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Archive for the ‘Unsinn’ Category

Verified by Visa – Unsicherheit mit System

2013-01-04 14 Kommentare

Früher konnte man mit einer Kreditkarte einfach online zahlen, indem man Kreditkartennummer und Gültigkeitsdatum (und später noch CVV2) eingegeben hat. Das hatte den Nachteil, dass ein Betrüger, der diese Angaben erfahren hat, auch mit der Karte einkaufen konnte. Besonders einfach ist es natürlich, wenn ein Händler selbst der Betrüger ist oder mit Betrügern zusammenarbeitet.

Deswegen haben sich die Kartenherausgeber ein System ausgedacht, was dieses Problem lösen sollte: Der Händler leitet einen auf die Seite der Bank um, dort meldet man sich mit einem Kennwort an, was nur dem Karteninhaber und der Bank bekannt ist, und die Bank bestätigt, dass der Karteninhaber sich angemeldet hat. Visa nennt das „Verified by Visa“, Mastercard nennt es „Mastercard SecureCode“, und allgemein werden diese Verfahren als 3-D-Secure-Verfahren bezeichnet. Da das Passwort im Gegensatz zu den Kreditkartendaten immer nur zwischen Kunde und Bank (verschlüsselt) ausgetauscht wird, ist es für Betrüger deutlich schwerer, an dieses Passwort zu gelangen. Eigentlich genial.

Eigentlich. Wenn der Nutzer auch tatsächlich das Passwort nur auf der Bankseite eingibt. Dafür muss er wissen, wie er die Bankseite erkennt, und auch darauf achten. Idealerweise, indem die Verifikationsseite, auf der der Kunde sein Verified-by-Visa-Passwort eingibt, auf der dem Kunden bekannten Domain seiner Bank betrieben wird. Aus unerklärlichen Gründen passiert genau das leider oft nicht, und ein Kunde kann nicht wissen, ob die Seite wirklich zu seiner Bank gehört oder nicht. Auch dafür gibt es eine Lösung: Mit EV-Zertifikaten wird der Name des Webseitenbetreibers neben der Adresszeile angezeigt (Beispiel). Darauf könnte man die Kunden trainieren, und Kunden mit Ahnung von IT-Sicherheit hätten etwas, worauf sie sich verlassen könnten.

Das setzt aber voraus, dass die Kunden wirklich auf die Bankseite umgeleitet werden, und somit sehen können, auf welcher Seite sie sind. Immer mehr Händler binden die Bankwebsite aber per IFrame in ihre eigene Website ein, statt den Kunden auf die Bankwebsite umzuleiten. Ohne den Quelltext der Seite auseinanderzunehmen, kann der Kunde nicht sehen, ob das Eingabeformular wirklich von seiner Bank stammt, oder einfach das Passwort einem betrügerischen Onlineshop (oder einem Hacker, der einen echten Onlineshop manipuliert hat) ausliefert. Was eigentlich ein untrügliches Zeichen für Phishing ist (Eingabeformular für Bankpasswort auf Nicht-Bank-Website), ist bei Verified-by-Visa/3D-Secure nicht nur völlig normal, sondern sogar die ausdrücklich empfohlene Art, das 3D Secure-Verfahren umzusetzen.

Um dem Kunden die Echtheit der Seite zu bestätigen, gibt es daher eine „persönliche Begrüßung“, die nach der Eingabe der Kreditkartennummer, aber vor der Eingabe des Passworts, angezeigt wird. Dieses auch auf anderen Seiten beliebte Verfahren ist völlig wirkungslose Scheinsicherheit: Eine bösartige Website, die das Passwort abgreifen will, kann per Software die Website der Bank besuchen, die Kreditkartennummer des Kunden dort eingeben, und bekommt daraufhin die persönliche Begrüßung mitgeteilt. Diese kann sie nun dem Kunden anzeigen und sich so als besonders echt ausweisen. Theoretisch könnte das gegen „dumme“ Phishingseiten schützen, die sich diese Mühe nicht machen wollen, praktisch wird dort das Fehlen der Begrüßung aber den meisten Kunden nicht auffallen.

Das Verfahren mit Kreditkartennummer, Gültigkeitsdatum und später CVV2 war auch notorisch unsicher, führte zu Missbrauch, aber es war bequem. Die Kartenherausgeber nahmen das bewusst in Kauf und übernahmen die Schäden, weil die Kreditkarten gerade durch ihre Bequemlichkeit attraktiv waren – den Kunden konnte die Unsicherheit egal sein, da die Kreditkartenherausgeber die Schäden übernahmen. Mit der Einführung von Verified by Visa/3-D Secure könnte sich das ändern. Mit dem Argument, das Verfahren sei sicher und jeder Missbrauch sei auf Fahrlässigkeit des Kunden zurückzuführen, könnten Banken nun versuchen, die Schäden auf Kunden abzuwälzen. Insbesondere das sinnlose Verfahren mit der persönlichen Begrüßung stinkt förmlich danach, dass das System als deutlich sicherer dargestellt werden soll, als es ist.

Deswegen schreibe ich diesen Beitrag: Das Verfahren ist unsicherer Murks, aber der Kunde hat keine andere Wahl, als es zu benutzen, wenn er seine Kreditkarte nutzen will. Solange die Bank dafür haftet, ist das auch völlig OK. Sollte eine Bank aber versuchen, die Folgen ihrer eigenen Fahrlässigkeit auf die Kunden abzuwälzen, ist dies inakzeptabel. Ich hoffe, dieses Posting trägt dazu bei, dass die Unsicherheit von Verified-by-Visa/3-D Secure besser bekannt wird, und es Banken dadurch schwerer wird, die Schäden unrechtmäßig auf ihre Kunden abzuwälzen.

Das Problem ist übrigens nicht neu und es haben schon zig Leute darüber geschrieben – siehe z. B. das Paper von Steven J. Murdoch und Ross Anderson, die regelmäßig vermurkste Bank-Sicherheitssysteme auseinandernehmen. Von Ross Anderson ist auch dieser herrliche offene Brief (Leseempfehlung!) an einen Kartenherausgeber-Verband, der die Publikation unangenehmer Forschungsergebnisse mit rechtlichen Drohungen verhindern wollte. Anderson findet in seinem vor Sarkasmus triefenden Meisterwerk  sehr deutliche Worte für das Abwälzen von Schäden durch unsichere Systeme auf die Kunden, indem behauptet wird, die Systeme seien sicher.

 

Es gibt noch einen weiteren, viel banaleren Grund, warum ich Verified by Visa hasse: Es ist lästig. Da man in Deutschland Kreditkarten online meist ca. einmal im Jahr braucht, kann ich mir das Passwort nie merken (speichern/aufschreiben darf man es natürlich auch nicht, und die sinnlosen Beschränkungen auf 8-10 Zeichen, die die Comdirect einem aufzwingt, tun ihr übriges). So besteht eine Kreditkartenzahlung für mich immer daraus, dass ich mich bei meiner Bank einloggen und dort mittls PIN+iTAN ein neues Kennwort setzen muss. Sehr komfortabel. Insbesondere, wenn die Bank wie gerade eben Wartungsarbeiten hat, und ich meine Kreditkarte deswegen nicht nutzen kann, oder wenn man dringend unterwegs ein Zugticket per Kreditkarte online bezahlen muss, aber die TAN-Liste zu Hause liegt. Die Kreditkarte ist so vom bequemsten Online-Zahlungsverfahren zum Umständlichsten geworden, ohne auch nur ansatzweise vergleichbare Sicherheit zu bieten. Herzlichen Glückwunsch.

Schlechte Nachrichten für Bürgerrechte

2011-11-07 5 Kommentare

Leider bin ich nicht direkt dazu gekommen, diese Zusammenfassung zu schreiben, aber vielleicht ist es ja auch besser, diese „tollen“ Beschlüsse unserer Regierung mal gesammelt zu sehen, nachdem man sie schon vergessen wollte. Um den folgenden Mist zu beschließen, haben die Parlamente übrigens nur zwei Tage (27. und 28.10.) gebraucht.

Fangen wir an mit dem Beschluss, dass das Erststudium nicht als Werbungskosten absetzbar ist. Über den Sinn dieser Änderung kann man sich streiten, aber der wirkliche Hammer kommt zum Schluss: Um die armen Besserverdiener unter den Studierenden nicht zu überlasten, können z. B. teure Privatunis jetzt besser abgesetzt werden. Unsere Regierung kann wohl nichts beschließen, ohne der FDP-Klientel noch ein paar Geschenke mit einzupacken.

Weiter gehts mit dem „Schuldenschnitt“ für Griechenland. Statt einem wirklichen Schuldenschnitt (ein Teil der Schulden verfällt) sollen die (wertlosen) Griechenland-Anleihen zu 50% des Nennwerts (also deutlich über dem tatsächlichen Wert) in europäische oder von der EU garantierte Anleihen umgetauscht werden. Statt einem Schuldenschnitt gibt es also auch hier Geschenke, diesmal vor allem für die Banken.

Dafür wollte unsere Regierung auch mal was dem Volk schenken, zum Beispiel kostenlose Warteschleifen und ein Ende des Abofallenbetrugs im Internet. In der entsprechenden Reform des Telekommunikationsgesetzes hat sie leider „vergessen“, Breitband-Internet zum Universaldienst zu machen (womit die Anbieter wie bei Trinkwasser und Telefon verpflichtet wären, es überall bereit zu stellen). Auch die Netzneutralität, die eigentlich in die Reform rein sollte, ist wohl nicht so ganz verankert worden. Dafür wurde in dem netten Paket mal eben die Vorratsdatenspeicherung versteckt – und zwar in letzter Sekunde und dann schnell beschlossen, damit das Parlament ja nicht merkt, worüber es gerade abstimmt.Zwar ist die neue Vorratsdatenspeicherung nicht verpflichtend, aber dafür dürfen die Provider jetzt freiwillig speichern. Angesichts dessen, dass viele das schon bisher (illegal!) getan haben, dürfte sich ein großer Datenberg ansammeln, aus dem sich die Ermittlungsbehörden bedienen können. Somit hat die Regierung zwar mal wieder „Für unsere Bürger“ auf das Paket draufgeschrieben, mit dem Inhalt spielen werden aber vor allem die Ermittlungsbehörden. Einige populäre Verbesserungen beim Verbraucherschutz (die durchaus dringend nötig waren!) hat die Regierung aber doch reingepackt – vermutlich, um es dem Bundesrat schwerer zu machen, das Gesamtpaket abzulehnen. Der Bundesrat ist nämlich fest in der Hand der Opposition, und dort muss das Gesetz noch durch. Hier ist die Hoffnung also noch nicht ganz verloren – auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Verräterpartei ihrem Namen wieder gerecht wird, obwohl sie im Bundestag dagegen gestimmt hat.

Aber wo wir bei Überwachungsgeschenken sind: Die Linke hat beantragt, jemandem etwas wegzunehmen. Nämlich der Polizei das Recht, den Bundestrojaner zu nutzen, nachdem diese gezeigt hat, wie „verantwortungsvoll“ sie damit umgehen kann (zur Erinnerung). Dass der Antrag gegen die Stimmen von Union und FDP keine Chance hat, war klar. Dennoch konnte die SPD (als Oppositionspartei!) sich nicht nehmen lassen, gegen den Antrag und somit für den Bundestrojaner zu stimmen. Würde jeder Missbrauch eines Überwachungsrechts dazu führen, dass es eingeschränkt oder zurückgenommen wird, würden die Ermittlungsbehörden vielleicht lernen, damit verantwortungsvoller umzugehen. Schade, dass diese Chance, hier den Anfang zu machen, verpasst wurde.

Stattdessen hat die Bundesregierung lieber mal die Anti-Terror-Gesetze verlängert – und nebenbei noch ein wenig verschärft, indem sie z. B. Geheimdiensten die „Selbstbedienung“ an den Flugreisedaten erlaubt haben. Auch hier hat die SPD sich wieder einmal als Verräterpartei betätigt und trotz Oppositionsrolle gegen Bürgerrechte und für die Verlängerung gestimmt. Ach, und wo wir schon bei „Anti-Terror“ sind, hier noch ein alter, aber guter Artikel von heise/c’t zur Anti-Terror-Datenbank, wo man sieht, was da so alles gespeichert wird. Die Lobby, die dafür sorgt, dass solche „Sicherheits“gesetze produziert werden, hat übrigens Jörg Tauss für Gulli aufgedeckt.

Das Europäische Parlament hat sich natürlich nicht lumpen lassen und gleichzeitig ein Abkommen beschlossen, nach dem Australien die Flugreisedaten erhält und fünfeinhalb Jahre speichern darf. Mit 463 zu 96 Stimmen übrigens, falls noch irgendwelche Hoffnungen bestanden, das EU-Parlament würde sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzen. Die übermittelten Daten enthalten unter anderem Kreditkarten- und Telefonnummern, IP-Adressen und besondere Essenswünsche (aus denen vermutlich auf die Religion geschlossen werden soll, die nicht explizit übermittelt wird). Auch ein nettes Geschenkpaket, oder?

Das einzig halbwegs Erfreuliche waren die Nachrichten über den ePerso ein paar Tage später. Schade um die verschwendeten Steuergelder, aber gut für die Bürgerrechte – wie erwartet folgte der ePerso dem Schicksal der meisten IT-Großprojekte von Bundesregierungen und wurde ein grandioser Fehlschlag: Sicherheitslücken ohne Ende, kaum Angebote, kaum Nutzer bei bestehenden Angeboten, nicht einmal die Hälfte der Ausweise mit aktiver eID-Funktion – aber leider auch schon wieder Ideen, wie man den Perso z. B. mit einer DNA-Datenbank „verbessern“ könnte.

Asse – Mathematik der Lügen

2010-12-06 3 Kommentare

In „Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors“ hatte ich vor Jahren mathematisch erklärt, warum vermeintlich sichere Verfahren zum Erkennen von Terroristen (oder sonstigen Tätern) dazu führen würden, dass ziemlich viele Unschuldige eingelocht würden. Die Grundidee dabei ist: Wenn man mit einem Verfahren, was sich nur selten irrt, sehr sehr viele Menschen testet, wird es in einigen Fällen danebenliegen. Gibt es nun nur wenige Terroristen in der Gesamtmenge, meldet das Verfahren eventuell mehr Unschuldige als es Terroristen erkennt.

Mit der Asse (dem löchrigen einsturzgefährdeten Atommülllager) gibt es nun ein anderes mathematisches Problem. Da ich hier ZDF-Quellen habe, muss ich recht großzügig zitieren, weil das ZDF die Originalquellen depublizieren wird. Um die Asse wurde eine deutlich erhöhte Krebsrate beobachtet. Laut diesem ZDF-Beitrag schließt die Regierung einen Zusammenhang aber aus:

Die Anzahl der Krebsfälle rund um das marode Atomlager Asse liegen über dem Durchschnitt – einen Zusammenhang hat die Bundesregierung nun einem Bericht zufolge ausgeschlossen. Sie erklärte demnach die Erkrankungsrate mit „statistischen Zufällen“.

