Schäuble gesteht

Es geht um dieses Youtube-Video – in dem Schäuble unter anderem zugibt, keine Ahnung von Online-Durchsuchungen zu haben:

Ich finde, es handelt sich um eines der Besten und Wichtigsten Videos zu dem Thema. Schäuble zeigt, dass er noch nicht völlig wahnsinnig ist, und ich möchte auch die positiven Punkte hier anbringen, da ich nicht unfair sein will, auch nicht gegenüber Schäuble. Hier die wichtigsten Punkte:

  • Die erhöhte Zahl der Maßnahmen ist zumindest zum Teil sicher auch auf das angesprochene Phänomen zurückzuführen, dass Menschen (und damit auch Terroristen) immer mehr Kommunikationswege nutzen und Terroristen immer mehr „Einweghandies“ benutzen. Ob die steigende Zahl aber allein daran liegt, oder tatsächlich die überwachten Personen gestiegen sind, ist unklar, aber ich nehme an, dass es einen tatsächlichen Anstieg gab, da der Respekt vor der Privatsphäre einfach verloren gegangen ist.
  • Nebenbemerkung: Wenn 99,9% der Menschen in Deutschland nicht betroffen wären, wären das immer noch 82 tausend Betroffene.
  • Schäuble scheint tatsächlich Wert darauf zu legen, die Überwachung nur unter Beschränkungen zu erlauben (und nicht, diese Beschränkungen bloß so locker wie möglich als Deckmantel vor dem Verfassungsgericht anzuwenden).
  • Nur der Präsident des BKA soll den Überwachungsantrag stellen dürfen. Auch wenn solche Beschränkungen formal keine beondere Rolle spielen, tragen sie doch dazu bei, den Missbrauch zu reduzieren und die Nutzung auf wichtige Fälle zu beschränken. Das ist also eine gute Idee. Allerdings ändert es natürlich nichts daran, dass die „wichtigen“ Fälle später schnell die unangenehmsten Dissidenten statt der gefährlichsten Terroristen sein könnten, außerdem ist diese Beschränkung leicht wieder abzuschaffen, da sie – wie gesagt – formal keine besondere Bedeutung hat (im Gegensatz z. B. zum Richtervorbehalt). Weiterhin ist mit „Präsident des BKA“ vermutlich „Präsident des BKA und seine Vertreter“ gemeint, was die Regelung wirkungslos macht, da eben nicht nur der Präsident des BKA persönlich (was eine sinnvolle Beschränkung wäre), sondern auch seine Sekretärin, sein Vertreter und eventuell sogar noch viel mehr Personen diesen Antrag am Ende stellen können. (Man beachte, dass z. B. „der Datenschutzbeauftragte“ die Bezeichnung für die gesamte Dienststelle ist!)
  • Schäuble fordert einen Richtervorbehalt, was er soweit ich weiß bisher auch nicht immer getan hat.
  • Schäuble sagt, dass viel Unsinn erzählt wird. Er hat recht. Keiner weiß vermutlich, wie eine Online-Durchsuchung wirklich aussehen könnte. Ob (physikalsiche) konspirative Wohnungsdurchsuchung mit der Installation von Trojanern/Hardware-Keyloggern, Angriffe per Exploit, gefälschte CDs oder modifizierte Downloads – es gibt viele Spekulationen, und das BKA und das Innenministerium geben auch nur widersprüchliche Infos heraus. Auch Schäuble erzählt viel Unsinn, aber:
  • Schäuble gibt endlich zu, dass er keine Ahnung von Onlinedurchsuchungen hat! (gegen Ende des Videos)
  • Das Argument, die Maßnahmen seien so aufwändig, dass nur wenige davon stattfinden würden, ist wiederum Unsinn. Die Aktionen der Stasi 1.0 waren auch aufwändig, und sie wurden in großen Mengen gemacht. Und der Aufwand dürfte heute geringer sein.

All diese positiven Punkte werden relativiert dadurch, dass nicht klar ist, ob Schäuble aus Überzeugung spricht (das wäre gut, aber ich bezweifle es) oder nur, um seine überzogenen Ideen in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Die Onlinedurchsuchungen sind immer noch verfassungswidriger Unsinn, der zahlreiche Rechtsstaatprinzipien verletzt, mal ganz abgesehen davon, dass laut dem Gesetzentwurf die Durchsuchungen automatisiert sein sollen(!) – zu all diesen Dingen mehr hier. Der wichtigste Teil dieses Videos ist also Schäubles Geständnis, keine Ahnung von dem zu haben, was er energisch fordert. Wenigstens in diesem Punkt ist er ehrlich.

  1. 2007-10-22 um 21:27 GMT+0000

    mmh komischerweise wundert es mich nicht, dass Schäuble keine Ahnung von Onlinedurchsuchungen hat. Das ist ja weit verbreitet unter Politikern, über das, was sie abstimmen, nicht wirklich Bescheid zu wissen („Killerspiele“, Hackerparagraph und naja, eigentlich alles, was mit Computern zu tun hat) Aber … wir haben sie ja gewählt. Von daher ist es doch ganz nett, dass Herr Schäuble gesteht, dass er keine Ahnung hat, vielleicht sieht er es ja auch ein und zieht seine Schlüsse…

  2. Jonas
    2007-10-23 um 16:24 GMT+0000

    Der Satz „So’ne Maßnahme ist so aufwändig-wir wären überhaupt nur in der Lage zehn pro Jahr überhaupt nur zu durchsuchen“ Erschreckt mich über alle Maßen!

  3. 2007-10-23 um 17:17 GMT+0000

    … und lässt sich gut beraten. Allerdings ist die Beratungsresistenz von Politikern anscheinend unvergleichlich groß; siehe Heise Artikel:

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/97771

  4. 2007-10-23 um 19:22 GMT+0000

    Also „weil Herr Zierke Trojaner cool findet und ich nix davon verstehe, brauchen wir unbedingt die Online-Durchsuchug, die zudem noch derart aufwendig ist, daß man davon nur ein paar pro Jahr machen kann“. so klingt für mich die Kernaussage dieses Interviews.

    Damit wäre dann die Faktenlage etwas anders: Schäuble ist nicht unbedingt verfassungsfeindlich, sondern einfach nur inkompetent. Zierke hingegen der Buhmann, der vom Rechtsstaat nicht viel hält. – Eine legitime, wenn auch unschöne Verteidigungsstrategie von Herrn S.

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