • Die Äußerung Putins (!) und später der Linkspartei bei denen über „Russische Verhältnisse“ gesprochen wurde, waren meiner Meinung nach deutlich überzogen – dennoch ist zu bedenken, dass Deutschland bereits von Amnesty International für Missachtung von Freiheitsrechten kritisiert wurde und einige Maßnahmen alles andere als demokratisch und rechtsstaatlich waren. (Die Äußerungen der Linkspartei bezogen sich auf so konkrete Maßnahmen. Sie waren zwar dennoch übertrieben, aber nicht so sehr wie man gerne einmal behaupten könnte, um die Linkspartei zu diskreditieren.)

So, soviel zum Thema G8 – mehr gibt es nach dem Gipfel.

Ach ja: Ja, theoretisch könnten natürlich die Steineschmeißer alle von der Polizei angeheuert sein, um die Proteste in Verruf zu bringen. Ja, theoretisch könnten die Medien auch sehr parteiisch oder falsch berichten, weil sie alle längst von der Regierung/der Polizei/sonstwem kontrolliert oder unter Druck gesetzt werden. Theoretisch. Praktisch glaube ich nicht, dass es in Deutschland schon so weit gekommen ist.