Ob es einen Zusammenhang besteht zwischen „erhöhter Krebsrate“ und „Da ist ein Berg in der Nähe den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader abgekippt haben. Danach ist da Salzlake durchgeflossen bis sie radioaktiv verseucht im Grundwasser gelandet ausgetreten ist“. – das kann man mathematisch nicht beweisen. Um zu beurteilen, ob es „statistische Zufälle“ sind, gibt es aber ein Verfahren. Das nennt sich Hypothesentest und klingt böser als es ist. Wir können damit keine Sachen beweisen, aber wir können damit Sachen wiederlegen. Beispielsweise die Behauptung, das Auftreten sei reiner Zufall und die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, sei nicht erhöht. Diese Behauptung nennt sich „Nullhypothese“. Die Gegenhypothese ist „ist doch kein Zufall, die Wahrscheinlichkeit ist erhöht“. (Wohlgemerkt: Die Ursache für die Erhöhung können wir nicht feststellen!)

Zunächst einmal zu den Parametern. Im Videobeitrag wird gesagt: „Die Fälle von Blutkrebs [haben sich] verdoppelt. Es sind 18 Neuerkrankungen an Leukämie bei 10000 Einwohnern.“ (Blutkrebs = Leukämie) Damit haben wir alle Werte die wir für die Berechnung brauchen: 18 Betroffene, 10000 Einwohner, normale Fallzahl wäre 9, d.h. eine Wahrscheinlichkeit von 9/10000. Welcher Zeitraum betrachtet wird wissen wir nicht, aber aufgrund der „verdoppelt“-Aussage können wir uns sicher sein, dass die Wahrscheinlichkeit sich auf den gleichen Zeitraum bezieht wie die Anzahl der Betroffenen.

Wir brauchen also eine Binomialverteilungstabelle. Das ist mit OpenOffice Calc (oder Excel) schnell erledigt, in Spalten B und C wird jeweils eingetragen:

=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;FALSCH)
bzw.
=BINOMVERT(A3;10000;9/10000;WAHR)

(In Spalte A sind fortlaufende Zahlen von 0 bis 100 – weiter brauchen wir die Tabelle nicht, da die Wahrscheinlichkeiten im Bereich über 100 verschwindend gering sind)

Diese Tabelle gibt an, wie wahrschenlich es ist, dass genau eine bestimmte Anzahl Krebsfälle auftritt, wenn die Wahrscheinlichkeit tatsächlich 9/10000 ist. (Spalte B gibt diese Wahrscheinlichkeit an, Spalte C die aufsummierte Wahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit für „bis zu x Fälle“.)

Nun entscheiden wir uns, wie genau wir es haben möchten. Ich wähle einen maximalen Fehler von 1% (hätte meine Aussage also gerne mit 99%-iger Sicherheit). Wäre ja schlimm, wenn wir unsere Politiker zu Unrecht der Lüge bezichtigen würden. Nun sind alle Vorbereitungen getroffen und wir können unseren einfachen einseitigen Hypothesentest durchführen: Wir schauen in Spalte C (der summierten Wahrscheinlichkeit) und suchen den ersten Wert >= 99%. Dann lesen wir ab: links steht zu diesem Wert 17. Das bedeutet: Wenn die Krebsrate in der Asse-Umgebung nicht erhöht wäre, würden mit mindestens 99% Wahrscheinlichkeit höchstens 17 Leukämiefälle auftreten.

Die Behauptung, die Krebsrate sei nicht erhöht und die Häufigkeit vor Ort sei reiner Zufall, ist somit widerlegt. (Es ist damit allerdings nicht bewiesen, dass das auch tatsächlich etwas damit zu tun hat, dass direkt daneben ein Berg steht, den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll vollgemacht haben, indem sie Fässer aus ein paar Meter Höhe mit einem Radlader… ich glaub ich wiederhole mich.)

Nun kommen wir aber zur Wahrscheinlichkeitsrechnung des Terrors zurück: Würde man einen Test mit einer Zuverlässigkeit von 99% auf tausend Orte anwenden, würde man selbst wenn alles normal wäre 1%, also 10 Orte, als Betroffen ansehen. Darüber versucht die Regierung sich auch rauszureden. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass hier 1000 Orte untersucht wurden, und einer betroffen war, sondern es wurde die Umgebung eines Bergs (den sie mit (krebserzeugendem) Atommüll …) untersucht.

Um einen Zusammenhang mathematisch auszuschließen, müsste man den Test übrigens umgekehrt machen: Die Nullhypothese (das was zu widerlegen ist) wäre also „die Krebsrate ist erhöht“ und das würde man dann versuchen zu widerlegen. Wenn die Anzahl der Fälle über dem Mittelwert liegt, wird das allerdings nicht gelingen.

Was wären also mögliche Ursachen? Die Regierung stellt die Behauptung auf:

Um den beobachteten Anstieg mit Strahlung erklären zu können, müsste nach den vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnissen über die Entstehung entsprechender Krebserkrankungen die Dosis etwa 10.000 mal höher sein als beobachtet.

Wenn man fies und unsachlich wäre, könnte man diese Steilvorlage jetzt nutzen und Spekulationen über die Strahlendosis anstellen. Die kann man schließlich auch (absichtlich) falsch/an „passenden “ Orten messen. Das halte ich jedoch für unnötig: Radioaktivität die man von außen abbekommt ist eine Sache. Nicht gerade gesund, aber nicht allzu gefährlich, wenn man es mit einem anderen Problem vergleicht: In den Körper aufgenommene radioaktive Stoffe. Da kann die Strahlendosis in der Umgebung noch so gering und unter allen gefährlichen Werten sein, wenn man strahlende Partikel im Körper hat, hat man ein Problem. Alphastrahlung kann, wenn sie von außen kommt, keinen Schaden anrichten, da sie in den oberen (toten) Hautschichten abgefangen wird. Gelangt allerdings ein Alphastrahler in den Körper, können seine Strahlen verheerende Schäden anrichten (ungefähr 20x so viel wie Gammastrahlen!). Angesichts der Lecks ist das leider zumindest kein unrealistisches Szenario.

UPDATE: Das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen ist auch der Meinung, dass das kein Zufall ist. (Danke für den Link, Felix!) Welch Überraschung. Wohlgemerkt: damit ist immer noch nicht bewiesen, dass es auch tatsächlich an der Asse liegt – allerdings ist damit geklärt, dass die Behauptung der Bundesregierung („statistische Zufälle“) eine Lüge ist.

Wie man Leute zum Gegner des ePerso macht

2010-11-14 7 Kommentare

Eigentlich habe ich die Idee eines ePerso an sich nicht generell abgelehnt. Man achte auf die Wortwahl: Nicht wirklich befürwortet, aber sowas hat auch einige Vorteile und ich war nicht wirklich überzeugt, dass die Gefahren durch politischen Missbrauch tatsächlich so groß sind, wie einige behauptet haben. (Das hat natürlich nichts mit der technischen Sicherheit zu tun, die konkrete Implementierung halte ich für, … suboptimal.)

Die Argumentation der strikten Gegner online nutzbarer Ausweisdokumente ist folgende: Sobald es eine leichte Möglichkeit gibt, die Identität des Gegenübers im Netz zu prüfen, könnte sich schleichend zur Selbstverständlichkeit entwickeln (oder politisch durchgesetzt werden), im Netz immer den Ausweis vorzuzeigen, was die Anonymität im Netz zerstören würde. Damit wären Privatsphäre und vor allem freie Meinungsäußerung mehr oder weniger tot.

Ich habe diese Gefahr bisher als eher nicht so groß gesehen, zumal der Einsatz des Personalausweises für die Seitenbetreiber teuer und bürokratisch sein soll, und war vorsichtig optimistisch – mit einer vernünftigen Technik, die nicht auf Wirtschaftsförderung sondern auf vernünftiges Funktionieren optimiert ist, hätte so eine sichere Ausweismöglichkeit durchaus auch Vorteile – sichere Logins, Bankkonten online eröffnen, Onlineshops die Ware vielleicht eher mal auf Rechnung/Bankeinzug rausrücken statt auf Vorkasse zu warten, und vieles mehr. Daher auch mein Standpunkt, die Idee eines ePerso an sich nicht generell abzulehnen.

Herr Axel Fischer, natürlich von der CDU, hat es aber geschafft, mich mit einem Schlag zu einem überzeugten Gegner des Konzepts zu machen. Er konnte einfach nicht anders, als genau den befürchteten Missbrauch unverzüglich zu fordern. Danke, Herr Fischer, dass Sie mir die Augen geöffnet haben. Ach, das ist übrigens nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, also quasi der Internetexperte der CDU.

Das meiste ist bei Netzpolitik schon gesagt worden. (Update: Dieser Heiseforumskommentar bringts auch auf den Punkt.) Die Möglichkeit, sich anonym und somit sicher vor Repressalien zu äußern, ist eine Voraussetzung für eine freie Meinungsäußerung. Diesen Grundpfeiler der Freiheit abschaffen zu wollen passt in meinen Augen zu totalitären Zensurstaaten – die Forderung kommt für mich der Forderung gleich, hier einen solchen Staat zu errichten. (Mir ist sooo klar was jetzt für ein Kommentar kommt. Er ist langweilig und weder lustig noch interessant noch nötig. Der erste der ihn postet bekommt nen Fisch in seinen Kommentar geklebt.) Jede Meinungsäußerung zuordnen zu können ist nämlich besonders dann wichtig, wenn man unliebsame Äußerungen zügig bestrafen will.

Nur eines finde ich an dieser Forderung wirklich schade: Dass sie nicht rechtzeitig vor meinen ganzen Interviews rauskam.

CDU-Beschluss zur Netzpolitik, übersetzt

2010-10-26 8 Kommentare

Netzpolitik weist auf einen CDU-Vorstandsbeschluss hin, welcher (als letzten Punkt) auch die Netzpolitik erwähnt. Mit ein wenig Übung kann man aus solchen Beschlüssen durchaus Absichten herauslesen. Für die weniger erfahrenen, hier eine Übersetzung. Zitate sind gekennzeichnet und stammen aus dem verlinkten Dokument. Hervorhebungen von mir.

Sollte sich jetzt irgendwer von der CDU gekränkt fühlen und/oder der Meinung sein, dass die Übersetzung ungenau ist: Ihr habt die nächsten Jahre Zeit, das unter Beweis zu stellen. Aber bitte insgesamt und nicht in irgendwelchen Details. Viel Glück.

 

Die Übersetzung

 

Es ist unser Ziel, die Möglichkeiten des Internets in allen Lebensbereichen optimal nutzbar zu machen und den Standort Deutschland als moderne Informations- und Kommunikationsgesellschaft weiter zu entwickeln.

 

Wir wollen das Internet kommerzialisieren wo auch immer das möglich ist und die kommerzielle (Aus)nutzung des Internets fördern. Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang vor allem anderen.

 

Ein Netz ohne staatliche Mindestregulierung entspricht nicht unserer Vorstellung von politischer Verantwortung.

 

Wir wollen das Internet regulieren.

 

Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass zentrale und rein nationale Regelungen nur bedingt wirksam sind, gerade auch wenn es um Kriminalität im Internet geht. Fragen der Netzpolitik sind daher im europäischen und internationalen Dialog zu beantworten, Netzaktive und Branchenverbände werden wir dabei einbeziehen.

 

Wir wissen, dass wir unseren Überwachungswahn hier nicht durchgesetzt kriegen, weil uns die Bürger zu sehr auf die Finger schauen. Deswegen werden wir den Weg über die EU-Ebene und internationale Abkommen gehen. Lobbyisten werden dabei die Gesetzesentwürfe schreiben, während wir ein paar „Netzaktive“ ihre Meinung sagen lassen (die wir natürlich ignorieren), um die Massen ruhig zu stellen.

 

Dabei wird in der CDU die Abwägung zwischen „Freiheit“ und „Sicherheit“ stets eine wichtige Rolle spielen.

 

Die Freiheit darf die Sicherheit dabei nie einschränken. Wir fordern die totale Kontrolle.

 

So halten wir das Urheberrecht und das geistige Eigentum für schützenswerte Grundlagen von Innovation und Wirtschaftswachstum in unserer Gesellschaft.

 

Das Urheberrecht wird weiter nach Wünschen der Verwerterindustrie verschärft.

 

Auch ist es unserer Ansicht nach Aufgabe des Staates, etwa im Bereich des Daten-, Kinder-, Jugend- und Verbraucherschutzes, verbindliche Rahmenbedingungen für das Netz zu schaffen.

 

Unter dem Vorwand des Daten-, Kinder- und Jugendschutzes werden wir die Überwachung und Zensur des Internets vorantreiben und in Gesetzesform gießen. Mit ein paar wirkungslosen Verbraucherschutzregeln zünden wir eine Nebelkerze um ein – wenn auch irrelevantes – Gegenbeispiel zu haben, wenn man uns daran erinnert, dass wir eigentlich fast immer für die Lobbyisten und gegen die Verbraucher arbeiten. Falls wir am Datenschutz was ändern, werden wir „klare“ und einfache Rahmenbedingungen schaffen – „einfach“ dadurch, dass wir die Einschränkungen bei der Datennutzung reduzieren.

 

Die CDU hat eine Arbeitsgruppe „Netzpolitik“ eingerichtet, die für den Bundesparteitag 2011 programmatische Positionen erarbeiten wird, mit denen wir diese Entwicklung fördern, den Herausforderungen begegnen und die Bürger über die Chancen und Risiken der digitalen Welt informieren können.

 

Wir haben eine ganze Arbeitsgruppe eingerichtet, um so zu tun, als ob wir Ahnung vom Thema haben. Gleichzeitig werden wir uns intensiv bemühen, die Freiheit im Netz weiter einzuschränken und Propaganda über das große böse Internet zu verbreiten.

Stuttgart 21: Entgegenkommen, Baustopp oder Verarsche?

2010-10-07 1 Kommentar

Derzeit wird desöfteren betont, dass in naher Zukunft wegen Stuttgart 21 weder Bäume gefällt werden noch der Südflügel abgerissen wird. Das wird dann als Entgegenkommen verkauft, oder gar als der von den Gegnern des Projekts geforderte Baustopp.

Der SWR schreibt dazu:

Mappus (CDU) bekräftigte, dass es bis zur Landtagswahl am 27. März 2011 keine weiteren Abrissarbeiten mehr gebe. „Da ist in den nächsten Monaten nichts notwendig, was in irgendeiner Weise provozieren könnte.“ Außerdem fügte er hinzu, dass bis 2011 auch kein Baum im Schlossgarten mehr gefällt werde. […] Der Südflügel sei für den Baufortschritt nicht notwendig. „Wir werden ihn so bestehen lassen. Und ich glaube, das ist ein Signal“, sagte die Ministerin

Ich lese da keineswegs ein Entgegenkommen oder einen Baustopp. Ich lese da: „Die Bauarbeiten werden wie geplant fortgesetzt. Die Bäume, die gefällt werden müssen, haben wir in der (vermutlich illegalen) Hau-Ruck-Aktion schon gefällt, und alles was wir in nächster Zeit abreißen müssen ist schon abgerissen, den Rest machen wir nach der Wahl, wenn die anderen Tatsachen geschaffen sind, das hat ja eh Zeit.“ Tolles „Entgegenkommen“. Die Medien und die Bevölkerung so zu verarschen ist aber sowohl typisch für das ganze Projekt, als auch geschickt – denn leider werden wohl zumindest einige drauf reinfallen.

Genauso toll ist übrigens, wie ständig davon gesprochen wird, dass „die ersten“ Bäume schon gefällt wurden. Nach der obigen Aussage scheint es so zu sein, als ob alle relevanten Bäume in dem Teilstück gefällt wurden. Und zwar höchstwahrscheinlich rechtswidrig gegen den enstprechenden Beschluss des Eisenbahnbundesamtes. Das problematische daran: Würde noch mindestens ein Baum dort stehen und der Beschluss umgesetzt – wie man leicht vermuten könnte wenn die Medien von den ersten gefällten Bäumen sprechen – würde sich das Bauvorhaben verzögern. Ist aber erstmal abgeholzt, bleibt nur noch die langwierige Diskussion über mögliche (Geld-)Strafen – der Bau kann weitergehen. Ich wette, die Geldstrafe bzw. eventuelle Kosten für Ersatznaturschutzmaßnahmen werden nur einen Bruchteil dessen betragen, was eine Bauverzögerung gekostet hätte, sodass sich das rechtswidrige Verhalten für die Bahn unterm Strich richtig fett lohnt. Vor allem wenn man bedenkt, dass ein Monat Verzögerung plus Winter plus (evtl. sogar vorgezogene) Landtagswahlen ein Aus für das Projekt ergeben können, bevor die Bahn ausreichend viele Fakten schaffen kann. Meiner Meinung nach müsste sichergestellt werden, dass Geldstrafen in solchen Fällen den Gewinn durch das rechtswidrige Verhalten deutlich übersteigen, oder die verantwortlichen Personen Haftstrafen bekommen.

Sollte ich mich in irgendeinem Punkt irren, hinterlasst bitte einen Kommentar. Ich bin nicht vor Ort und kann daneben liegen. Wäre in diesem Fall schön, wenn es so wäre. Ansonsten ist nämlich das, was hier als „Geste des guten Willen“ verkauft wird, eine astreine Verarsche.

Schießsport erlauben, aber Spiele verbieten?

2010-09-24 2 Kommentare

Über Fefe bin ich darauf aufmerksam geworden, dass Wolfgang Bosbach (CDU) nach dem Amoklauf in Lörrach darauf hingewiesen hat, dass man wegen eines solchen Vorfalls nicht gleich das Sportschießen verbieten könne. Da stimme ich ihm übrigens zu. Interessant wird das erst, wenn man sich vor Augen führt, dass er ein Verfechter von Computerspielverboten ist.

Diesen Widerspruch kann ich irgendwie nicht verstehen – denn wegen einzelner solcher Vorfälle etwas verbieten zu wollen, was allerhöchstens sehr indirekt damit zu tun hat, scheint mir recht unlogisch. Eigentlich wollte ich Herrn Bosbach daher über Abgeordnetenwatch fragen, aber darüber will er nicht gefragt werden:

Da ich seit vielen, vielen Jahren völlig problemlos per Brief, per Fax oder per E-Mail erreichbar bin, darf ich Sie sehr herzlich darum bitten, etwaige Fragen an mich auch unmittelbar zu adressieren, ein Umweg über Abgeordnetenwatch.de ist wirklich nicht notwendig. Sodann werde ich Ihnen gern antworten. Selbstverständlich können Sie meine Antwort auch gern veröffentlichen.

Das ist natürlich schade, denn so kann man seine Antworten auf die Fragen anderer Leute nicht lesen, aber natürlich sein gutes Recht.

Daher habe ich folgenden Text eben direkt per Mail an ihn geschickt, und werde die Antwort dann hier veröffentlichen, sobald sie eintrifft (Links waren in der Mail als Fußnoten):

Sehr geehrter Herr Bosbach,
im Rahmen der Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechts, welche durch die Amoktat in Lörrach entfacht wurde, haben Sie laut Zeit gesagt:
„Wegen einer solchen Tat kann man nicht Millionen von Sportlern die Ausübung ihres Sports verbieten.“

In diesem Punkt stimme ich Ihnen völlig zu. Umso mehr überrascht war ich jedoch, als ich darauf hingewiesen wurde, dass Sie sich nach dem Amoklauf in Emsdetten in einem SPIEGEL-Interview vom 23.11.2006 dafür ausgesprochen haben, gewalthaltige Computerspiele zu verbieten.

Hat sich Ihre Meinung diesbezüglich seitdem geändert?

Falls nein, warum halten Sie es für richtig, Millionen von Spielern die Ausübung ihres Freizeitvergnügens zu verbieten, obwohl Sie dies bei Sportschützen (völlig zu Recht) ablehnen?

Computerspiele eignen sich (im Gegensatz zum Sportschießen) keineswegs dazu, den Umgang mit einer Waffe zu erlernen, und sie geben dem Spieler auch keine Möglichkeit, an echte Waffen zu gelangen. Selbst wenn die Spiele – was umstritten ist – bei manchen Personen bereits vorhandene Neigungen zur Gewalt verstärken würden, scheint mir dies eine deutlich geringere Gefahr zu sein als die, die Sie beim Sportschießen bereit sind, in Kauf zu nehmen. Ein Verbot aus rein subjektiven moralischen Gesichtspunkten wäre meiner Meinung nach einer freiheitlichen Gesellschaft unwürdig und schwer nachvollziehbar – bei Sportarten wie Boxen werden ja auch keine Verbote gefordert.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Schejbal

P.S.: Ich finde es schade, dass Sie keine Fragen über Abgeordnetenwatch entgegennehmen möchten. Das Portal erlaubt es anderen Besuchern schließlich, auch fremde Fragen und die Antworten darauf an einem Ort einzusehen und leicht zu finden.

Auf die Antwort bin ich jedenfalls gespannt.

Feindbilder: Neuer Krieg erhitzt die Gemüter

Die Entscheidung der USA, mit dem Afghanistankrieg einen beliebten Ort für Spielhandlungen in echte Kämpfe zu verwickeln, hat heftige Reaktionen hervorgerufen. So wiederholte der Killerspielerverband „Blutpixel“ am heutigen Montag seine Forderung, Politiker sollen den „unspaßigen Krieg“, welcher am 7.10.2010 offiziell begann, endlich beenden.

Die Gamestar hatte am Wochenende erklärt, sie widere der neue Krieg an, weil echte Menschen kämpfen und andere Menschen brutal ermorden würden. Es sei schockierend, erklärte die Gamestar, „dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, spielerische Gewalt in die Realität umzusetzen.“ Schließlich würden dabei Kinder durch die Hände der Gegner ihre Väter und Frauen ihre Ehemänner verlieren.

Die US-Regierung wies die Kritik zurück: „Das Mindestalter für die Teilnahme am Krieg sind 18 Jahre, deswegen dürfen nur Erwachsene mitmachen. Es ist die Entscheidung der Freiwilligen, ob sie zur Armee gehen oder nicht.“ Eingemischt hatt sich in die Diskussion unterdessen auch der deutsche E-Gamer-Verband: Sprecher Samuel Ernst äußerte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus, es sei „widerwärtig, so einen Krieg anzufangen, während friedliche Spieler vor der Kulisse Afghanistans Kriegsspiele spielen“.

 

Dieser Beitrag ist Satire in Form eines Faketickers. Hintergrund/Vorlage ist die Kritik am Computerspiel „Medal of Honor“, in welchem der Spieler auch Taliban spielen können soll. Ich hoffe, der Text regt zum Nachdenken darüber an, ob es widerwärtig ist, ein Spiel über einen Krieg zu machen, oder ob es nicht eher widerwärtig ist, einen solchen Krieg zu veranstalten.

Genau deswegen hasse ich C/C++

2010-08-21 16 Kommentare

Hier mal ein schönes Beispiel, warum ich C und C++ hasse. Nehmen wir doch dieses schöne, einfache Programm:

#include <stdio.h>

int main() {
	int zahl = 23;
	if (zahl > 5) {
		printf("Das sollte reichen: " + zahl);
	} else {
		printf("Das reicht nicht: " + zahl);
	}
}

Was gibt dieses Programm aus, wenn man es startet?

(Runterscrollen für die Lösung)
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Die Antwort lautet:

s reicht nicht: 

Also der Text aus dem else-Zweig, der eigentlich nicht aufgerufen werden kann, und auch noch am Anfang abgeschnitten, und die Zahl fehlt. Was ist passiert? Nun, die Zeichenketten werden hintereinander im Speicher abgelegt. Es wird sehr wohl der erste Zweig ausgeführt – aber es wird die Speicheradresse der ersten Zeichenkette genommen, die Zahl dazuaddiert und die Zeichenkette an dieser neuen Adresse ausgegeben. Logisch, oder? Und das ist nunmal ein Teil der zweiten Zeichenkette.

Ist ja auch völlig klar, dass man bei einer direkt im Quellcode konstant angegebenen Zeichenkette, wo man nicht einmal weiß, wo die landen wird, mit der Speicheradresse herumrechnen will. Klar ist das hier ein Fehler des Programmierers und der Compiler macht sicherlich nur das, was im Standard vorgesehen ist. Aber der gcc (3.4.5 mingw-vista special r3) hält es selbst mit gesetztem -Wall -Wextra (also sehr hohem Warnlevel) nicht im Geringsten für nötig, wenigstens eine Compilerwarnung auszugeben. (Angemessen wäre meiner Meinung nach gerade in diesem Fall schlichtweg ein Fehler. Wer wirklich auf den Pointern herumrechnen will, kann ja casten.) Natürlich hat das alles seine Richtigkeit: Der Text hat den Typ char* (also ein Pointer), und dazu kann man wunderbar einen int addieren. Was sonst sollte man denn damit machen…

Ich sage übrigens nicht, dass automatisch mehr Speicher allokiert, die Zahl in einen Text umgewandelt, an den ursprünglichen String drangehängt und ausgegeben werden muss – eine schlichte Fehlermeldung, dass „Text“ und „Zahl“ sich nicht addieren lassen, wäre völlig ausreichend.

Dieses einfache Beispiel zeigt aber, wie maschinennah man bei C/C++ programmiert. (Update: Ein weiteres, mindestens genauso fieses Beispiel siehe hier.) Dadurch, dass man so direkt auf dem Speicher arbeitet, und sich um viele Kleinigkeiten manuell kümmern muss, entsteht viel Code, mit vielen Fehlern, und „Fehler“ heißen beim Umgang mit rohem Speicher und fremden Daten desöfteren „Sicherheitslücke wegen der man sich schon beim Anschauen einer Website nen Virus fängt“. Ergänzung – zum Beispiel so (Hervorhebung von mir):

Adobe hat seinen Shockwave Player auf Version 11.5.8.612 aktualisiert und schließt damit wieder einmal zahlreiche Sicherheitslücken, von denen Angreifer mindestens 18 zum Einschleusen von Schadcode missbrauchen können. Ursache für die meisten Schwachstellen sind Speicherfehler in diversen Funktionen […]

Die meisten Exploits der letzten Jahre dürften wir tatsächlich C/C++ verdanken.

Zudem habe ich noch den Eindruck, dass entweder durch den üblichen Programmierstil und/oder durch die vielen Kleinigkeiten, die man manuell machen muss, C/C++-Programme im Vergleich zu anderen Sprachen deutlich schlechter lesbar sind.

Für mein Tool DarkLock hatte ich das „Vergnügen“, die Windows-API aus C++ heraus aufrufen zu müssen. Insbesondere die Funktion PowerDuplicateScheme gefällt mir, weil sie stellvertretend für viele andere Funktionen zeigt, wie viel „Spaß“ C++ macht. Diese erhält als Parameter die Konstante NULL (ist halt so…), einen Pointer auf die GUID des einen Schemas, und einen Pointer auf einen Pointer auf eine GUID. Richtig gelesen. Macht auch absolut Sinn, denn wenn der Pointer auf einen Nullpointer pointet, wird eine neue GUID erzeugt und der Nullpointer durch den Pointer auf die GUID ersetzt. Alles klar? (Man muss danach nur noch den Speicher richtig freigeben…)

Den Rest von DarkLock hab ich dann in C# geschrieben, einer Sprache die mehr Java als C ähnelt und deutlich weniger Schmerzen hervorruft. (Und ja, ich weiß, dass es für C durchaus Libraries gibt, die obiges Problem lösen würden.)

Es gibt sicherlich Fälle, wo C und C++ noch Sinn machen (Embedded-Systeme, Dinge die mit hoher Leistung laufen müssen, Sachen die aus sonst einem Grund derart maschinennah sein sollen, …) – für die alltägliche Programmierung von Desktopanwendungen will ich den Kram aber nicht mehr sehen. Wem meine Kritik auf viel zu niedrigem Niveau ist, darf sich gern bei Fefe bedienen.

Gibt es eigentlich einen GUI-Editor für Java, der ähnlich gut ist wie der von Visual Studio? Ich habe nämlich keine Lust, 70% der Zeit damit zu verbringen GUIs zu schreiben. Auch nett wäre, wenn die „höheren“ Sprachen eine einfache Möglichkeit bieten würden, bei Bedarf doch mal auf ein niedrigeres Level zu wechseln (mit den damit verbundenen Nachteilen), oder zumindest (gerade Java) irgendwas, um bequem mit „rohen“ Bytes (gerne durchaus in verwaltetem, geschützem Speicher!) sinnvoll arbeiten und rechnen zu können.

Polizeigewerkschaftswahnsinn

2010-08-08 3 Kommentare

Wenn in den Medien wieder einmal berichtet wird, dass die/eine Polizeigewerkschaft irgendetwas fordert, muss man immer daran denken zu fragen, welche. Es gibt nämlich drei, die sich regelmäßig zu politischen Themen äußern:

  • DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft)
  • BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter)
  • GdP (Gewerkschaft der Polizei)

Hält man die nicht auseinander, macht man schnell eine halbwegs vernünftige Gewerkschaft für die Äußerungen einer anderen, weniger vernünftigen, verantwortlich.

Der BDK ist bekannt dafür, dass er gerade was der Internet betrifft, gerne viel und vor allem viel Unsinniges fordert, ohne wirklich Ahnung zu haben. Die aktuellste respektable Leistung hierbei ist die Forderung eines „Reset-Knopfs“ (gemeint ist ein Not-Aus), mit dem das Internet bei Angriffen abgeschaltet werden kann. Ich denke, die folgende Karikatur bringt die „Sinnhaftigkeit“ des Vorschlags auf den Punkt:

Die BDK-Meldungen zeichnen sich aus meiner Sicht meist mit recht starkem Populismus und Polemik aus, teilweise hat man den Eindruck, dass einfach irgendwo aufgeschnappte Ideen zur eigenen Forderung werden, um in die Presse zu kommen. (Mit dem Internet-Notaus-Knopf machen sich in Amerika seit längerem Leute lächerlich.)

Zumindest eine der anderen Polizeigewerkschaften hatte ich eigentlich als halbwegs vernünftig in Erinnerung und hatte den Eindruck, die Existenz von Bürgerrechten sei ihnen zumindest bekannt. Sicher bin ich mir nicht, ich glaube es war die DPolG, die auch das BKA-Gesetz wegen mangelndem Schutz von Bürgerrechten kritisierte. (UPDATE: Ich hab mir die alten Meldungen nochmal angeschaut, kann genausogut die GdP gewesen sein, ich weiß es nicht.)

Das hat sich geändert. Zum BDK muss ich ja nicht mehr viel sagen. Die GdP hat sich vor kurzem durch eine Aussage ihres Chefs hervorgetan, nach der er sich nicht vorstellen kann, dass die Sicherungsverwahrung Bürgerrechte verletzen könnte. Jetzt hat auch die DPolG nachgelegt, und gleich mal einen Pranger gefordert.

Derzeit kann man also von keiner der drei Gewerkschaften sagen, dass sie Bürgerrechte und die freiheitlichen Grundsätze unserer Gesellschaft auch nur ansatzweise verinnerlicht hätte. (Ergänzung:) Ab und zu schaffen sie es was überraschend positives zu veröffentlichen, aber kurz danach greifen sie wieder daneben. Dennoch sollte man bei Nachrichten unterscheiden, welche der Gewerkschaften was absondert, da es doch noch Unterschiede gibt. BDK-Äußerungen führen bei mir inzwischen nichtmal zu Kopfschütteln – von denen bin ich das gewohnt. Die anderen Gewerkschaften nehme ich zumindest noch etwas ernst. Schade, dass die Presse üblicherweise jede Äußerung einer dieser drei Gewerkschaften aufgreift und verbreitet, fast als wäre es eine offizielle Meldung einer Behörde. Bei vielen Bürgern kommt leider meist nur „Polizeigewerkschaft“ und somit „Polizei“ und somit „offiziell“ und somit „gut“ an…

UPDATE 2: Die FAZ hat es soeben geschafft, ein schönes Gegenbeispiel für den letzten Satz zu liefern. Leider dürfte das die Ausnahme sein, die die Regel bestätigt… UPDATE 3: Hrmpf. Die FAZ hat Constanze Kurz vom CCC für sich schreiben lassen, kein Wunder dass die Meldung was taugt. Immerhin gut, dass sie wenigstens auf Kompetenz setzen, aber lieber wäre mir, wenn die Medien von alleine mit ihren üblichen Autoren auf sowas kämen – so wird es viel zu selten was.

Geheimes Urheberrechtsabkommen ACTA – eine Übersicht

Auf internationaler Ebene verhandeln Regierungen derzeit an einem neuen, internationalen Urheberrechsabkommen namens ACTA. Die Verhandlungen werden nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor den Parlamenten geheimgehalten – diese haben nicht mitzureden. Lobbyisten von Urheberrechtsverbänden hingegen haben sehr wohl Zugang und werden auch angehört. Angebliche Offenlegungen im Namen der Transparenz und stellen sich als unvollständig, fehlerhaft oder völlig gefälscht heraus. Regelmäßige Leaks von Teilen des Abkommens zeigen, dass die Geheimhaltung einen guten Grund hat – es sollen wieder einmal die Interessen normaler Nutzer übergangen und die Interessen der Contentmafia durchgesetzt werden. Vorgeblich soll es nur um die Bekämfung kommerzieller Verletzungen von Schutzrechten wie z. B. Produktfälschungen gehen – in Wirklichkeit betreffen die Regelungen jeden.

Die Pläne übertreffen die bisherigen Gesetze bei Weitem, und auch die EU sorgt eher dafür, dass die Regelungen verschärft als gelockert werden. Der meines Wissens nach aktuellste Leak ist die EU-Version vom 1. Juli. Ich fasse hier mal ein paar Punkte zusammen, die deutlich machen, wie der Hase läuft. Das ist nur das, was ich dem Leak entnehmen konnte. Sicherlich habe ich einige gut in Juristensprache versteckte Punkte übersehen. Zudem ist zu befürchten, dass der Leak unvollständig sein könnte!

  • Richter sollen für Schutzrechtsverletzungen Entschädigungszahlungen nach jedem legitimen vom Rechteinhaber vorgeschlagenen Maßstab wie z. B. dem Verkaufspreis festzusetzen.
  • Geräte, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Schutzrechtsverletzungen verwendet werden, sollen auch in Zivilverfahren entschädigungslos beschlagnahmt werden dürfen. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf Urheberrechtsverletzungen, nicht nur auf Produktfälschungen.
  • „Grenzmaßnahmen“ wieder ausdrücklich auch gegen Urheberrechtsverletzungen (gemeint ist z. B. das Durchsuchen von Datenträgern) sind vorgesehen, die Mitgliedsstaaten des Abkommens können jedoch Ausnahmen für private Güter einführen – müssen es aber nicht! Würden die Verhandlungsteilnehmer ihre Versprechungen, dass das Abkommen eben nicht die Durchsuchung und Beschlagnahme privater MP3-Player umfassen soll, ernst meinen, hätten sie es reingeschrieben.
  • Ebenso können die Teilnehmerländer davon absehen, die strafrechtlichen Vorgaben des Abkommens auf Verletzungen durch Endkunden anzuwenden. Die beinhalten unter anderen, dass für das Abfilmen von Kinofilmen (auch nur für den Privatgebrauch gedachtes) ein eigener Straftatbestand eingeführt werden soll und bei Schutzrechtsverletzungen eine Beschlagnahme der verwendeten Ausrüstung vorgesehen ist.
  • Der interessanteste Teil ist jedoch der, der sich auf das Internet bezieht. (Die Behauptung, es ginge nur um kommerzielle Produktfälschungen und den Handel mit Raubkopien, wird schon durch die Existenz des Abschnitts, spätestens aber durch den Inhalt, widerlegt.)

  • Nicht näher spezifizierte beschleunigte Abhilfen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen und Mittel die eine Abschreckung gegenüber zukünftigen Verletzungen bieten werden gefordert. Three Strikes wird zwar nicht ausdrücklich genannt, es dürfte aber darauf hinauslaufen.
    Eine Regelung, nach der diese Maßnahmen gerecht und angemessen sein müssen, wird nur von drei Delegationen gefordert!
  • Die DMCA-Takedown-Notices, nach denen ein Internetanbieter auf Benachrichtigung durch einen (angeblichen) Rechteinhaber verpflichtet ist, Inhalte zu entfernen, sollen international verpflichtend werden (bzw. die Haftungsbefreiung für fremde Inhalte soll an die Umsetzung eines solchen Verfahrens gekoppelt werden). Immerhin darf die Haftungsbefreiung für die Provider nicht an eine Pflicht zur Vorabkontrolle durch den Provider gekoppelt werden.
  • Diensteanbieter und Rechteinhaber sollen zur Kooperation angehalten werden, um Rechteverletzungen zu vermeiden. Das ist schwammig formuliert, könnte aber dazu führen, dass von Rechteinhabern vorgegebene Richtlinien für Anbieter quasi-verbindlich werden könnten.
  • Das Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen und Tools dafür sollen international verboten werden. Eine Vorgabe, dass Kopierschutzmaßnahmen die rechtmäßige Nutzung nicht behindern dürfen, fehlt natürlich.
  • Fazit

    Wäre das Abkommen tatsächlich nur gegen kommerzielle Produktpiraterie gerichtet, hätte man es reingeschrieben. Auch wenn einige sinnvolle Dinge drin sind, würden viele der Punkte eine weitere, maßlose Verschärfung des Urheberrechts bewirken. Neue sowie bereits im deutschen Urheberrecht vorhandene katastrophale Regelungen würden durch ein internationales Abkommen zementiert, die dringend nötige Reform zur Lockerung und Anpassung des Urheberrechts an das 21. Jahrhundert würde massiv erschwert.

    Zudem kann man sich nie sicher sein, ob der Leak korrekt und vor allem vollständig ist, oder ob in Wirklichkeit noch weitere Maßnahmen hinter verschlossenen Türen behandelt werden.

    Die inhaltlichen Probleme sind nur eine Seite des Problems. Ein viel schwerwiegenderes Problem ist die Art und Weise, wie dieses Urheberrechtsabkommen zustande kommt – nämlich unter Ausschluss demokratischer Gremien, dafür mit Beteiligung von Lobbyisten. Es ist zu befürchten, dass so zahlreiche juristische Feinheiten darin versteckt wurden, die erst später ihre schädliche Wirkung auf die Rechte der Nutzer entfalten. Meiner Meinung nach muss daher der gesamte Entwurf verworfen werden und sofern ein solches Abkommen weiterhin gewünscht ist, muss es von Grund auf mit Personen die an den ACTA-Verhandlungen nicht beteiligt waren transparent und öffentlich neu erstellt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass beim Urheberrecht nicht nur die Interessen der Rechteinhaber berücksichtigt werden dürfen – auch die Allgemeinheit hat Interessen, nämlich die möglichst freie Nutzung von Werken. Leider hat sie keine so laute und penetrante Lobby. Dennoch muss hier eine gerechte Abwägung getroffen werden, was bisher nie gelungen ist – und dem Entwuf nach mit ACTA sicher nicht gelingen wird. Vielleicht wäre es bei einer Neuverhandlung sinnvoll, zur Abwechslung mal die Lobbyisten an die frische Luft zu setzen.

    Die Piratenpartei hat heute deswegen einen offenen Brief an die EU-Kommision und die Bundesregierung geschickt. Darin werden diese aufgefordert, die ACTA-Verhandlungen endlich offenzulegen, die Geheimhaltung zu begründen, auch die Interessen der Bürger zu berücksichtigen und den weiteren Prozess transparent zu gestalten. Ich erwarte nicht wirklich eine Antwort, aber es wäre schön, wenn auch du den Hinweis auf diesen offenen Brief weiterverbreiten würdest, damit der Druck erhöht wird!

    Es bleibt zu hoffen, dass genug Abgeordnete aufgrund dieser intransparenten Verhandlungen ACTA aus Prinzip ablehnen. Nachdem das SWIFT-Abkommen im zweiten Durchlauf mit einer deutlichen Mehrheit abgesegnet wurde, ohne dass die wichtigsten Kritikpunkte behoben wurden, habe ich aber leider wenig Vertrauen in das Europäische Parlament. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Eine Petition gegen ACTA gibt es unter stopp-acta.info.

Details zum Löschwahnsinn bei den Öffentlich-Rechtlichen

2010-07-14 20 Kommentare

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden vom 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag dazu gezwungen, ältere Inhalte von ihren Webseiten zu löschen. Da ich dazu ein paar Fragen hatte, habe ich einfach mal bei der ARD angerufen und möchte hier ein paar Details erläutern, die vielleicht nicht jeder kennt.

Zunächst aber für die, die noch nicht wissen, worum es geht, eine kurze Einführung ins Thema: Lobbyisten der Presse (und teilweise der Privatsender) befürchten, dass ihnen die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen, insbesondere im Internet, Konkurrenz machen. Bedenkt man die Qualität der „Qualitätspresse“, könnten sie damit sogar recht haben. Der Kritikpunkt ist hierbei, dass diese Konkurrenz von den GEZ-Gebührenzahlern durch die Zwangsabgaben eine gesicherte Finanzierung habe und somit den Wettbewerb verzerren würde, da die privaten Konkurrenten ihr Geld selbst reinholen müssen. Das wurde im bei der Reform des Rundfunkstaatsvertrags berücksichtigt: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen Inhalte nun nur noch für eine kurze Zeit online anbieten, und auch die Dinge, welche angeboten werden dürfen, wurden eingeschränkt.

Das betrifft jedoch nicht nur Dinge wie Texte oder Angebote, die speziell für das Internet erstellt werden müssten und somit Mehrkosten verursachen würden, sondern alle Inhalte – die der Gebührenzahler bezahlt hat. Während es sinnvoll erscheint zu verhindern, dass öffentlich-rechtliche Rundfunksender Flirtbörsen betreiben, werden gleichzeitig unter diesem häufig betonten Vorwand bereits erstellte Inhalte ohne wirklichen Grund unzugänglich gemacht. Das mag zwar die Interessen des Wettbewerbs bzw. der Lobbyisten schützen, was die Politik aber mal wieder vergessen hat, ist, dass es noch eine andere Interessengruppe gibt: Die Gebührenzahler. Diese haben den Inhalt bezahlt, und diesen wird genau der bezahlte Inhalt vorenthalten. Obwohl das Interesse der Öffentlichkeit eigentlich wichtiger sein sollte, wurde diese Seite der Medaille lieber nicht beachtet, denn da stecken keine Lobbyisten dahinter.

Die Folge ist nun, dass Inhalte je nach Art nur für einen bestimmten Zeitraum auf den Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender verfügbar sein dürfen. Dass es wohl kaum im Interesse der Gesellschaft liegen kann, Wissen und Inhalte zu verstecken und dadurch auch z. B. Blogbeiträgen die Quellenlinks zu entziehen, muss wohl kaum erwähnt werden. Eine Übersicht darüber gibt dieser tagesschau.de-Artikel. Ach, ich vergaß ja: Also zumindest für einige Zeit. Deswegen hier mal ein etwas längeres Zitat:

Alle tagessschau.de-Inhalte haben spätestens mit dem 1. September 2010 eine „Verweildauer“. Das heißt, sie dürfen nur noch für eine bestimmte Frist im Netz bleiben. Bei vielen Inhalten beträgt diese Verweildauer ein Jahr, zum Beispiel bei den meisten Meldungen und dafür ausgewählten einzelnen Tagesschau-Beiträgen. Viele Tagesschau-Sendungen und das Nachtmagazin bleiben als komplette Sendung dagegen nur sieben Tage on demand abrufbar. Eine Ausnahme bilden die Tagesschau-Sendungen um 20.00 Uhr und die Tagesthemen. Sie gelten als fortlaufende zeitgeschichtliche Archive und dürfen unbegrenzt angeboten werden. Gleiches gilt für Inhalte von zeitgeschichtlicher und kulturgeschichtlicher Bedeutung. Sie dürfen unbefristet in einem eigens auszuweisenden Archiv online bleiben. Eine weitere spezielle Regel gilt für Inhalte, die sich mit Wahlen befassen. Sie dürfen für die Dauer der Legislaturperiode angeboten werden.

Die Einzelheiten sind im so genannten Verweildauerkonzept geregelt – einem Teil des Telemedienkonzeptes.

Nun zu den Details, die ich erfragen konnte:
Beruhigend ist zunächst, dass die Inhalte zumindest bei Tagesschau.de, höchstwahrscheinlich aber auch bei der gesamten ARD und beim ZDF, nur „depubliziert“, also vom öffentlichen Auftritt gelöscht werden. Das bezieht sich auf sämtliche Inhalte, sowohl Texte als auch Videos. Die Rundfunkanstalten behalten Kopien im stillen Kämmerlein, sodass wenigstens kein irreparabler Schaden entsteht. Wenn wir es also in zehn, zwanzig Jahren schaffen, die Regelung wieder zu ändern, können die Inhalte hoffentlich wiederhergestellt werden.

Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Inhalte für die Öffentlichkeit nicht mehr verfügbar sind. Wer sich daher über diese Regelung beschweren will, sollte das bei denen tun, die das verursacht haben. Die richtige Adresse hierfür wären die Staatskanzleien – auch wenn zu bezweifeln ist, dass die Politiker etwas an diesem Punkt ändern, werden sie sich weitere sinnlose Änderungen vielleicht etwas mehr überlegen.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass die Löschverpflichtungen kein Geld sparen. Während das Verbot, „Offtopic“-Angebote zu betreiben, tatsächlich Geld sparen könnte, zwingen die Löschverpflichtungen nur, bereits bestehende Inhalte zu entfernen. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten um die Inhalte zu sortieren und zu entfernen. Auf Nachfrage habe ich erfahren, dass durch die Regelungen nicht einmal bei Sportinhalten etc. Geld gespart wird, z. B. weil Lizenzen dadurch günstiger würden. Kurzum, es handelt sich um eine völlig sinnlose Zerstörung von durch den Gebührenzahler bereits geschaffenen Möglichkeiten des Zugriffs, die – auch offziell! – nur dazu dient, den privaten Anbietern unliebsame (und angeblich ungerechte) Konkurrenz vom Leib zu halten.

Ein Beispiel, warum das ein Problem darstellt, sieht man wunderbar im oben zitierten Absatz: „Eine weitere spezielle Regel gilt für Inhalte, die sich mit Wahlen befassen. Sie dürfen für die Dauer der Legislaturperiode angeboten werden.“ (was eine „großzügige“ Verlängerung der üblichen Frist darstellt. Für normale Tagespolitik dürfte das also nicht gelten!)
Das bedeutet, dass nach einer Legislaturperiode die Berichte und Sendungen mit den Wahlllügen der Parteien deutlich schwerer aufzutreiben sein werden. Wenn also bei der nächsten Bundestagswahl schwarz-gelb abgewählt wird, wird es spätestens bei der übernächsten Bundestagswahl schwierig die heute aktuellen Berichte zu finden (und zu verlinken), die erklären, warum man die nicht wieder zurückwill. Für die meisten Dinge dürfte das jedoch schon bei der kommenden Bundestagswahl zutreffen!

Natürlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender von diesen Regelungen alles andere als begeistert, zumal sie die Kosten für diese sinnlose Kulturgutvernichtung aus ihrem Budget abzweigen müssen. Wenn jetzt jemand aber vorhat, die Inhalte von den Webseiten herunterzuladen und anzubieten, möge er folgende Dinge beachten:

1. Die technische Seite: Wenn genug Leute auf die gleiche Idee kommen, wird das eine unvorstellbar hohe Serverlast erzeugen. Sei ein Video einer Sendung 100 MB groß, erscheine die Sendung täglich, und möchte jemand 5 Jahre sichern, dann entsteht pro Person, die dies tut, eine Datenmenge von rund 180 GB. Diese Werte passen ziemlich genau z. B. für die Tagesthemen (die bleiben übrigens online). Machen das jetzt 100 Leute für 10 solcher Sendungen, reden wir von 180 TB, was einen vierstelligen Betrag an Kosten verursachen dürfte! Zusätzlich verursacht das „Abgrasen“ einer kompletten Website eine hohe Serverlast. Als Heise die Löschung des Heiseforums angekündigt hat, haben ein paar Leute versucht, das Forum zu sichern. Dadurch war es dann erstmal einige Zeit lang nicht erreichbar. Falls jemand also trotz der perversen Datenmengen, die auch gespeichert werden wollen, des Aufwand, der rechtlichen Probleme (siehe unten), der Tatsache, dass die Beiträge noch im Archiv aufgehoben werden sollen etc. das versuchen will, findet andere die das tun wollen sprecht euch ab! Wenn es viele alleine versuchen, scheitern alle und richten dabei einen massiven Schaden an.

2. Die rechtliche Seite: Die Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Obwohl sie mit Geldern der Allgemeinheit finanziert wurden, dürften sie (bis auf eventuell einzelne Ausnahmen) nicht „gemeinfrei“ (Public Domain) oder sonstwie für die allgemeine Nutzung freigegeben sein. Wie das Herunterladen für eine private Sammlung rechtlich aussieht weiß ich nicht, eine Veröffentlichung wäre jedoch ziemlich sicher eine grobe Urheberrechtsverletzung. Für manche Inhalte liegen Rechte bzw. Teile davon bei anderen Rechteinhabern, die darüber sicherlich nicht begeistert wären! (Oder schon, weil sich mit den Abmahngebühren gut verdienen lässt.)

Bei den Inhalten, deren Rechte vollständig bei den Öffentlich-Rechtlichen selbst liegen, könnte man natürlich denken, dass diese gerne ein Auge zudrücken würden – schließlich würden sie die Inhalte eigentlich gerne weiter anbieten, dürfen es nur nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre und sie ihr Recht nicht aus Prinzip durchsetzen würden, könnte es immer noch sein, dass sie durch wen auch immer gezwungen würden, auch gegen den eigentlichen Willen der Verantwortlichen rechtlich dagegen vorzugehen. Wer also auf die Idee kommt, so ein Archiv öffentlich anzubieten, riskiert (neben den großen Trafficmengen) Ärger – den man aber selbstverständlich auch nutzen könnte, um für mehr Öffentlichkeit für diese lächerliche, lobbyfreundliche Regelung zu sorgen.

Zu Urheberrechten und öffentlich-rechtlichen Sendern möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich im Rahmen eines Blogbeitrags mal ein (etwas polemisches) Video erstallt habe, welches (kurze) Ausschnitte aus einer Phoenix-Talkshow enthielt. Einige Zeit nach der Veröffentlichung sah man beim ZDF das alleinstehende Video nicht ausreichend vom Zitatrecht gedeckt, und seitdem sieht es so aus und meinem YouTube-Account fehlen ein paar Features. Wenigstens gabs keine Klage oder Abmahnung und ich durfte es im Blogbeitrag drinlassen (Zitatrecht).

3. Für einige Inhalte dürfte es schon zu spät sein, soweit ich weiß begann das große aus-dem-Netz-nehmen schon vor einiger Zeit.

Zum Abschluss bleibt nur noch die Frage: Was nun?
Neben der Tatsache, dass diese unsinnige Regelung umgehend abgeschafft gehört, sollten meiner Meinung nach selbstproduzierte Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender unter eine freie Lizenz gestellt werden. Dadurch könnte der Gebührenzahler seine bezahlten Inhalte nicht nur besser nutzen, sondern solche Zensurideen wären von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Außerdem sieht man hier ein hervorragendes Beispiel, warum das Urheberrecht auch eine Gefahr darstellt, und wie in unserer Gesellschaft aus wirtschaftlichen Interessen sinnlos Dinge vernichtet werden – zwei weitere Bereiche, in denen dringend etwas getan werden muss. Viel zu tun für die PIRATEN

Falls die Öffentlich-Rechtlichen der Regelung ein Schnippchen schlagen möchten, könnten sie prüfen, ob es möglich ist, die Inhalte kurz vor der Deadline doch noch unter eine freie Lizenz zu stellen und sie gesammelt z. B. als riesige .torrent-Datei zur Verfügung zu stellen oder engagierten Aktivisten zu überspielen (irgendjemand spendet sicher genug Festplatten). Das Netz kümmert sich dann um den Rest. Das wird wohl leider nicht passieren, siehe z. B. die Antwort, die Alios bekommen hat. Falls doch: Ich wäre immer noch mit 1 TB und technischer Unterstützung im Rahmen meiner Möglichkeiten dabei.

Offener Brief an die Internet-Werbebranche

2010-03-22 46 Kommentare

In einem Spiegel-Online-Artikel ist das Geheule über Werbeblocker groß. Zum Schluss wird gefragt: „Wann schalten Sie ihren Werbeblocker ab?

Diese Frage kann und möchte ich in diesem offenen Brief an die Werbebranche und auch an die Werbe-Publisher gerne beantworten: Sobald Werbung wieder aufhört, extrem nervig, ablenkend und schädlich zu sein, und in meiner Privatsphäre zu schnüffeln.

Das bedeutet, und ich betone das meiste mehrfach, weil es einigen Werbefritzen sonst wohl nicht in den Kopf geht:

  • Keine Animationen. Gar keine. Dezente Animationen wären zwar OK, aber weil ich bezweifle, dass Werbefritzen da irgendwelche Maße kennen, lieber erstmal gar keine.
  • Kein Sound. NEIN. GAR KEINER. NIE! Denkt nicht mal dran.
  • Kein Flash für Werbung. GAR KEINS. Nein. Überhaupt nicht. Auch nicht für irgendwas ganz tolles. NEIN! Flash ist ein weiteres Einfallstor für Viren und frisst Speicher und CPU-Ressourcen, zumindest wenn es schlecht programmiert ist. Und weil eine einzige kaputte Flashwerbung in einem von 20 Browser-Tabs reicht, um meinen CPU-Lüfter anzuwerfen, gehe ich das Risiko nicht ein, diese Werbung suchen zu müssen. Alles zu blockieren ist viel einfacher. Mal abgesehen davon, sobald die Werbung sich nicht mehr bewegt und keinen Lärm mehr macht (siehe oben), braucht ihr Flash gar nicht mehr.
  • Keine Werbung, die sich über Inhalt legt. Keine Pop-Ups. Nein, auch keine Pop-Unders. Nein, auch keine Werbung die sich erst über den Inhalt legt wenn man sie versehentlich mit der Maus berührt.
  • Keine Schnüffelei. Die Werbung hat keine Cookies zu setzen, zumindest solange sie nicht angeklickt wird. GAR KEINE. NEIN. WIRKLICH NICHT. Die Zugriffe haben nicht protokolliert zu werden. Wenn man unbedingt Doppelaufrufe vermeiden will, dann von mir aus die IP speichern, aber nur für max. 24h und ohne Info, was für Seiten besucht wurden. Am Besten liefert ihr die Werbung von eurer eigenen Seite statt von irgendwelchen Werbeverteilnetzwerken aus.
  • Keine Viren. Es muss sichergestellt sein, dass keine Viren mit der Werbung ausgeliefert werden, was bereits mehrfach passiert ist. D.h. keine iframes, kein vom Werbekunden bereitgestelltes Javascript. Die Bilder (sind ja jetzt nicht animierte, statische Bilder, also ist das richtig einfach) müssen vom Werbeanbieter immer umgerechnet werden, um Exploits zu verhindern. Das bedeutet: die Bilder werden dekomprimiert (in ein Bitmap-artiges Format) und dann mit vertrauenswürdiger Software wieder in PNG oder JPG gewandelt.

Wenn eine Website sich verpflichtet, all diese Punkte einzuhalten, bin ich bereit, diese Seite in die Whitelist meines Werbeblockers einzutragen. Ich bin sogar bereit, euch ein Angebot zu machen: Ich erstelle eine öffentliche Adblock-Whitelist. Diese kann jeder Adblock-Nutzer installieren, und sie schaltet Adblock auf allen Seiten ab, die darauf eingetragen sind. Eingetragen werden aber nur Seiten, die sich an die Grundregeln halten.

Und um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ganz ausschalten werde ich meinen Werbeblocker erst, wenn alle Webseitenbetreiber wieder gelernt haben, dass die Werbung fair bleiben muss.

Fasst euch an die eigene Nase. Überlegt, warum die Leute Werbeblocker einsetzen. Die immense Mühe, einen ordentlichen Blocker zu entwickeln und diese wunderbaren Sperrlisten zu pflegen, macht man sich nicht aus Langeweile, sondern weil einem die Werbung massiv auf den Sack geht. Ich hoffe, dass die entgangenen Einnahmen durch die Werbeblockernutzer groß und schmerzhaft genug werden, dass ihr merkt, dass das ganze Geblinke sich nicht gelohnt hat. Das Vertrauen der Besucher wiederzugewinnen wird allerdings ein schwerer Schritt – wer den Adblocker einmal drin hat, behält ihn in der Regel auch. Ihr seid selbst dran schuld. Lernt aus euren Fehlern. Noch ist Zeit. Noch hat nicht jeder einen Adblocker installiert.

Mir ist bewusst, dass nicht jede Werbefirma jede der hier genannten Todsünden begangen hat. Auf jeder größeren Website habe ich aber zumindest einige davon gesehen. Einige schwarze Schafe in der Werbebranche genügen, um auch den anderen das Geschäft zu verderben, weil Adblocker unausweichlich werden. Deswegen spreche ich hier immer euch als die gesamte Werbebranche an.

Zuerst gab es normale Werbung, das war ok. Dann habt ihr Popups eingeführt. Die haben die User genervt. Also gab es Popupblocker. Statt den Fehler einzusehen, habt ihr angefangen, Popupblocker zu umgehen oder User mit Blockern auszusperren. Also wurden die Blocker strenger und besser getarnt.

Die Nutzer haben die Werbung irgendwann nicht mehr genug wahrgenommen. Also habt ihr animierte Werbung eingeführt. Das ging, solange die Animationen sich in Maßen gehalten haben. Irgendwann wurde es lästig. Die Nutzer haben gelernt, alles, was blinkt, als unwichtig anzusehen, trotzdem lenkte es ab. Weil ihr nicht mehr genug Aufmerksamkeit bekamt, habt ihr lärmende Werbung und Werbung die aus ihrem Rahmen über den Inhalt ragt erfunden. Das überschritt dann doch jede Toleranzschwelle, also gab es Werbeblocker. Statt einzusehen, dass ihr den User nervt, und faire Werbung einzuführen, habt ihr immer weiter gemacht.

Die Krönung waren die Layer-Ads. Darauf ausgelegt, möglichst schwer sperrbar zu sein, hinterließen sie bei Adblock-Nutzern anfänglich unbenutzbare Webseiten und nervten jeden Besucher. Am Anfang konnte man sie direkt wegklicken. Das taten logischerweise die meisten – wenn ich einen Artikel lesen will, und irgendwas stellt sich davor, dann schau ich mir das gar nicht erst an. Genauso, wie man eine Fliege, die sich einem aufs Mittagessen setzen will, sofort verscheucht. Ihr habt also nur noch genervt, ohne euer Ziel zu erreichen. Statt aufzuhören, habt ihr die Layer immer nerviger gemacht – die Schließen-Schaltfläche wurde erst später eingeblendet, die Werbung ging immer in einem Pop-Under auf etc. Damit habt ihr es endgültig geschafft, für ausreichend viele Leute ein ausreichend großer Schmerz im Arsch zu werden. Also wurden die Adblocker angepasst und eure Werbung endgültig darin versenkt.

Die ganze Zeit über hatte Google Textwerbung – und blieb zumindest von meinem Werbeblocker verschont. Sie waren die einzigen, die es halbwegs verstanden, dass mit nicht nerviger Werbung ein gutes Geschäft zu machen ist. Dann hat Google angefangen immer mehr zu schnüffeln – und schwupps war deren Werbung auch im Blocker verschwunden.

Ihr könnt natürlich auch in den Krieg gegen das Netz ziehen, anfangen, Adblocker zu erkennen und die Leute aussperren. Ihr werdet verlieren. Das Netz kann die Tarnung schneller anpassen als ihr die Erkennung. Wenn es sein muss, innerhalb von Minuten. Ihr könnt euren Inhalt auch hinter Paywalls verstecken. Vielleicht werden euch die wenigen, die ihn trotzdem lesen, sogar so viel einbringen wie die Werbung euch eingebraucht hat. Aber viel wahrscheinlicher werdet ihr in der Bedeutungslosigkeit versinken. Niemand wird euch mehr verlinken, wenn seine Leser eure Artikel nicht abrufen können. Der böse raubkopierende Feind Google wird euch nicht mehr finden, und mit ihm 50% eurer Besucher.

Ihr könnt nicht ohne die Nutzer. Behandelt sie fair, und sie werden euch fair behandeln. Versucht nicht, in einen Krieg zu ziehen, ihr werdet ihn verlieren. Ihr habt die Wahl – ihr könnt darauf verzichten, die Aufmerksamkeit der User mit Gewalt an euch zu reißen, und nur noch normale, faire Werbung schalten. (Da ihr inzwischen verlernt habt, was das ist, schaut nochmal nach oben, da steht es.) Oder ihr könnt weiterhin versuchen zu nerven. Dann werden wir eure Werbung eben gar nicht mehr sehen. Auch gut. Wie man im Netz so schön sagt:
You choose.

Zum neoliberalen Koalitionsvertrag

2009-10-24 11 Kommentare

Eigentlich hatte ich vor, den Koalitionsvertrag auseinanderzunehmen, Zeile für Zeile. Bei über 6000 Zeilen hätte meine Geduld dafür allerdings sicher nicht gereicht. Abgesehen davon wurde das meiste schon gesagt. Trotzdem möchte ich hier einiges nennen, was mir aufgefallen ist, bei den schon in den Medien oft genug erwähnten Dingen weise ich nur kurz auf ein paar wichtige Punkte hin.

Die schon vorher beschlossenen Hartz4-„Verbesserungen“ bringen normalen ALG2-Empfängern gar keine Entlastungen, es bringt nur denjenigen etwas, die mit Vermögen plötzlich zum ALG2-Empfänger werden. Es wird also wieder mal reine Klientelpolitik betrieben, mit dem Vorteil, dass man den Eindruck erwecken kann man würde auch etwas für Ärmere tun. Das wurde aber auch von einigen Medien aufgegriffen, und deswegen hatte ich es nicht schon früher erwähnt. Dieses Blog ist keine Linksammlung oder ein Nachrichtenportal, und wenn etwas schon oft und deutlich genug gesagt wird, muss ich das nicht auch noch erzählen. Dafür ist meine Zeit zu schade.

Bei den Koalitionsverhandlungen drang auch viel Unsinn an die Öffentlichkeit, deswegen wollte ich mich bis zum fertigen Koalitionsvertrag zurückhalten. Auch hier nenne ich nur ein paar besonders „tolle“ Sachen, die mir aufgefallen sind. Für den Rest verweise ich auf die in den Medien ausreichend vorhandene Kritik, Fefe fasst vieles gut zusammen.

Vorab ein lustiger Punkt, den scheinbar noch niemand gesehen hat: In den Metadaten des bei Spiegel veröffentlichten PDFs mit dem Koalitionsvertrag ist mir aufgefallen, dass der Original-Dokumententitel: „Gesamt-Entwurf Koalitionsvertrag-Erster Teil“ lautet. Gibt es noch einen zweiten Teil? Sind da nur irgendwelche Tabellen drin, oder womöglich einfach die Sachen, die man der Öffentlichkeit nicht zumuten möchte? Sowas kann auch ein rein technisches Artefakt sein, z. B. indem zuerst nur der Teil ohne Personalfragen ein Dokument mit passendem Titel war und der Rest dann reinkopiert wurde.

Schön finde ich auch: Das oberste Ziel der wirtschaftlichen Ordnungspolitik muss laut dem Entwurf sein, „dass Bürger und Unternehmen ihre produktiven Kräfte entfalten und ihr Eigentum sichern können“. Nicht etwa, dass jeder Mensch ein menschenwürdiges Leben führen kann, oder dass Gerechtigkeit erzielt werden muss.

Der Koalitionsvertrag ist ein klassisches Beispiel neoliberaler Politik, bei dem mir einfach nur schlecht wird. Erleichterungen für Unternehmen, wohin das Auge reicht, Erleichterungen für Bürger treffen fast ausschließlich Besserverdienende. (Beispiel: Kindergeld und -freibetrag werden erhöht, für ALG2-Bezieher und „Aufstocker“ bringt das wenig, weil der Kinderfreibetrag nicht ausgenutzt und das Kindergeld angerechnet wird.) War eigentlich zu erwarten. Interessant ist aber, wie sich das unterschwellig überall durch den Koalitionsvertrag zieht: Es ist davon die Rede, Beschäftigung zu sichern, die Leistungsbereitschaft zu stärken usw. Immer in einem Kontext, aus dem klar hervorgeht, dass das auf Kosten der Arbeitnehmer gehen soll. Natürlich werden mehr Leute eingestellt, wenn man diese nicht zu bezahlen braucht. (Das Verbot sittenwidriger Löhne ist ein Witz, weil – wie im Koalitionsvertrag offen zugegeben – nur die Rechtsprechung festgeschrieben wird, es ändert sich also nichts. Außerdem wird eine Lohnspirale nicht verhindert, da der Durchschnittslohn in der Branche als Referenz genommen wird – mit um sich greifenden hart an der Grenze liegenden Dumpinglöhnen verschiebt sich die Grenze somit.)

Richtig schockiert hat mich allerdings, dass sich die CDU traut, das Krankenversicherungssystem derartig zu entkernen. Die Kosten werden nicht nur weiter auf Arbeitnehmer abgewälzt, Besserverdiener sollen durch eine Pauschale deutlich besser gestellt werden und noch mehr Leistungen sollen aus der Grundversorgung rausfliegen. Sozialabbau hatte ich erwartet, aber nicht in solchen Maßen. Wenn die Koalition sich jetzt noch entschließen würde, Euthanasie für Arbeitslose anzubieten, könnte mich das wohl nicht mehr als der gerade getane Schritt erschecken. (Wenn ich richtig bösartig wäre, würde ich hier auf die Sache mit dem „Erster Teil“ hinweisen.)

Die Prioritäten sieht man neben dem von Fefe genannten „prüfen“ bei nicht-so-wichtigen Themen (Freiheit, Bürgerrechte, Soziales, Internet) und klarer Ausdrucksweise bei wichtigen Themen (Wirtschaftsförderung, Sozialabbau, Besserstellung Reicher) auch daran, wie genau ein Thema ausgearbeitet wird. Bei den genannten „wichtigen“ Themen finden sich teils seitenlange, extrem genaue Ausarbeitungen, teilweise mit genauen Zahlen, während bei den „nicht-so-wichtigen“ meist sehr allgemein gehaltene, unverbindliche Aussagen getroffen wurden.

Die ganzen Steuergeschenke sollen größtenteils über Wachstum finanziert werden. Sollte das erhoffte Wachstum ausbleiben oder nicht ausreichen (und zumindest letzteres ist meiner Meinung nach fest zu erwarten), entstehen gigantische Schuldenberge.

Den Bereich der Themen, die auch die Kernthemen der Piratenpartei sind, möchte ich allerdings etwas näher beleuchten: Bürgerrechte, Freiheit, Internet und Urheberrechtspolitik. Die Hoffnung war, dass der Wahlerfolg der Piratenpartei die etablierten Parteien zur Vernunft bringt. Vielleicht wäre ohne diesen Erfolg der Vertrag noch deutlich schlimmer gewesen. Gut ist er trotzdem nicht:

Die Bundespolizei soll erweiterte Rechte bekommen. Die Sicherheitsdatenbanken und Schnittstellen zwischen Polizei und Geheimdiensten werden „evaluiert“ (bleiben also vermutlich, sonst hätte man einen stärkeren Begriff gewählt). Der Grundrechtsschutz beim BKA-Gesetz soll durch Verfahren erhöht werden. Die allgemein gehaltene Formulierung sagt fast nichts, und wenn man sie genau nimmt würde es bedeuten, dass alles beim alten bleibt und z. B. nicht zwei sondern drei BKA-Beamte irgendwas abnicken müssen.

Das BKA-Gesetz wird im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre „auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung“ überprüft. Zu Deutsch: Es wird nur dann angepasst, wenn das Verfassungsgericht es für teilweise Verfassungswidrig erklärt, und dann auch nur so, dass es gerade so noch verfassungskonform ist. Zeugen sollen künftig gezwungen werden, Vorladungen der Polizei Folge zu leisten, ob damit das Zeugnisverweigerungsrecht eingeschränkt wird, ist nicht ganz klar.

„Durch eine offensivere und modernere Risiko- und Krisenkommunikation einschließlich von Warnmechanismen“ will die Koalition „zu einer gefahrenbewussteren Bevölkerung beitragen.“ – lies: sie will weiterhin Terrorpanik schüren. Die Telekommunikationsüberwachung soll „evaluiert“ und ggf. optimiert werden – die Tür zum „optimieren“ von den Grundrechten weg wird also weit offen gelassen.

Das Jugendschutzrecht soll konsequent durchgesetzt werden. Das kann zwar vieles von strengeren Vorschriften bis zu einer chinaartigen Internetzensur bedeuten, aber eher nichts Gutes. DE-Mail soll definitiv beschlossen werden. Wenigstens lehnt die Koalition eine totale Überwachung des Internetdatenverkehrs ab. (Über eine nicht komplette Überwachung wird aber nichts gesagt.)

Die „Regelungen zur Verantwortlichkeit“ im Telemediengesetz sollen „fortentwickelt“ werden. Die bisher etablierte Regelung spricht (grob gesagt) Provider von jeder Verantwortung frei, wenn sie von den Inhalten nichts wussten. In welche Richtung hier „fortentwickelt“ werden soll, ist also offensichtlich, wird aber sicherheitshalber nicht erwähnt. Es soll nur ein fairer Ausgleich der Interessen von Providern, Rechteinhabern und Nutzern stattfinden. Was in dieser Hinsicht die Koalition unter „fair“ versteht, können sich die meisten hoffentlich denken. Bei weiteren Ausgestaltungen des IT-Rechts sollen „Informationsfreiheit und Schutz vor rechtswidrigen Inhalten gleichermaßen berücksichtigt werden“.

In welche Richtung der geplante dritte Korb des Urheberrechts gehen dürfte, sollte der Satz „Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein“ klarmachen. Allerdings will die Koalition „keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen“. Ob das mit der Initiative nur eine leere Phrase ist, oder ob das heißen soll „aber wenn jemand anderes das vorschlägt, machen wir gerne mit“ werden wir ja sehen. Auch Propaganda für ein starkes Urheberrecht wird versprochen.

Die Kinderpornosperren werden zunächst ein Jahr lang ausgesetzt und durch „Löschen statt Sperren“ ersetzt. Nett, dass die Koalition auch mal lernfähig ist, das haben die Piraten nämlich von Anfang an gefordert. Die elektronische Gesundheitskarte wird ebenfalls vorerst aufgeschoben. In beiden Fällen ist zu Bedenken: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Die Vorratsdatenspeicherung wird weitergeführt, aber – wie vom BVerfG vorgegeben – wird der Zugang zu den Daten bis zur engültigen Entscheidung eingeschränkt. Also auch hier wieder Vorgaben „umgesetzt“ die es eh gab.

Die Netzneutralität wollen sie zunächst dem Wettbewerb überlassen, aber beobachten und „nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern“ – FDP, ich nehm euch beim Wort! Denn da steht, dass die Netzneutralität durchgesetzt wird, falls sie nicht von selbst funktioniert.

Beim Datenschutz wird auf die Selbstverantwortung der Bürger zum Selbstdatenschutz gesetzt, der Datenschutz auf der anderen Seite wird kaum behandelt. Zu Arbeitnehmerdatenschutz und Fluggastdaten gibt es nur sehr schwammige Formulierungen, zu SWIFT wird es teilweise etwas exakter (den bissigen Kommentar zu Steuerhinterziehung verkneife ich mir an dieser Stelle).

Der Bologna-Prozess, der den Studierenden eine herrliche Überlastung beschert hat, wird als voller Erfolg verkauft. Die breite Anerkennung der Abschlüsse, die das Ziel war, sieht übrigens in der Realität so aus, dass sie teilweise nicht einmal im gleichen Bundesland akzeptiert werden und die Unis separate Vereinbarungen abschließen. Die ebenfalls als Ziel definierte Internationalität der sieht man in der Praxis daran, dass Studenten durchs Studium getrieben werden und keine Zeit für Auslandssemester bleibt. Muss ja eine tolle Bildungspolitik werden, wenn sie auf solchen Fehlannahmen aufbaut.

Zum Schluss hat noch ein wunderbar undemokratischer Abschnitt meine Übelkeit gefördert: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. […] Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Solange sich die Koalition nicht einig wird, werden sinnvolle Gesetze also nicht beschlossen, selbst wenn die Opposition zustimmen sollte. Genau dieser Punkt (der so üblich ist, egal ob offiziell oder inoffiziell) sollte meiner Minung nach genau umgekehr gehandhabt werden: Keine festen Koalitionen, sondern neue Mehrheitenbildung zu jedem Beschluss. Dann würde vielleicht etwas mehr der Wille der Bevölkerung befolgt.

Viel interessanter als das was drinsteht, ist das, was nicht drinsteht. (Wenn ich fies wär, würde ich hier nochmal auf die Sache mit dem „erster Teil“ hinweisen.) Das wären beispielsweise Bundeswehr im Inneren, Versammlungsrecht (die Koalitionsparteien sind in dem Punkt berühmt-berüchtigt), Biometrie, Kameraüberwachung und viele weitere Dinge, die eben deswegen nicht auffallen, weil sie nicht erwähnt werden. Etwas zu finden, was fehlt, ist schwieriger, als etwas schlechtes zu finden, was da ist. Ergänzungen über die Kommentare sind herzlich willkommen.

Daran sieht man auch den Schwachpunkt einer solchen Analyse: Man hat nur die Versprechungen der Parteien, was am Ende daraus wird, kann nochmal was ganz anderes werden, vor allem wenn noch Punkte dazukommen, die im Koalitionsvertrag nicht drinstanden.

Ich hoffe, dass gerade auch im Bezug auf die (A)Sozialpolitik dieser Irrsin aufgehalten wird, bevor das womöglich noch in einem Bürgerkrieg, Staatsbankrott oder „vierten Reich“ endet.

Die Kosten der Atomkraft

2009-10-01 10 Kommentare

Eine Bundestagspetition zur Finanzierung der Atomenergie hat mich dazu gebracht, sich mit dem Thema mal näher zu beschäftigen. Die Petition ist herrlich sarkastisch „auf FDP getrimmt“, d.h. sie benutzt Ausdruckweisen wie sie sonst nur die FDP von sich gibt und die eigentlich niemand ernst meinen kann. Wie die FDP immer wieder von „Selbstverantwortung“, „Selbstständigkeit“ etc. spricht (vorzugsweise wenn es darum geht dem „freien Markt“ freie Hand zu lassen und ihn unreguliert in Bereichen toben zu lassen wo eine Regulierung dringend nötig ist), so spricht die Petition von freiem Wettbewerb und „Selbstvertrauen“ der Energieversorger, nur dass diesmal damit Subventionsabbau und für die Betreiber teure Maßnahmen damit begründet werden. Die FDP wird Probleme haben, die Petition abzulehnen, denn in Inhalt und Wortwahl trifft diese genau die offizielle Kernposition der FDP, die Selbstverantwortung fordert (auch wenn das schnell vergessen wird, wenn die unangenehmen Seiten der Selbstverantwortung, nämlich das „Kosten-selbst-tragen“, auftauchen).

Die Petition fordert neben dem Abbau direkter und indirekter Subventionen auch eine Versicherungspflicht für GAUs. Als jemand das mir gegenüber als Unsinn abtat, habe ich mich mal informiert. Atomkraftwerksbetreiber inkl. Muttergesellschaften haften dazu mit ihrem gesamten Vermögen für Schäden. Wenn man bedenkt, dass der Börsenwert von E.ON derzeit rund 60 Mrd. EUR beträgt, und dieser bei einem Atomunfall stark sinken dürfte, kann man sich jedoch vorstellen, was das im Ernstfall Wert wäre. Deswegen müssen Atomkraftwerke versichert sein, und zwar insgesamt bis 2,5 Mrd. EUR pro Schadensfall. Der Großteil davon wird über die Solidargemeinschaft der AKW-Betreiber abgedeckt. Um mir einen Eindruck über die Größenordnung zu verschaffen, habe ich das mal mit der wohl bekanntesten Versicherungspflicht in Deutschland verglichen, der Kfz-Haftpflicht. Dort herrschen (für Personenschäden) per Gesetz Mindestdeckungssummen von 7,5 Mio. EUR, üblich sind jedoch 50-100 Mio. huk24.de bietet beispielsweise eine Erhöhung auf 100 Mio. EUR für 50 Cent pro Jahr an. Ein Atomkraftwerk ist also nur bis zum 25fachen der für PKW üblichen Deckungssumme versichert. (Hinweise darauf, dass AKW-Betreiber freiwillig mehr versichern als nötig konnte ich nicht finden.) In anderen Ländern sollen diese Regelungen allerdings noch schlimmer sein, dort haften teilweise die Betreiber auch nicht mit ihrem ganzen Vermögen.

Zum Argument, deutsche Atomkraftwerke seien bauartbedingt sicher, möchte ich nur anmerken, dass es sich bei vielen deutschen Kernkraftwerken um Druckwasserreaktoren handelt. Die sollen Bauartbedingt zwar nicht in der Lage sein, wie der graphitmoderierte Tschernobyl-Reaktor einen Super-GAU auszulösen, allerdings hat der Druckwasserreaktor in Three Mile Island eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass auch solche Reaktoren durchaus zu massiven Schäden inkl. partieller Kernschmelze fähig sind. Beim Unfall wurde hochexplosives Wasserstoffgas freigesetzt. Update – genauer: Beim Unfall entstand Wasserstoffgas, welches zusammen mit der Luft ein explosives Gasgemisch im Inneren des Reaktors gebildet hat. Hätte eine daraus resultierende Explosion das Gebäude zerlegt, wäre der Unfall wohl deutlich schlimmer ausgegangen (wenn auch immer noch weniger schlimm als Tschernobyl). Auch wenn Atomkraftwerke grundsätzlich nicht wie eine Atombombe explodieren, kann eine Wasserstoffexplosion das Kraftwerk in eine riesige „schmutzige Bombe“ verwandeln. Leider haben deutsche Kernkraftwerksbetreiber wiederholt unter Beweis gestellt, dass sie zu Gunsten höherer Gewinne gerne schlampig arbeiten, wie man gut zum Beispiel am nichtnuklearen Teil von Krümmel sehen kann, wo jahrelang Mängel einfach ignoriert wurden.

Das deutsche Atomforum, eine Lobbyorganisation der AKW-Betreiber, behauptet auf ihrer Website, die Kernenergie würde nicht subventioniert werden, insbesondere würde die Entsorgung des Atommülls von den Unternehmen über Umlagen bezahlt. Greenpeace sieht das allerdings etwas anders und redet von massiven (indirekten) Subventionen in Milliardenhöhe. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit lobt den Bericht, bezeichnet die Atomkraft in einer FAQ als teuren Irrweg und nennt dort auch einige weitere beinahe-Katastrophen. Die aktuellen Nachrichtenmeldungen darüber, wie unter dem Deckmantel der Forschung auf Kosten der Steuerzahler Atommüll aus kommerziellen AKWs entsorgt wurde, deuten darauf hin, dass die Behauptungen der Atomlobby nicht wirklich der Wahrheit entsprechen. Ich bezweifle, dass die Kraftwerksbetreiber die ordnungsgemäße Entseuchung der Asse und ihrer Umgebug zahlen müssen, sofern es sowas unter Schwarz-Gelb überhaupt gibt.

Ich war lange Zeit starker Befürworter der Atomkraft, doch die Lobbylügen insbesondere über die Sicherheit, der Wahnsinn, Betrug und die Skandale bei den diversen Endlagern, die Schlamperei in Krümmel und die völlig ungelöste und eventuell unlösbare Endlagerfrage haben mich inzwischen zu einem Atomkraftgegner bekehrt. Die Technik an sich ist nicht ohne Gefahren, könnte aber vermutlich durchaus sicher genutzt werden. Das klappt jedoch offensichtlich nicht mit Unternehmen, welche für einen höheren Gewinn auf Sicherheit verzichten. Diese Technik auch noch zu subventionieren macht überhaupt keinen Sinn, die Kosten müssen von den Kraftwerksbetreibern getragen werden, ebenso wie die finanzielle Verantwortung für das Risiko nicht nur bei den Unternehmen liegen, sondern auch durch Versicherungen abgesichert sein muss. Wenn dadurch Atomkraft finanziell unattraktiv wird, dann ist die Technik wohl doch nicht so gut. Wenn die Versicherung des Risikos zu teuer wird, könnte es daran liegen, dass das Risiko doch zu groß ist. Es kann schlichtweg nicht sein, dass ein Kernkraftwerk, welches das Potential hat weite Landstriche zu verseuchen, nur 25mal so gut wie ein gängiger PKW versichert wird. Und es kann erst recht nicht sein, dass diejenigen, die mit einer solchen Technologie verantwortungslos umgehen um hohe Gewinne zu erzielen, noch mit Steuergeldern gefördert werden.

Die Forderungen der genannten Petition unterstütze ich daher voll und ganz und rufe jeden Leser dazu auf, diese jetzt mitzuzeichnen.

Die Endlagerung sollte dabei keinesfalls in die Hände der Atomunternehmen gegeben werden, weil diese höchstwahrscheinlich kaum verantwortungsbewusst arbeiten werden. Vielmehr muss die Entsorgung staatlich durchgeführt und sämtliche Kosten, also auch Erforschung und Bau der Endlager, müssen auf die Unternehmen umgelegt werden. Unternehmen, welche schlampig arbeiten, muss unverzüglich die Lizenz entzogen werden, und es muss Strafzahlungen geben, welche den Profit aus der Schlamperei deutlich übersteigen.

Kann eigentlich jemand erklären, warum es sich für die Kraftwerksbetreiber lohnt, alte AKWs länger laufen zu lassen und neue abzuschalten, statt umgekehrt? (Das wäre übrigens auch etwas, was geändert werden sollte, wenn das geht.) Handelt es sich um wirklichen Profit oder schönt es nur die Bücher?

UPDATE: Unter http://www.atomhaftpflicht.de/ wird eine volle Haftpflichtversicherung
für die deutschen Atomkraftwerke gefordert.

Streisand-Effekt: Praxistest in Braunschweig

2009-07-30 2 Kommentare

Der Streisand-Effekt besagt, dass etwas vergleichsweise unbekanntes durch Zensur- und Unterdrückungsversuche nur noch viel bekannter und unangenehmer wird. Geschichte und zahlreiche Beispiele finden sich im entsprechenden Wikipedia-Artikel – man kann jedenfalls sagen, dass der Effekt in der Regel wirklich funktioniert.

Für nicht allzu breit öffentlich bekannte Dinge an den auch kein wirkliches öffentliches Interesse besteht, wie peinliche Videos einzelner, unbekannter Personen, kann (muss aber nicht) etwas anderes gelten. Sobald jedoch bereits eine gewisse Öffentlichkeit involviert ist, die Informationen auch nur ansatzweise interessant erscheinen, die Öffentlichkeit den „Gegner“ irgendwie als „böse“* empfindet, ist es fast unmöglich, die Inhalte aus dem Netz zu bekommen. Sobald man es versucht, insbesondere, wenn es als „Zensur“ einer wie auch immer gearteten „bösen“* Stelle empfunden wird, verbreiten sich die Inhalte schlagartig – oft werden sie erst durch die Zensurversuche interessant. Löscht man sie an einer Stelle, werden sie an zehn weiteren wieder eingestellt. Der Kampf ist meist in wenigen Stunden verloren. Hätten die Verantwortlichen in solchen Fällen nichts unternommen, wären die Inhalte zwar weiterhin im Netz verfügbar, aber nur auf einer Seite und ohne die erhebliche Aufmerksamkeit, und somit vergleichsweise unschädlich.

In Braunschweig war ein harmloses Flashmob-Picknick auf dem Schlossplatz geplant. Beim ersten mal kamen weit unter 100 Teilnehmer. Dieser Flashmob wurde nun verboten. Durch die Mobilisierung im StudiVZ wären zwar vermutlich mehr Leute gekommen als letztes mal. Erst durch dieses Verbot aber wurde der Flashmob richtig bekannt, er ging durch fast alle größeren Onlinemedien – der Streisand-Effekt hat sich wieder mal gezeigt. Viele werden sich sicher durch das Verbot abschrecken lassen, weil sie keine Lust haben, von der Polizei zusammengeprügelt zu werden. Ich denke aber, noch viel mehr werden die jetzt richtig bekannt gewordene (erzwungene) Aussage des ursprünglichen Einladers („Bei dieser Flashmob-Aktion werden sich um 16 Uhr KEINE Picknicker auf dem Schlossplatz treffen, um NICHT gemeinsam zu picknicken, zu feiern, zu grillen, Musik zu machen, zu tanzen oder worauf man auch immer Lust hat„) erst recht als Einladung ansehen. Mit etwas Pech wird es durch die große Öffentlichkeit noch größer als die Megaparty auf Sylt. Und im Gegensatz dieser dürfte das Verbot auch und vor allem zahlreiche Leute anziehen, denen Ärger mit der Polizei nicht nur nichts ausmacht, sondern bei ihnen in die Kategorie „worauf man auch immer Lust hat“ fällt. Auf Indymedia, einer bei Linksextremisten beliebten News-Plattform, ist das Verbot prominent erwähnt worden.

Ich wünsche der örtlichen Polizei jedenfalls viel Glück. Hoffentlich kommen (auf beiden Seiten!) keine Menschen zu Schaden. Und hoffentlich lernen einige Beamte, was im Internet eine gute Idee ist – und was nicht. Ich jedenfalls freue mich über einen weiteren Beweis des Streisand-Effekts und werde mit Vergnügen in den Nachrichten verfolgen, wie viele Leute sich da nun eingefunden haben. Neben der Bekanntheit (in der relevanten Zielgruppe wohl >90%) spielt nämlich auch die Aufmüpfigkeit und Konfliktbereitschaft eine Rolle. Mal schauen, ob der Spruch, dass Deutsche sich bei einer Revolution erst eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie den Bahnhof stürmen, stimmt oder nicht.

*) „böse“: Staat, Großkonzern, unbeliebter Promi, jemand der das Internet nicht versteht, jemand der etwas was im Internet beliebt ist angreift, …

Zensursulas Umfrage auseinandergenommen

2009-06-17 5 Kommentare

Eine Umfrage der Kinderhilfe, durchgeführt von Infratest-Dimap, ergab, dass angeblich 92% für Internetzensur im Kampf gegen Kinderpornos sind. Eine Umfrage von Mogis, ebenfalls durchgeführt von Infratest-Dimap (!), ergab, dass  94% dagegen sind. Damit ist zum Wert von Umfragen eigentlich schon alles gesagt worden.

Dennoch hat Zensursulas Ministerium passend zur Abstimmung über das Gesetz eine weitere Umfrage in Auftrag gegeben, diesmal bei Allensbach. Die Ergebnisse sind online verfügbar – was liegt also näher, als die Studie gründlich auseinanderzunehmen? (Liebes Zensurministerium: Löschen oder Sperren des PDFs bringt nix, Kopie ist vorhanden.) Alle Seitennummern beziehen sich auf PDF-Seiten, nicht auf die Seitenzahlen die auf den Seiten selbst stehen.

Fangen wir doch mal mit dem Offensichtlichen an (das Sahnehäubchen – die meist zitierte Frage – behandle ich weiter hinten): Auf Seite 7 steht klipp und klar, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung der Meinung ist, dass die Zensur Erfolg hat, die Nutzung einzudämmen. Gleichzeitig – ein Widerspruch in sich – sind 81% übrigens der Meinung, dass die Stoppseite dringend nötig sei weil sie Gelegenheitsnutzer abschrecke. Allein schon an einem solchen Widerspruch innerhalb der gleichen Umfrage (!) sieht man, wie wertlos und von den Fragen abhängig die Ergebnisse sind. Dennoch mache ich hier mal weiter.

Auf Seite 10 erkennt man, dass mit zunehmendem Alter, abnehmender Bildung und abnehmender Internetnutzung die Zustimmung zu Sperren steigt. Lies: Je weniger Ahnung, desto mehr pro Zensur. Das erklärt übrigens auch warum Zensursula dafür ist…

Auf der gleichen Seite unten wird behauptet, dass auch „Internet-Fans“ die Sperrungen begrüßen würden. „Internet-Fan“ wird hier als Bezeichnung für „starke Internet-Nutzer“ verwendet, wobei eine „starke“ Nutzung bereits „täglich“ ist. In der heutigen Zeit würde ich das nicht unbedingt als etwas besonderes sehen. Dennoch sieht man, dass „starke“ Internet-Nutzer – die also tendenziell mehr Ahnung haben – den Sperren wesentlich kritischer entgegenstehen.

Bei der meistzitierten Kernfrage auf Seite 4 geht die Frage schlichtweg von falschen „Tatsachen“ aus. Es wird behauptet: „Wenn ein Internetnutzer auf [kinderpornographische] Seiten kommt, wird ein großes Stoppschild angezeigt, und man kommt nicht mehr weiter.“ Erstens wird es dem BKA kaum gelingen, einen nennenswerten Teil der Kinderpornoseiten auf die Sperrliste zu bekommen, sodass nur in einigen Fällen der Nutzer das Stoppschild bekommt. Zweitens ist die Behauptung „man kommt nicht mehr weiter“ schlichtweg falsch. Auch die Auswahloptionen sind leicht manipulativ: Neben „unentschieden gibt es nur entweder „begrüße Maßnahmen“ oder „nicht geeigneter Weg gegen Kinderpornographie“ – die Option „gegen Kinderpornographie geeignet, aber aus anderen Gründen (Missbrauchsgefahr) abzulehnen“ fehlt. Auch werden die Befürchtungen und Nachteile natürlich verschwiegen, sodass primär durch die Frage „informierte“ Bürger natürlich „passend“ entscheiden werden.

Das Ergebnis der nächsten Frage (Seite 5) fällt auch wie zu erwarten aus: Natürlich sind 90% der Bevölkerung der Meinung, dass ein solches Stoppschild (welches nur Kinderpornoseiten sperrt), keine zu weitgehende Einschränkung des Rechts auf Informationsfreiheit ist. Ein solches Stoppschild ist es zwar vielleicht nicht, aber es wird bei einem solchen Stoppschild nicht bleiben, wie zahlreiche Aussagen von Politikern bewiesen haben. (Eine Übersicht wird es bald geben.) Die Einführung einer Zensur, gleich zu welchem Zweck, ist ein Dammbruch. Genausowenig wie wir zu guten Zwecken Terroristen foltern dürfen, dürfen wir mit guten Absichten eine Internetzensur einführen – wobei ich den derzeitigen Politikern sogar die guten Absichten nicht zutraue.

Fazit: Die Umfrage ist größtenteils Murks, wie fast jede Umfrage zu dem Thema (inklusive der von Mogis, aber das sollte damit ja gezeigt werden). Das einzige, was man daran erkennen kann, ist: „Je ahnungsloser, desto Zensursula“.

BKA: 6 Atomexplosionen in Deutschland

2009-05-28 8 Kommentare

Laut der vom Bundeskriminalamt veröffentlichen polizeilichen Kriminalstatistik gab es zwischen 1990 und 2007 insgesamt 7 Fälle, davon ein Versuch, von „Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie“. Laut dem BKA gab es also seit 1990 sechs Atomexplosionen in Deutschland. Entweder die Presse wird sehr effektiv zensiert, sodass niemandem aufgefallen ist dass irgenwo plötzlich ein sehr, sehr großes Gebiet verstrahlt und verwüstet ist, oder aber das BKA nimmt es mit der Kriminalstatistik nicht so genau. Irgendwie gehe ich dann doch von letzterem aus. Die interessante Frage wäre da: Wenn da wo der Unsinn offensichtlich ist, dennoch Unsinn auftaucht und nicht korrigiert wird, wie sieht es mit den anderen Zahlen aus? Kann man davon ausgehen, dass die Abweichung der absoluten Zahlen im einstelligen Bereich liegt und somit kein Problem darstellt, oder sind die Zahlen, mit denen gerne argumentiert wird, völlig wertlos?

Utopia hat das BKA und die Landeskriminalämter intensiv genervt und zu dem Thema einen sehr schön recherchierten Bericht veröffentlicht, im zweiten Teil wird klar, dass keiner so wirklich eine Ahnung hat, wo die Fälle herkommen. Ich würde mich auf die Kriminalstatistik also lieber nicht verlassen und auch nicht alles glauben, für was jemand mit den Zahlen argumentiert.

UPDATE: Inzwischen wurde die Kriminalstatistik offenbar korrigiert, sodass es nun weder versuchtes noch erfolgreiches „Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie“ gegeben hat.

Nebenbei habe ich aber eine lustige Entdeckung gemacht: Leider hatte ich keine Kopie der alten Kriminalstatistik, die den Fehler noch aufgewiesen hat, gespeichert. Daher wollte ich im Web Archive eine alte Fassung ergattern, doch leider speichert das Web Archive die Webseiten des BKA nicht – denn das BKA hat das per robots.txt untersagt.

Es ist üblich, mit diesem Mechanismus automatische Zugriffe auf die Webseite und damit auch die Archivierung zu untersagen, doch meist sperrt man entweder alle automatischen Zugriffe oder doch eine größere Anzahl Programme, oder man beschränkt die Verbote auf Teile der Website. Das BKA jedoch hat laut der beim Web Archive vorhandenen robots.txt nur den Zugriff durch das Web Archive untersagt, alle anderen dürfen die Website weiterhin automatisiert benutzen. Das BKA hat also offensichtlich keine Lust, dass alte Versionen der Website abrufbar sind. Dafür kann es gute Gründe geben, z. B. weil man Fotos von Verdächtigen bei Öffentlichkeitsfahndungen nach dem Abschluss der Fahndung nicht mehr im Netz haben will, um die Betroffenen zu schützen, interessant fand ich es aber trotzdem.

Deutsche Kinderhilfe für Kinderpornos im Netz?

2009-05-14 1 Kommentar

Die Petition gegen Internetzensur hat inzwischen 80000 Unterschriften. Die Deutsche Kinderhilfe ist scheinbar der Meinung, dass Internetsperren genau das richtige Mittel gegen Kinderpornographie sind, und sammelt jetzt Unterschriften. Auf den Formularen steht

Ja, ich stimme für das Gesetz gegen Kinder“pornographie“ im Internet.

Welches Gesetz damit gemeint ist, wird nicht erwähnt. Insbesondere wird nicht erwähnt, dass das aktuell debattierte Gesetz zum Ziel hat, Kinderpornographie eben nicht aus dem Netz zu entfernen, sondern lediglich, den Zugang aus Deutschland (unwesentlich) zu erschweren. Insbesondere kann man davon ausgehen, dass die Bereitschaft, derartiges Material wirklich zu bekämpfen, sinken wird, wenn es „gesperrt“ ist. Dadurch dürften die Perversitäten noch länger im Netz bleiben – und aus dem Ausland völlig ungehindert erreichbar sein. Die Petition der Deutschen Kinderhilfe ist also eher für Kinderpornographie im Netz statt dagegen! Nur dürfte das niemandem klar werden, der das Formular unterschreibt.

Ich bitte daher jeden, der deren Liste unterschrieben hat und erst jetzt merkt, wofür er da gerade seinen Namen hergegeben hat, die Unterschrift zu widerrufen. Einmal natürlich gegenüber der deutschen Kinderhilfe selbst, aber vor allem auch gegenüber dem Bundestag – denn die deutsche Kinderhilfe will dort die Unterschriften einreichen und es würde mich wundern, wenn sie dabei widerrufene Unterschriften aussortieren. Weist dabei bitte ausdrücklich auch darauf hin, wie die deutsche Kinderhilfe die Unterschriften sammelt und wie sie verdeckt, wofür man wirklich unterschreibt. Wenn der Bundestag davon weiß, dürfte er auch einschätzen können, was die Unterschriften wert sind, die da von der deutschen Kinderhilfe abgeliefert werden.

Wenigstens wird versichert, dass die Adressdaten nicht verkauft werden. In der Vergangenheit hat das die Deutsche Kinderhilfe wohl anders gehandhabt, siehe den Welt-Artikel über die Deutsche Kinderhilfe (Teil 2), der Rest der Artikelserie ist genauso interessant: Deutsche Kinderhilfe (Teil 1). Auch der separate Artikel über die fragwürdigen Geschäfte der deutschen Kinderhilfe ist interessant. Der deutsche Spendenrat (welcher seriöse Spendenempfänger zertifiziert) hat die Deutsche Kinderhilfe rausgeschmissen – sie sind wohl auch noch durch andere Dinge negativ aufgefallen, z. B. indem sie Abmahnungen an andere gemeinnützige Organisationen verschickt haben. Ich werde hier sicher nicht den ganzen Kram auflisten, der der deutschen Kinderhilfe vorgeworfen wird, das wäre zu viel. Gemeinnützig sind sie jedenfalls nicht mehr in allen Bundesländern, und der Wikipedia-Artikel musste wegen Manipulationen gesperrt werden. Hier nur einige Links:

Eine schöne Übersicht bei FoeBuD über die Sammelaktion und die Seriosität der deutschen Kinderhilfe

Eine schöne chronologische Liste mit Quellenlinks über die Deutsche Kinderhilfe und ihre Aktionen von nix.over-blog.de

Ein ausführlicher Artikel bei FIX!MBR

Netzpolitik hat auch was – Deutsche Kinderhilfe für Zensursula

Ich hoffe, dass die Google-Suche nach „Deutsche Kinderhilfe“ bald die informativen Artikel vor deren Propagandahomepage bringt.

Fußball tötet

Wieder einmal durfte ich mich gehörig aufregen, als ich die reißerische Werbung einiger englischer Gesundheitsorganisationen gesehen hab: Um eine Kampagne des Gesundheitsministeriums namens „Change4Life“ zu fördern, welche sich dafür einsetzt, dass Jugendliche sich mehr bewegen, haben vier gemeinnützige Organisationen Computerspiele als direkte und bedeutende Ursache für einen frühen Tod dargestellt. Unter einer dicken Überschrift „Risk an early death, just do nothing“ (Riskiere, früh zu sterben, tue einfach nichts“) war ein kleiner Junge abgebildet, der Videospiele spielt. Nur in sehr kleiner Schrift wurde erwähnt, dass „9 von 10 Kindern riskieren mit zu viel Fett im Körper aufzuwachsen “ und geben die Empfehlung ab, Bewegung zu fördern und Fett zu reduzieren, um diverse Krankheiten zu vermeiden. Dieser Text wäre durchaus in Ordnung, nur ist er so klein, dass zunächst die dicke fette Überschrift und das spielende Kind ins Auge fallen. Obwohl der Text überhaupt nicht auf Videospiele eingeht, wird damit der Eindruck erweckt, dass Videospiele direkt zu einem frühen Tod führen. Wer sich das Original mal ansehen will, hier findet sich die Version mit der besten Auflösung die ich finden konnte. Mit Mühe kann man sogar den kleinen Text lesen…

Diese Werbung schrie förmlich danach, parodiert zu werden. Regelmäßig kippen Profisportler auf dem Sportplatz um und sind sofort tot, oft in einem Alter unter 25 Jahren. Ein viel besseres Beispiel für „early death“ als die von Spielen angeblich verursachten Todesfälle, oder? Und vor allem ist der Zusammenhang offensichtlich und weitgehend unstrittig, während die These, dass zu wenig Bewegung zu einem frühen Tod führt, teilweise angezweifelt wird. Natürlich führt Fußball genausowenig direkt zu einem frühen Tod wie Computerspiele, natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Profisport und „Bewegung“, und natürlich ist die Parodie genauso polemisch wie die ursprüngliche Werbung.

Fußball tötet

Fußball tötet

Das „Kunstwerk“ habe ich selbst erstellt. Für das Fußballfeld habe ich dieses Foto des Flicker-Nutzers Samiq benutzt, welches unter der Lizenz CC-BY-SA frei genutzt werden darf. Das fertige Bild steht somit ebenfalls unter dieser Lizenz. Bei Verwendung im Web bin ich für einen Link auf diesen Beitrag dankbar, möchte aber niemanden dazu zwingen. Eine Verbreitung ist natürlich ausdrücklich gewünscht, ich bitte aber darum, das Bild nicht in falschem Kontext darzustellen. Es ist eine Parodie, und die Aussagen darin sollten nicht zu ernst genommen werden. Eine unkomprimierte Version ist auf Anfrage verfügbar.

Fußball tötet (Druckversion 60x40)

Fußball tötet (Druckversion 60x40)

Durch mydealz bin ich auf ein interessantes Angebot gestoßen: myprinting.de bietet als Werbeaktion an, ein 60×40-Poster kostenlos zu drucken (Reflink, siehe unten). Es fallen Versandkosten an, die sich früher mit dem Gutscheincode EECW6ZH2 auf 0,99 EUR senken ließen. Das scheint leider nicht mehr möglich zu sein, sodass die Aktion recht uninteressant wird, wenn man nicht eh noch was anderes bestellen will. Die Preise sollen selbst mit Gutschein allerdings recht hoch sein. Beim Gratisposter wird außerdem  deren Logo aufgedruckt. (UPDATE: Angebot gibt es nicht mehr.) Ich habe daher eine druckbare Version erstellt, bei der der Text in höherer Auflösung gerendert ist, das Bild gedreht und einen weißen Rand für das Logo eingefügt, sodass man es gut drucken lassen kann. Die kleineren Shilouetten sind leider etwas unschön geworden, aber ansonsten finde ich die Qualität ok. Der Druck sah gut aus, in dem Punkt kann man myprinting nicht kritisieren.

HINWEIS/OFFENLEGUNG:  Das nicht mehr existente 0,99 EUR Angebot war eine sehr günstige Möglichkeit, an das Poster zu kommen, deswegen habe ich es hier erwähnt – dass man die Versandkosten inzwischen nicht mehr los wird, habe ich erst erfahren als der Artikel fast fertig war. Wie üblich schaue ich bei Links auf Angebote immer, ob es auch eine Werbeversion („Reflink“) gibt, und es gab eine, also habe ich sie eingebaut. Ich bekomme also für Bestellungen über obigen Link Geld, und Adblock könnte ihn blocken. Wenn es keinen Reflink gegeben hätte, hätte ich einen normalen Link eingebaut, sofern möglich. (Oft sind Werbeaktionen nur über Reflinks erreichbar.) Die Links sind also nicht da, weil ich damit Geld verdienen möchte, ich habe nur statt einem normalen einen Werbelink gesetzt. Ein Tracking-Pixel ist nicht beim Link dabei.